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Fotos: DDS
Gute, volksnahe Hamburger Wirtshauskultur - das "Nagel"
Fast am Steintorpatz, in gefährlicher Nähe zum „Rotlichtbezirk“, befindet sich das „Nagel“, eines der traditionsreichsten Restaurants seit 1848, die legendäre Bierstube gegenüber dem Hamburger Hauptbahnhof. Das Lokal dort existiert seit 1926, zuvor hieß es Bodega Nagel. Im Jahre 1848 gründete Albertus Friedrich Nagel die erste Niederlassung der Weinhandlung A. F. Nagel. Die Firma entwickelte sich zu einer der größten Hamburger Handelsketten Anfang des 20. Jahrhunderts. Um 1935 gab es neben der Spirituosen- und Likörfabrik, sieben Filialen, zwei Niederlassungen, eine Lagerstätte und eine Zweigkellerei in der Hansestadt. Ursprünglich diente das Lokal in der Kirchenallee 57 als Verkauf- und Probierstätte.
Mittlerweile ist das Nagel nicht nur eine legendäre Bierstube, sondern auch ein Restaurant und eine Hamburger Institution, volksnah, zwanglos unkompliziert, gemütlich und zuverlässig, ein seltenes Erlebnis für jeden, der deutsche Küche und einfache, bodenständige Gastfreundschaft zu schätzen weiß - frisch gezapftes Bier, eine große Auswahl an Weinen und Spirituosen, sowie authentisches Essen in lokaler, unverstellter Küchentradition, die inzwischen selten zu finden ist.
So selten wie die Einrichtung im Nagel. Rustikal könnte man sie nennen. Alles in den hohen Räumlichkeiten – rotbraune Wände, Balkendecke, Gewölbenischen, das alles atmet bürgerliche Wirtshausatmosphäre und hat reichlich Patina angesetzt.
Gleich hinter dem Eingang befindet sich der Tresen mit Regalen bis unter die Decke, gefüllt mit Spirituosen aller Arten. Vor dem Treppenabgang zu den Toiletten steht ein Geldautomat. Wie praktisch! Das gibt es nur im Nagel. Links ist der Gastraum, dekoriert mit historischen Fotos, alte Kronleuchter beleuchten ihn. Durch die Fensterfront der Kneipe hat man einen ernüchternden, gleichwohl bezeichnenden Blick auf die meist recht belebte Kirchenallee und die Rückseite des Hauptbahnhofs. Sommers kann das zuweilen skurrile Treiben der Freaks, Prostituierten, Junkies und Verrückten, aber auch der ganz „normalen“ Ankommenden wie Abreisenden auch von der Terrasse aus beobachten. Man ist mitten im Leben, nicht weit entfernt vom Deutschen Theater. Das Nagel ist selbst ein gutes, altes Stück Hamburg und eine Bühne, auf der es viel zu beobachten gibt: Einheimische, Reisende, alteingesessen brave, arrivierte Bürger, Arbeitslose, Arbeiter, Angestellte, Studenten und Rentner, Verrückte, Lebenskünstler, Geniesser. Es ist eine bunte Mischung, die das Nagel bevölkert. Zu Stoßzeiten (mittags und abends) ist das Lokal rappelvoll. Der Lärmpegel ist entsprechend.
Die Speisekarte ist einladend für jedes Begehr und jeden Geldbeutel: Neben vier verschiedenen Schnitzelvarianten, dem typisch norddeutschen Schinken-Eisbein mit Sauerkraut oder dem hausgemachten Sauerfleisch, gibt es auch Kleinigkeiten wie Lachs mit Meerrettich, Käsebrot, Matjes auf Brot. “Strammer Max“, Bauernfrühstück, verschiedene Würste mit Brot oder Kartoffelsalat. Typisch Hamburgisch sind Fischgerichte wie Brathering, Seelachsfilet, Pannfisch, Käptn´s Pfanne oder Matjes Hausfrauenart. Natürlich fehlt auch Labskaus mit Rollmops und Spiegelei nicht. Zu den meisten Gerichten gibt es (aus rohen Kartoffeln zubereitete!) Bratkartoffeln, Salzkartoffeln oder Kartoffelsalat. Verschiedene Salate und Suppen (auch Fischsuppe) kann man haben.
Was die Getränke angeht: Das Nagel ist heute ein Bierlokal. Im Angebot sind fünf verschiedene Biersorten direkt vom Fass. Neben zwei Hamburger Pilsklassikern gibt es ein rubinfarbenes Premiumbier und ein helles Weizenbier, und last but not least das hauseigene Nagel-Bräu, ein süffiges Schwarzbier, das in kleiner Auflage gebraut wird.
Das Weinangebot ist durchaus reichhaltig: An weißen Tropfen gib es Grauburgunder, Riesling. Spätlese, frz. Chardonnay und italien. Soave, an roséfarbenen Portugieser Weißherbst, an roten Spätburgunder, frz. Merlot, italien. Primitivo und Cabernet Sauvignion aus Chile. Keine Grand Crus, aber alles ordentliche, gut trinkbare Weine, die zum Zechen einladen. Auch Nichtalkoholisches und Kaffeespezialitäten gibt es und – natürlich –hauseigene Nagel-Schnäpse (Korn, Rum, Weinbrand und Wodka), Brandys, Cognac, Kümmel und Aquavit, Ratzeputz, Obstler, Grappa, verschiedene Whiskys Fernet Branca, Rum, Eierlikör und mehr.
Bis in die Mittagszeit kann man deftig frühstücken. Die Küche ist durchgehend geöffnet. Ab 23 Uhr gibt es eine kleinere Abend-Karte. Das Lokal hat lange auf, länger als die meisten anderen Lokale.
Und die Preise sind geradezu sozialverträglich. Das teuerste Gericht kostet nicht einmal 18 Euro. Vieles ist um 10 Euro zu haben. Das gibt es nicht mehr oft in Hamburg. Es erklärt den regen Zulauf eines Publikums von arm bis reich, Jung und Alt. Ein Volkslokal eben. Im besten Sinne. Man fühlt sich wohl dort. Ein Lokal für alle Anlässe und für jeden Tag.