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Foto: Dieter David Scholz (Venedig Santa Maria della Salute)
Buß- und Bettag
Der Begriff Buße hat bei den Menschen von heute nicht gerade Hochkonjunktur, ebenso wenig wie die Begriffe Demut, Mitleid, Rücksichtnahme oder Nächstenliebe. Durch die Abschaffung des Buß- und Bettags als gesetzlicher Feiertag ist das nicht besser geworden. Dabei ist Buße etwas, was als „Reinigen des Herzens“ und des Sich-Verbesserns eigentlich jeden Tag erfolgen sollte, Hygiene für die Seele gewissermaßen. Der Prophet Jeremia hat den Menschen seiner Zeit geraten: „Wascht (auch) euer Herz!“ (Jeremia 4, 14) Für dieses „Waschen des Herzens“ kennt die Bibel ein eigenes Wort: „Buße tun“.
Buße tun ist aus der Mode gekommen. Dabei hat schon Martin Luther 1517 in seinen 95 Thesen empfohlen, die Menschen sollten „das ganze Leben“, jeden Tag, Buße tun, also nach einem besseren Lebensweg suchen. Der Buß- und Bettag wird immer elf Tage vor dem ersten Advent beziehungsweise am Mittwoch vor dem 23. November begangen. 2024 ist das der 20. November. Es ist ein evangelischer Feiertag. Obwohl es sich dem Namen nach so anhört, muss am Buß- und Bettag keine eigentliche Buße geleistet werden. Es geht dabei nicht um Strafen für bestimmte Taten, sondern eher um Reue für begangene Sünden.
Heute hat der Buß- und Bettag vor allem eine soziale Bedeutung. Laut der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern nehmen viele Ortsgemeinden den Feiertag zum Anlass, auf sozio-ökologische Probleme hinzuweisen. Der Buß- und Bettag ist gewissermaßen eine Art Neujahrstag, erklärt die Evangelisch-Lutherische Kirche. An diesem Tag könne man in sich gehen und das vergangene Jahr Revue passieren lassen. So kann jeder mit Fehlern und Verlusten abschließen. Der Buß- und Bettag wird am Mittwoch vor dem Ewigkeitssonntag gefeiert. Es geht bei diesem Tag um Umkehr und Reue, also eine innere Gesinnungsänderung.
"Der Gedenktag dient dem Nachdenken über individuelle und gesellschaftliche Irrtümer wie beispielsweise Ausländerhass, Antisemitismus, Umweltzerstörung und die Ausgrenzung von Armen und Obdachlosen", heißt es bei der Evangelischen Kirche selbst. Der Buß- und Bettag geht übrigen auf einen alten Brauch zurück, in Notzeiten einen öffentlichen Bußgottesdienst abzuhalten, in dem Gott um Vergebung und Hilfe gebeten wird. Im Lauf der Geschichte wurden Buß- und Bettage immer wieder aus aktuellem Anlass angesetzt.
In Berlin ist der Buß- und Bettag kein gesetzlicher Feiertag. Dennoch finden besondere Gottesdienste statt. Mit Aktionen für Grund- und Oberschüler bietet die Evangelische Kirche in Berlin besondere Aktionstage an. Die Schüler können sich hierfür vom Unterricht befreien lassen. Der Buß- und Bettag ist nur noch in Sachsen ein staatlich geschützter Feiertag.
In Sachsen gilt der Buß- und Bettag als gesetzlicher Feiertag. Die Menschen haben dort an dem Tag also frei, die Geschäfte bleiben geschlossen. In allen anderen Bundesländern müssen die Menschen hingegen zur Arbeit und auch die Geschäfte bleiben geöffnet. Eine Ausnahme gibt es allerdings: In Bayern ist an allen Schulen am Buß- und Bettag immer unterrichtsfrei. So müssen Schüler nicht in die Schule. Im Gesetz über den Schutz der Sonn- und Feiertage ist außerdem geregelt, dass sich der Arbeitnehmer aus religiösen Gründen freinehmen darf. Ein Urlaubstag muss dafür nicht geopfert werden, es besteht aber auch kein Anspruch auf Bezahlung. Der Buß- und Bettag ist in Bayern außerdem ein stiller Tag. Es gilt also ab zwei Uhr in der Früh ein Tanzverbot - und zwar bis Mitternacht.
Dass der Buß- und Bettag kein deutschlandweiter gesetzlicher Feiertag ist, war nicht immer so. Durch das "Reichsgesetz über die Feiertage" vom 27. Februar 1934 wurde der Buß- und Bettag ein gesetzlicher Feiertag im gesamten Deutschen Reich. Nach der Wiedervereinigung übernahmen die neuen Bundesländer den Feiertag ebenfalls. Folglich war der Buß- und Bettag ab 1990 ein deutschlandweiter Feiertag. 1995 beschloss der Bund allerdings, dass der Buß- und Bettag kein gesetzlicher Feiertag mehr ist.
Obwohl als staatlicher Feiertag abgeschafft, bleibt er doch ein wichtiger kirchlicher Feiertag. Zusammen mit dem Aschermittwoch und dem Karfreitag stellt er einen der drei offiziellen Bußtage des Kirchenjahres dar. Das Wort „Buße“ darf hier jedoch nicht, wie im allgemeinen Sprachgebrauch, als eine Art Wiedergutmachung begangenen Unrechts verstanden werden. Vielmehr gibt der Feiertag den Menschen die Gelegenheit, sich selbst zu reflektieren, Reue zu zeigen oder sich auf eine Umkehr und Sinnesänderung zu besinnen.
Ursprünglich wurde dieser Tag noch nicht einmal von der Kirche erfunden, sondern er lässt sich bis in die Antike nachweisen. Nach römischem Brauch sollte in Krisenzeiten eine besondere Sühne die Götter gnädig stimmen. Der erste evangelische Buß- und Bettag fand dann auch in einer Krisenzeit statt. Als Reaktion auf die so genannte „Türkengefahr“ jener Zeit ordnete der Kaiser im Jahr 1532 in Straßburg den ersten Bettag an. In den folgenden Jahrhunderten fand der Buß- und Bettag in den unterschiedlichen Regionen Deutschlands zu verschiedenen Terminen statt. Nach Verschiebungen, Abschaffungen und Wiedereinführungen wurde der Buß- und Bettag erst 1981 wieder gesetzlicher Feiertag in der Bundesrepublik. Doch bereits 14 Jahre nach seiner Wiedereinführung wurde er wieder abgeschafft. Der Grund hierfür war die im gleichen Jahr eingeführte Pflegeversicherung als Pflichtversicherung. Die finanzielle Mehrbelastung der Arbeitgeber sollte durch Mehrarbeit wieder ausgeglichen werden.
Als kirchlicher Feiertag bleibt der Buß- und Bettag jedoch erhalten und wird mit Gottesdiensten, Konzerten und anderen ernsten Veranstaltungen weiterhin gestaltet. Als evangelischer Feiertag bietet der Buß- und Bettag der Gesellschaft die Gelegenheit, innezuhalten, den eingeschlagenen Kurs zu überprüfen und, wenn nötig, zu korrigieren. Insofern ist der Buß- und Bettag ein Tag der Umkehr, der heilsamen Neuausrichtungnch dem Bibelwort:
„Herr, lass ihn noch dies Jahr, bis ich um ihn herum grabe und ihn dünge; vielleicht bringt er doch noch Frucht …“: das Evangelium vom Feigenbaum macht Hoffnung und stellt den Bußtag in den Horizont der Verheißung Gottes. (Lukas 13, 1-9)