Madama Butterfly. Mainz. Katharina Waner

Fotos: Martina Pipprich /Staatstheater Mainz

 

 

Katharina rupft Schmetterling

oder Wagner inszeniert Puccini

 

Katharina Wagner ist für Schlagzeilen und Publicity immer gut. Schon weil sie die Bayreuther Festspielchefin und Urenkelin Richard Wagners ist. Am vergangenen Wochenende hat sie zu einem neuen Regieschlag ausgeholt. Sie hat am Staatstheater Mainz Giacomo Puccinis Oper „Madama Butterfly“ inszeniert. Das sorgte natürlich für überregionales Interesse, auch wenn die 32-jährige Katharina Wagner als Regisseurin umstritten ist.

 

Ob Katharina Wagner als Regisseurin überhaupt ernst zu nehmen ist, drüber gehen die Meinungen auseinander. Unstrittig ist aber wohl, dass sie keine begnadete Regisseurin ist. Eher in Gegenteil, ihre Inszenierungen leben doch unverkennbar von Anleihen, von Abgeschautem, von Vorbildern und von den Konzepten ihrer Dramaturgen. Eine wirklich eigene Handschrift, oder eine große Begabung in der Personenführung, visionäre szenische Phantasie, Geschmack und Theaterinstinkt lässt sie eigentlich vermissen. Auch handwerklich ist sie nicht gerade eine auffällige Erscheinung unter den jungen Regisseuren. Nun kann man natürlich sagen: Sie hat ja erst sieben Inszenierungen vorgelegt, die Butterfly in Mainz ist ihre achte, aber es gibt schließlich Regie-Talente, die offenbaren ihre Begabung schon bei der ersten Inszenierung!

Man würde von der „Regisseurin“ Katharina Wagner überhaupt nicht sprechen, wenn sie nicht die Tochter von Wolfgang Wagner wäre, der sie lancierte und ihr den Weg aufs Theater bereitete. Ohne ihn und seine Protektion wäre sie wohl gar nicht aufgefallen. Sie hat zwar bei Harry Kupfer in Berlin und auch bei einigen Produktionen der Bayreuther Festspiele assistiert. Aber das war Teil der "Ausbildung", die ihr Vater Wolfgang angedeihen ließ, um sie reif für die Übernahme seines Amtes zu machen, und um sie zunächst wenigstens als Regisseurin nach Bayreuth zu holen, zu einer Zeit, als noch gar nicht absehbar war, dass sie – gemeinsam mit ihrer Halbschwester – einmal Festspielchefin werden würde. Der Stiftungsrat hat sie ja erst am 1. September 2008 gewählt, nachdem Wolfgang Wagner im April 2008 seinen Rücktritt erklärte, zugunsten seiner beiden Töchter.


Angefangen hat Katherina Wagner   zu inszenieren im Jahre 2002, und zwar in der „Provinz“. In Würzburg. Dort hat sie den "Fliegenden Holländer" inszeniert, mit mäßigen Publikumsreaktionen.  Schon 2 Jahre später inszenierte sie an der ungarischen Staatsoper. In Budapest brachte sie den "Lohengrin" auf die Bühne Auch das war kein wirklicher Erfolg. 2005 hat sie den "Waffenschmied" am Gärtnerplatztheater in München, gemacht, wo Wolfgangs damalige rechte Hand zufällig Intendant war, und an der Deutschen Oper Berlin kam dann Puccinis "Trittico" heraus, verabredet wohl schon mit dem Bayreuth sehr ergebenen Dirigenten Christian Thielemann,  als er noch Chef in Berlin war. Und dann debütierte Katharina auch schon auf dem grünen Hügel mit den "Meistersingern" 2007. Die Inszenierung hatte ihr Pappa schon Jahre vorher reserviert. Er hat seine Tochter bis dahin systematisch als Regisseurin aufgebaut, um sie nach und nach in Bayreuth zu installieren. Und diese "Meistersinger" waren übrigens auch alles andere als ein Durchbruch als große Regisseurin.  Eher im Gegenteil. Wenn Katharina Wagner nicht Wolfgangs Tochter und Wunschnachfolgerin gewesen wäre, sie wäre wohl nie nach Bayreuth engagiert worden, angesichts ihres glanzlosen Vorlebens als Regisseurin. Und dass sie dann in Bremen den "Rienzi" und in Las Palmas den "Tannhäuser" zu- und hinrichten durfte, wie Manche meinen, ist nur ihrer Person als Festspielchefin und Wagner-Urenkelin geschuldet.  


