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Gut Essen in Pesaro in der "Antica Osteria La Guercia"
Man muss rechts neben dem Caffè del Duca an der Piazza del Popolo einen unscheinbaren, finsteren Torbogen durchschreiten, um auf einen kleinen Innenhof zu gelangen, an dem sich das auf den ersten Blick unauffällige Lokal befindet. Auf den zweiten Blick ist es gar nicht so unauffällig. Schon das schmiedeeiserne Schild mit Weinreben, dem Namen der Osteria und Laterne ist verheißungsvoll, zumal an einem an der Wand angebrachten Extraschild auf „Vinum“ hingewiesen wird
Der kleine Innenhof, begrenzt durch die Rückseite eines Antiquitätenladens und Wohnhäuser, von deren Balkonen Singvögel zwitschern, ist längst mit einem pavillonartigen Holzgerüst überdacht, bestuhlt und betischt, sodass man im heißen Sommer angenehm beschattet draußen speisen kann.
Im Innern sieht man schnell, dass es sich tatsächlich um eine antike Osteria handelt (also eine Schänke mit einfachen Speisen zu fairen Preisen), denn altes, römisch geziegeltes Gemäuer, mächtige Holzbalken, die die Decken tragen und antike Säulen sind eindeutig. Einfache Tische und Bänke, freigelegte antike Mosaike, am den Wänden Fresken mit Lobpreis der Weinlese und Gott Dionysos (Bacchus), gemalt von Werther Bettini im Jahre 1946, ein Steinboden, eine Art gemauerter, von alten Säulen begrenzter Tresen, einige Gemälde machen die stilsichere Innenausstattung aus, ein Raum zum Verweilen und Wohlfühlen. Schöne Atmosphäre. Altes, einfaches Lebensgefühl. Man fühlt sich zurückversetzt in andere Zeiten. So stellt man sich eine gehobene Taverne von Anno dazumal vor. Es gibt nur Papiertischdecken, einfaches Glas und Porzellan. Aber das reicht doch!
Tatsächlich handelt es sich um ein Gebäude aus dem Jahre 500, auf den Resten einer antiken römische Villa errichtet. Drei Säle gibt es. Platz ist für 70 Gäste innen, 50 außen. Ich wurde vor vielen Jahren von meinem Freund, dem Schriftsteller Herbert Rosendorfer, der ein exzellenter, intimer Italienkenner war, erstmals auf diese Osteria aufmerksam gemacht, als wir Rossinis und des Rossini Opera Festivals wegen den unspektakulären Badeort an der Adriaküste aufsuchten. Er ist mir über die Jahrzehnte ans Herz gewachsen, nicht nur weil ich dort nahezu alle Opern des Schwans von Pesaro erleben durfte. Auch kulturhistorisch und architektonisch gibt es in und um Pesaro herum eine Menge Interessantes!
Die Osteria “Die Eiche“ ragt wie ein Überbleibsel aus alter Zeit aus der Fülle an diversen, geschmacklos vorgestrigen oder aber zeitgeistig aufgedonnerten, (spießigen Pizzerien) oder „coolen“ Lokalen heraus, die mit den Mägen der meist anspruchslosen Massentouristen ihr Geschäft machen. Neureiche mögen den Verheißungen der gehypten Locations auf den Leim gehen.
Gut Essen in Pesaro ist nicht einfach. Erstaunlich gute Weine gibt es hingegen an manchen Orten des Ortes. Lokale öffnen und schließen in Pesaro, wechseln Namen und Besitzer häufig. Sogar der Guide Michelin hat wieder einen seiner Sterne (über deren Wert man sich allerdings inzwischen streiten kann), in der Stadt vergeben, in der schon Giacomo Casanova eines seiner amüsantesten gastronomischen wie erotischen Abenteuer erlebte.
Die gastronomische Fluktuation in Pesaro ist heftig, das gastronomische Niveau divers.
„La Guercia“ bleibt sich allen Zeitläuften zum Trotz treu, rennt keinem Zeitgeist hinterher, beglückt mit zuverlässigen Speisen und Weinen. Sogar vino della casa kann mit hier (weiß Gott nicht überall) getrost und mit Genuss trinken. Freilich gibt es auch eine Vielzahl “besserer“ Weine.
Die Küche ist typisch für die Region der Marken, überschaubar (bescheiden) ist die Speisekarte: Es gibt Antipasti (etwa Käse mit Feigenmarmelade, verschiedene Crostini, Suppen und Polenta mit Salsiccia), Primi piatti (wie Raviolini mit Ricotta, Spinat und Salbei, gefüllter Schweinefleischrollbraten oder Tagliatelle mit Bohnen) und Dolci (ich nenne nur Bayerische Creme, Zuppa Inglese oder Honigtorte). Der Kaffee (Espresso versteht sich) ist vorzüglich.
Das Beste in der Eiche sind allerdings die Pastagerichte. Kein Wunder, dass selbst der Polizeipräsident, kleine Beamte und Angestellte der nahegelegenen Behörden und Studenten hier gern zu Mittag essen.
Ob Tagliatelle, Strozzapreti oder Ravioli, hier kann man jederzeit (die Öffnungszeiten sind - wie in Italien üblich - begrenzt) für wenig Geld eine köstliche Pastasciutta bekommen, mit Soßen, wie man sie selbst gern zubereitet, so man des italienischen Kochens mächtig ist.
Mittlerweile gehe ich meist, wenn ich Rossinis wegen in Pesaro, seinem Geburtsort weile, in die „Eiche“. Natürlich habe ich viele andere ordinäre wie gehobene Lokale ausprobiert im Laufe der Jahre. Aber die Osteria „La Quercia“ im Herzen der historischen Altstadt ist mir nach wie vor das Liebste.