Innsbrucker Festwochen Alter Musik2009

Foto: Innsbrucker Festwochen/ R. Larl

Innsbrucker Festwochen Alter Musik 2009


De Marchis langweiliger Einstand mit"L´ Isola disabitata" 

Die Zukunft des Festivals: "Barrierefrei und  niederschwellig" O weh!



"Letzte Helden“ lautet das Motto der diesjährigen Innsbrucker Festwochen Alter Musik, die vom 12. bis zum 29. August in Tirol statt-finden. Das Festival begibt sich auf die Suche nach elden vergangener Jahrhunderte. Diese Suche nach ruhm­reichen wie unrühmlichen Männerbildern spannt einen Bogen von den Musikern der Hofka­pelle weltlicher Helden, der Habsburger Kaiser Maximilian I. und Leopold I. bis hin zu den virilen Konzertpianisten des frühen 19. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt der Festwochen stehen aus Anlass des Haydn-Jahres zwei Opernpremieren: Mit Haydns Oper „Orlando Paladino“  verabschiedet sich René Jacobs nach über 30 Jahren von Innsbruck. Die Oper wird im Rahmen einer Koproduktion bereits in Berlin gezeigt. Die eigentliche, mit Spannung erwartete Neupro-duktion ist gewissermaßen die Visitenkarte des neuen künstlerischen Leiters, Alessandro de Marchi. Er hat Haydns „Azione teatrale“ „L´isola disabitata“ einstudiert, Christoph von Bernuth hat sie inszeniert.


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Mit der Erzählung von der unbewohnten Insel servierte Kapellmeister Haydn seinem Fürsten Nikolaus Esterházy einen bewährten Stoff. Librettist Pietro Metastasio hat für die heitere Oper Haydns ein ähnliches Experiment am schlagenden Herzen vorgenommen wie Mozarts Librettist da Ponte in “Cosi fan tutte”. Zwei Paare, vier Sänger sind es, die einer Liebesprobe bzw. Liebesfindung unterzogen werden: Gernando, seine Frau Costanza und ihre kleine Schwester Silvia werden von einem Sturm auf eine unbewohnte Insel verschlagen. Piraten entführen Costanzas Mann. Sie glaubt sich schnöde abserviert. 13 Jahre schmollt und grollt sie gegen den geliebten Verräter,  ähnlich wie Ariadne, die einst von Theseus verlassen wurde. Grund genug, die Haydn-Kantate „Ariadne auf Naxos“ der kurzen Oper als Vorspiel voranzustellen. Ariadne wie Costanza singt Stella Doufexis.


Der junge Regisseur Christoph von Bernuth und sein Ausstatter Oliver Helf zeigen statt eines paradiesischen Südseetraums einen von aller Aussenwelt durch hohe Mauern abgetrennten Raum, Symbol für Costanzas psychische Situation desVerlassenseins. Ihre Wut auf die Männerwelt ritzt sie in einen Fels­brocken ein und impft sie in die Seele ihrer jungen Schwester Silvia. Ohne je einen Mann gesehen zu haben, hält Silvia Männer für herzlose Ungeheuer, bis sie Ernesto kennenlernt, den Freund und Mitgefangenen Gernandos, der sich mit ihm – den Piraten nach 13 Jahren entflohen - auf die Suche nach Costanza macht. Gernando – dem der immer noch erstaunliche Jeffrey Francis seine Stimme leiht, seilt sich an rotem Ariadnefaden vom Schnürboden auf die Spielfläche ab. Enrico – Furio Zanasi singt ihn hörbar überfordert - kommt als moderner, aber eher opahaft als jugendlich anmutender Daedalus im Lilienthal-Flugapparat angeflogen. Man wundert sich, dass Silvia ausgerechnet diesem alten Herrn verfällt und durch ihn ihre Vorurteile gegenüber Männern ablegt, zumal er permanent ihrem Reh nachstellt, ihrem ein­zigen Spielgefährten. Die bezaubernde Raffaella Milanesi singt die unschuldig-liebenswerte Silvia. Sie ist die erfreulichste Sing-Erscheinung des Abends. Die in dauer-depressiver Tragödinnen-Pose sich ergehende Stella Doufexis überzeugt – trotz kultivierten Singens – nicht wirklich. Was allerdings auch aufs Konto der Regie geht, die sie unentwegt mit einer Puppe ihres vor 13 Jahren verschwundenen Mannes agieren lässt, mal liebkosend, mal malträtierend. Am Ende, wenn Gernando kommt, sie zu befreien, verweigert sie sich sogar dem „lieto fine“. Nach 13 Jahren kann man nicht dort anknüpfen wo man aufgehört hat, so meint Regisseur von Bernuth. Haydn und Salieri meinen es anders. Dennoch lässt der Regisseur Costanza samt ihrer Puppe im Arm  an der Rampe sitzen,  während der leibhaftige mit dem Paar Silvia und Enrico die Wände aufstemmt und in die Freiheit eilt. – Keine sehr überzeugende, schon gar keine aufregende Inszenierung. Die Höhepunkte der Aufführung sind die Auftritte des Pantomimen Markus Merz als anrührend tierhaftes Reh und als Slapstick-Matrose. Kein vielversprechender Auftakt für Alessandro de Marchi, den neuen künstlerischen Leiter der Innsbrucker Festwochen.


