Stefano Podas Don Carlo Erfurt

Photo: Lutz Edelhoff


Verdis "Don Carlo" als Gesamtkunstwerk Stefano Podas

in Erfurt


Am 21.09.2013 hatte im Theater Erfurt Giuseppe Verdis Oper "Don Carlo" Premiere. Die Inszenierung der Verdi-Oper besorgte der italienische Regisseur Stefano Poda. Es war sein Deutschland-Debüt. Im restlichen Europa hat er sich als Bühnenbildner, Regisseur, Kos-tümbildner, Choreograph  und Lichtdesigner längst eine Namen gemacht als Magier ästhetisch  bestechender Gesamtkunstwerke auf der Bühne.


Auch in der thüringischen Landeshauptstadt offenbarte er sich als sehr origineller Visonär, als Theaterzauberer, als Ausstattungs- und Beleuchtungsperfektionist jenseits des soge-nannten Regietheaters. Er zeigt eigentlich nur einen schwarzen Raum auf der Bühne, in dem schwarz gekleidete Menschen agieren, aber es ist ein magisch sich verändernder, suggestiver Todesraum für Todgeweihte. Eine Gruft, durch die Nebel kriechen, immer neue Lichteinfälle beleben diese alptraumhafte Szenerie und lassen faszinierende goldene Struk-turen der Architekturmaterialien und der Stoffe sichtbar werden. Wenige Symbole spani-scher Macht, Symbole der Kirche, des Todes  und des Universums deuten die Themen des Stücks an, ohne allzu historisch konkret zu sein: Kruzifixe, Leichenberge, ein gewaltiger Weihrauchkessel, der durch den Bühnenraum geschwenkt wird, ähnlich dem  in der Kathedrale von Siantiago de Compostela, ein gigantisches Modell der Planetenbahnen. Der Mensch erscheint vor solchen Symbolen klein und nichtig. Es sind Vanitas-Bilder, die Stefano Poda entworfen hat. Aber sie leben, denn Hubpodien und Drehbühne sind ständig im Einsatz. Die Inszenierung ist ein schaurigschönes Gesamtkunstwerk voller theatra-lischer Wunder und ohne jede Aktualisierung. Stefano Poda vertraut ganz der zeitlosen Aktualität des Stücks.   


Im "Don Carlo" stehen sich die Unvereinbarkeit von privatem Glück und öffentlicher Po-sition unvereinbar gegenüber.  Es geht in dieser Oper um Politik, um das absolutistische System Philipps des Zweiten, den Fanatismus der katholischen Inquisition und den Frei-heitskanmpf der Niederlande. Es geht aber auch um einen Vater-Sohn Konflikt und um die Einsamkeit der Herrschenden. Stefano Podas Inszenierung zeigt vor allem eine vom Ka-tholizismus verdüsterte, absolut freudlose Welt der Todesverfallenheit, ja der Todessüch-tigkeit. Die Menschen schleppen sich hinfällig durch ein ird´sches Jammertal! Ein Kruzi-fix und die die nageldurchbohrte Hand des Gekreuzigten dominiert den Bühnenraum. Stefano Poda zeigt ein Stück über die  Grausamkeit des Lebens unterm Joch eines fun-damentalistischen Katholizismus. Man kann diese Inszenierung  aber auch als szenische Installation einer düsteren Parabel über die Einsamkeit des modernen Menschen verstehen. Und so ist Verdis Oper je gemeint.


Nun gibt es  sieben verschiedene Fassungen dieser Oper, Verdi hat 20 Jahre lang an seiner Don Carlos-Oper herumgefeilt und sie immer wieder verändert, wobei heute meist nur zwei auf die Bühne kommen, die fünfaktige Pariser Urfassung auf Französisch und die vieraktige italienische Mailänder Fassung. Man kann sich darüber streiten, welche die Bessere ist. Beide Fassungen haben ihr Stärken. In Erfurt hat man sich für die vieraktige italienische Fassung entschieden. Das ist sicher die kompaktere. Und sie hat vielleicht sogar die größte Nähe zu Schiller.


Der italienische Dirigent Manlio Benzi stand am Pult dieser Verdi-Produktion in Erfurt. Er hat an diesem Haus vor 5 Jahren "La Gioconda" dirigiert. Zuletzt hat er an der Semperoper in Dresden, an der Hamburger Staatsoper, an der Pariser Oper und an der Bayrischen Staatsoper auf sich aufmerksam gemacht.  Im "Don Carlo" dirigiert er  weniger eine äu-ßerliche, prunksüchtige Grand Opéra als ein existentiell erschütterndes Musikdrama, das betroffen macht. Sein Dirigat ist weit entfernt von allem Gefälligen. Dieser Verdi tut gera-dezu weh. Es ist ein bis zur äußersten Brutalität geschärfter Verdi. Aber diese Oper ist brutal und schmerzhaft, und indem Manlio Benzi sie so dirigiert, kommt er Verdi sehr nah und beglaubigt musikalisch auch die düstere Inszenierung von Stefano  Poda.


Was die Besetzung angeht: In Erfurt hat man immerhin eine überzeugende Herrenriege zur Verfügung. Wobei der kurzfristig umbesetzte Philipp mit Georg Zeppenfeld ein Glücksfall ist. Zeppenfeld ist einer der beeindruckendsten jungen deutschen Bassisten. Aber auch der Posa von Kartal Karagedik und der Großinquisitor von Vazgen Ghazaryan beeindrucken. Die Damen sind gute Sängerinnen, gwewiss, abernicht ganz so glaubwürdig. Die Elisabeth von Ilia Papandreou ist im Verdi-Fach hörbar nicht zuhause. Dariya Knyazyeva als Eboli wirft sich zwar mächtig ins Zeug, stimmlich und darstellerisch, doch ihre Koloraturengelenkigkiet und Höhensicherheit lassen zu wünschen übrig.


Dass der Tenor Richard Carlucci wegen Krankheit nur eingeschränkt die Titelpartie singen konnte, muss man ihm nachsehen, immerhin hat er gespielt und gesungen, und damit die Premiere gerettet. Trotz genannter stimmlicher Einschränkungen eine faszinierende Produktion, die vom regietheatermüden Publikum geradezu frenetisch gefeiert wurde.


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