In Mainz hat die Wagner-Urenkelin nun Puccini s "Madama Butterfly" inszeniert. Premiere war am 15. Januar, also am vergangenen Freitag.  Man darf wohl sagen, dass Katharina hat den Schmetterling gerupft hat, denn sie erzählt nicht die Geschichte der zarten Geisha, die sich in den herzlosen amerikanischen Soldaten verliebt und für ihn ihre Identität aufgibt, um am Ende Selbstmord zu verüben. Es ist auch kein Stück über den Konflikt der Kulturen. Kein Japan, kein Amerika. keine Kirschblüten... Katharina inszeniert rücksichtslos und bewusst gegen das Libretto und gegen die Musik an. Sie erzählt das Stück aus der Perspektive des Heiratsvermittlers Goro (was nicht uninteressant sein müsste). Aber Goro muss bei ihr als Maître de Palisier, als Gaukler und Conférencier unentwegt in gespreizten Posen über die Bühne (eine abgeschmackte Pornolandschaft) schreiten und tänzeln. Das Bühnenbild von Monika Gora zeigt übrigens nichts als weiße, mobile Wohn-container, die im Innern den amerikanischen Herren Pinkerton und Sharpless gängige Sexobjekte zeigen: Lack- und Leder-Damen, Transvestiten, eine Krankenschwester mit Klistier, eine Soldatin, auch ein Kind stehen zur Auswahl.  

Im zweiten Akt werden die Porno-Kisten zu einer Hochhauslandschaft aufgetürmt. Mister Pinkerton klettert unablässig darin herum, um seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Mehrfach knallt er zwei halbnackte kleine Männer ab, er vergnügt sich aber auch zwischen zwei Damenbeinen oder an Riesenbrüsten aus Plastik, er krabbelt und hangelt sich durch die Sexlandschaft, so wie Katharina sich zwischen ihren banalen und klischeehaften Regieeinfällen hindurchlaviert.  

 

Butterfly und Suzuki bauen indessen aus weißen Erinnerungskästchen einen Schrein zusammen, um dann aber doch kein Samurai-Schwert auszupacken. Mit Blaustift schreiben sie Worte wie „Hope“, „Trust“, „Comfort“ und „Love“ auf die weißen Wände. Wie immer darf bei Katharina viel geschmiert werden. Das hat sie von Schlingensieff. Und am Ende stirbt Butterfly nur musikalisch. Die ziemlich mollige (wie unsauber singende) Sängerin Abbie Furmansky (in einem scheußlichen grauen und unvorteilhaften Fetzen, den ihr Thomas Kaiser entwarf) bleibt hingegen mit dem Rücken zum Publikum aufrecht stehen wie eine antike Säule. Warum, das wird von Katharina Wagner ebenso wenig erklärt wie der Rest der Handlung, die Einen, derart entstellt, völlig kalt lässt. Auch musikalisch war diese Produktion alles andere als erfreulich. Catherine Rückwardt dirigierte grobschlächtig und unsensibel. Der Tenor Sergio Blazquez als Pinkerton war ein schlechter Witz. Zu schweigen vom Rest.  Ein ärgerliches Scheitern, musikalisch, aber vor allem inszenatorisch.


Doch Katharina Wagners Selbstbewusstsein hat durch ihre Erfolglosigkeit als Regisseurin keinen Schaden gelitten. Im Gegenteil. Sie beweist Chuzpe, denn sie hat schon ausgeplaudert, dass sie allerhand Regieangebote auf dem Tisch habe. Außerdem wird sie ja, das ist schon offiziell, den nächsten „Tristan“ in Bayreuth inszenieren. Und wer weiß, was alles noch. Erstaunlich überhaupt, dass sie Zeit findet, neben der Festspielleitung zu inszenieren. Erstaunlich aber auch, dass sie immer wieder engagiert wird. Obwohl: Eigentlich ist das natürlich nicht erstaunlich, denn es ist ja nur das schamlose Kalkül der Intendanten mit dem exotischen Sensations- und Promifaktor und nicht die Wertschätzung ihres "Regietheaters", das dafür verantwortlich ist.  Und schließlich: Eine Hand wäscht die andere ...

 

Gespräch in MDR Figaro am Vormittag, 21. 01. 2010