Alessandro de Marchi, viele Jahre Kontinuospieler und Assistent von René Jacobs, ist so etwas wie sein Zögling, nur hat er leider nicht dessen musikalisches und intellektuelles Format.


"Die Identität dieses Festival, ist natürlich, es ist eines der Festivals, wo hauptsächlich alte Musik gespielt wird. Und wo nur auf historische Instrumente gespielt wird. " (A. de Marchi)


Angesprochen auf konkrete Pläne, gibt de Marchi nur sehr allgemeine Auskünfte:


"Ich werde sicherlich in beide Richtungen das Repertoire ausbreiten, in Richtung Renaissance und in Richtung Frühromantik. Aber der Kern wird weiter Barockrepertoire sein und natürlich: Ich bin Italiener, ich kenne mein Repertoire sehr gut, ich werde natürlich viele italienische Opern hier dirigieren, obwohl ich auch schon ein paar Titel von deutschen Opern, die ich sehr interessant finde, im Kopf ."


Die Accademia Montis Regalis, mit der Alessandro de Marchi  in der Vergangenheit bereits zwei Produktionen in Innsbruck bestritt, hat sich in der Aufführung der Oper „L´Isola disabitata“ – mit  erstaunlich unpräziser Spielkultur, mattem Klang und ohne alle interpre-tatori-sche Raffinesse präsentiert. Und dieses Orchester wird künftig sein Hausorchester sein. Immerhin, es ist billiger als Ensembles, die René Jacobs bevorzugte. Aber das hört man eben auch! Die Innsbrucker Politiker wer­den sich freuen. Einsparungen sind ihnen aber will-kom-mener als künstlerische Qualität und musikalisches Hochniveau. Sarah Wilson, die bisherige Intendantin das charakterisierte das Festival von René Jacobs zutreffend als „Edelboutique“. Nun kostet naturgemäß eine Edelboutique Geld. 


Rene Jacobs: "Ich glaube, dass die finanziellen Mittel einfach nicht ausreichen, um das weiterzumachen.. Und dann  gibt es da einen bestimmten Provinzialismus, Österreich ist ein sehr konservatives Land. - Also ich bin sehr dankbar, dass ich so viel machen  konnte, aber ich wollte auch mal etwas anderes machen im Sommer als in Tirol Barockoper." 


Für den neuen künstlerischen Leiter des Festivals, Alessandro de Marchi – sein Vertrag ist zunächst auf 5 Jahre befristet- hat man Christa Redik zur Intendantin gekürt, sie war zuletzt am österreichischen Festspielhaus St. Pöl­ten beschäftigt:   


"Na ja das Konzept ist ganz sicherlich, dass Alte Musik für alle, die sich für Kultur interessieren, zugänglich sein soll, das heißt es soll möglichst barrierefrei, möglichst niederschwellig qualitätvolle Musik für möglichst viele Menschen angeboten werden."


Absenkung des Niveaus und Popularisierung scheint erklärtes Ziel zu sein. Waren die Innsbrucker Festwochen bisher vom hohen künstle-rischen Anspruch des auratischen Chefs René Jacob und vom internationalen Publikumszulauf geprägt, dürfte sich das künftig möglicher-weise ändern. Die neue Intendantin Christa Redik betont denn auch : Die Innsbrucker Festwochen seien in erster Linie  ...


" ...ein Festival für die Innsbrucker, die Tiroler,  für Österreich. "


Viele Zuschauer sind in den zurückliegenden Jahren aus dem In- und Ausland vor allem der Produktionen René Jacobs´ wegen angereist. Der Zustrom zu De Marchis „Isola disabitata“ hielt sich  in Grenzen. De Marchi hat keine Gemeinde hinter sich wie Jacobs, und er  ist alles andere als eine charismatische Erscheinung. Trotz überwiegend freundlichen Beifalls für seine quasi Antrittspro­duktion: Das Publi-kum war nicht durchgängig begeistert:


Zwei Zuschauer: "Ausserordentlich gut, ganz hervorragend, eine tolle Inszenierung.../ ... Nein, ich habe in den letzten 10 Jahren so ziemlich alle Produktionen hier gesehen und das, muß ich sagen, war mit Abstand die schlechteste."




Beiträge in SWR2, DLR