Ditsche - Klingende Wasser

Alles in Bild, Text

& Ton über ein fast vergessenes Instrument: Die Wasserorgel


Nur wenige Originalmusiken für Wasserorgel, wie die von Athanasius Kirchner aus dem Jahre 1650 sind überliefert. Alexander Ditsche hat einige von ihnen in seinem Buch aufgespürt, hat Noten solcher Werke abgedruckt und sie sogar eingespielt. Man kann sie auf beiliegender CD anhören. Schon in der Antike gab es die Wasserorgel, sie hieß „Hydraulis“. Als ihr Erfinder wird der Grieche Ktesibios genannt.  Ihm gelang es erstmals, ein Gerät zu konstruieren, das mittels Wasserkraft eine stabile Winderzeugung zum Antrieb einer Orgel ermöglichte. Die Araber und die Römer verfeinerten die Kunst des Baus von Musikautomaten zur Klanger-zeugung mittels Wasserkraft, wie Alexander Ditsche darstellt. Er holt weit aus, hat viele Biblio-theken durchforstet und Unmengen an historischer Literatur  ausgewertet, die solche Instrumente beschreibt. Beeindruckendes Bild- und Photomaterial veranschaulicht die Entstehung und Entwicklung dieses Musikinstruments. Aber auch Originalaufnahmen des heutigen Klangbildes der noch vorhandenen Wasserorgeln  kann man sich auf der beiliegenden CD anhören.



Die noch heute funktionstüchtige Wasserorgel im berühmten Park der Villa d´Este in Tivoli bei Rom mit ihren spektakulären Wasserspielen hat nicht nur Franz Liszt zur Komposition eines folgenreichen Klavierstücks „ Les Jeux d'eaux à la Villa d'Este“ animiert, auch viele attraktive wie repräsentative Wasserorgeln entstanden seither in ganz Europa. Die Wasserorgel im Park der Villa d´Este in Tivoli gilt neben der in den Grotten der Villa Medicea in Pratolino nahe Florenz als erste automatisierte Wasserorgel. Es gab auch manuell zu bespielende Wasser-orgeln.  Fürsten und Kirchenfürsten in ganz Europa schmückten nach dem Vorbild der Villa d´Este ihre Schlösser, Gärten und Grotten mit Wasserorgeln bzw. hydropneumatischen Klang-automaten, so sie es sich leisten konnten. Alexander Ditsche listet die Instrumente der Vergang-enheit und Gegenwart nicht nur auf, er erläutert auch präzise und anschaulich  deren technische Bau- und Funktionsweisen, aber auch die imposanten Ingenieursleistungen, die notwendig waren, um ausreichend Wasser zur Verfügung zu stellen und der Korrosionsanfälligkeit der Instrumente entgegenzuwirken.


Eine der berühmtesten noch funktionsfähigen Wasserorgeln steht im spanischen Sevilla. Wie man bei Alexander Ditsche erfährt, war es das maurische Herrschaftsgebiet, vor allem die iberi-sche Halbinsel, die als Bindeglied zwischen antiker bzw. arabischer Automatentradition und neuzeitlicher europäischer Ingenieurskunst anzusehen ist. Schon die Araber, mit ihrer hoch-entwickelten Gartenkunst hatten nicht nur wassergetriebene Uhren und Orgeln, sondern auch Automaten zur Erzeugung von Geräuschen oder Tierlauten konstruiert. 


In einer Grotte des Parks von Schloss Hellbrunn bei Salzburg begeistert ein wassergetriebener Vogelsangautomat noch heute die Besucher. Ditsche beschäftigt sich aber nicht nur mit diesem und anderen Instrumenten an sich, er betrachtet das paneuropäische Phänomen der wasser-betriebenen Klangautomaten als Spiegel der politischen und soziologischen Entwicklung Europas vom späten 16. Bis ins 18. Jahrhundert im Kontext der Gartengestaltung. In Italien, Frankreich, Belgien, Spanien Tschechien, Russland, Polen, Österreich, England und in Deutschland, beispielsweise im Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel, im Stuttgarter Lustgarten, im Veitshöchheimer Rokokogarten bei Würzburg und womöglich im Dresdner Zwinger gab es „Klingende Wasser“, so der Titel des Buches. 165 solcher wassergetriebener Automatophone beschreibt Alexander Ditsche in seinem Buch: Neben noch existierenden, nicht mehr vorhan-denen, aber gesichert nachweisbaren auch viele ungesicherte und fragwürdige. 


Viele Einzelheiten in der Geschichte dieser „“Klingenden Wasser“ bleiben noch offen, gesteht Alexander  Ditsche in seinem imposanten Buch ein. Aber er hat als Erster eine umfassende, sys-tematische und länderübergreifende Arbeit über wasserbetriebene hydropneumatsche Klang-automaten vorgelegt. Das Buch verdient höchsten Respekt. Es ist  zwar eine ausge-zeichnete wissenschaftliche Arbeit, die der Autor zur Erlangung der Doktorwürde am Kunst-historischen Institut der Bonner Universität vorgelegt hat, aber die Lektüre dieses Buches ist auch für den kunst-, garten- wie musikhistorisch interessierten Laien äußerst lohnenswert und ein Gewinn. Man kann sich festlesen und von den vielen Abbildungen und Photographien, auch von den Hörbeispielen auf beiliegender CD anregen lassen zu näheren und ferneren Reisen zu den letzten noch existierenden Gartenautomatophonen Europas. 



Rezension auch in MDR Kultur