Musik-Theater & mehr
Ein publizistisches Meisterstück
der Theatergeschichtsschreibung
Nachdem der Volk Verlag Michel Volks unvergleichliche Bücher über bayerische Gasthöfe, Wirtshäuser, Weinstuben und Brauhäuser, aber auch über die 50 schönsten historischen Wirtshäuser und Weinstuben in Hessen herausbrachte, Buchikonen, die nicht nur mit profundem Sachwissen, sondern auch mit hervorragendem Bildmaterial aufwarten, wirklich „schöne Bücher“, ist vor zwei Jahren (Asche über mein Haupt, dass ich das Erscheinen des Buches seinerzeit übersah) der prachtvolle Band über „Theater in Bayern“ erschienen. Ein publizistisches Meisterstück.
Mehr noch als in seinen Schlössern, Klöstern und Kirchen spiegelt sich der kulturelle Reichtum Bayerns, die bayerische Denkmallandschaft in ihren Theatern, Festspiel-Häusern und Kinos wider: Sie demonstrieren eindrucksvoll „das Zusammenspiel der Kunstgattungen Architektur, Malerei und Skulptur mit szenischen Darbietungen eines Bühnenwerks, Musik und Tanz sowie Filmvorführungen. Hier verbinden sich Raumerlebnis, Klangerlebnis und visuelles Erlebnis. Theater sind darüber hinaus ein Spiegel der Gesellschaft der jeweiligen Zeit, sie stiften Identität, bringen Menschen einander naher und ermöglichen die Auseinandersetzung mit Musik sowie historischer und zeitgenössischer Literatur. Auch die Lichtspielhäuser sind wichtige Kulturplattformen und Begegnungsorte.“ Man kann dem Vorwort des bayerischen Staatsministers für Wissenschaft und Kultur, Bernd Sibler nur zustimmen.
Viele Theaterbauten, Fest- und Lichtspielhäuser im Freistaat stehen unter Denkmalschutz. Ihre künstlerische, architektonische und technikgeschichtliche Vielfalt reicht vom Markgrafentheater Erlangen, dem ältesten bespielten Barocktheater in Süddeutschland, hin zum Münchner Cuvilliéstheater, dem bedeutendsten Rokokotheater Deutschlands. Sie umspannt das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth, seit 2012 UNESCO-Weltkulturerbe, und das Stadttheater Passau im Fürstbischöflichen Opernhaus, das Kurtheater in Bad Kissingen sowie die Ritterschauspiele in Kiefersfelden, das älteste Volkstheater Deutschlands. Bei den Kinos reicht sie vom Hofer Scala-Filmtheater bis hin zum Luna-Theater in Schwabach, einem der ältesten der bis heute durchgängig bespielten Kinos in Bayern.
„An den Bau-, Kunst- und Bodendenkmälern im Freistaat wird Geschichte in besonderer Weise sichtbar und erlebbar.“ So der Herausgeber, Mathias Pfeil: „Der vorliegende Band präsentiert die breite Vielfalt an architektonisch und künstlerisch herausragenden historischen Theaterbauten, Fest- und Lichtspielhäusern in Bayern und unter-streicht die Bedeutung der Denkmalpfege für deren Erhaltung und fortwährende Nutzung.“
Die 23 Autoren des 264 Seiten starken, großformatigen Prachtbandes sind denn auch überwiegend Denkmalpfleger und Konservatoren. Sie umreißen die Theatergeschichte Bayerns, die vom ältesten überlieferte Spieltext im deutschen Sprachraum, das Tegernseer Antichristspiel,,Ludus de Antichristo”, aus dem Jahr 1160 und der Aufführung eines ,,Prophetenspiels" im Regensburg des Jahres 1194 über Oper- und Passionsspiel sowie Jesuitentheater bis zum Höfischen Theater reicht.
Frühestes Beispiel für einen solchen Theatertypus ist das Opernhaus am Münchner Salvatorptatz: ein alter Kornspeicher, den Kurfürst Ferdinand Maria 1653 in ein dreistöckiges Rangtheater mit reich verzierter Hofloge umbauen ließ. München erhielt damit die erste Hofoper Deutschtands. Für genau hundert Jahre ist der Bau Mittelpunkt des Münchner Theaterlebens, bis am 2. Okt0beri 1753 das von François de Cuvilliés im Rokoko-Stil entworfene ,,Neue Opera Hauss” eröffnet wurde. Dessen artifizielle Innenausstattung sowie die streng hierarchische Sitz- und Rangordnung mit einer alles überstrahlenden Kurfürstenloge diente in erster Linie der Inszenierung der Macht.
Während das ,,Neue Opera Hauss" bis 1795 allein dem Adel vorbehalten blieb, wurde das ,,alte“ Opernhaus am Satvatorplatz im Sinne der Aufklärung zur ,,National-Schaubühne”, die dem zahlenden bürgerlichen Publikum zur Bildung und Unterhaltung dienen sollte. 1818 eröffnete schließlich das ,,Hof- und Nationaltheater“ am Marstallplatz, bis heute Hauptspielort der Bayerischen Staatsoper. Repräsentative Theaterbauten entstanden jedoch nicht nur in München, sondern auch in anderen Residenzstädten wie Bayreuth, Erlangen und Regensburg, ebenso wie in den ,,geistlichen Residenzen" der Fürstbischöfe wie Bernberg, Passau und Würzburg.
Die Darstellung der bayerischen Theatergeschichte geht weiter bis zum Bürgertheater des 19. Jahrhunderts, in deren Zentrum die (Ur-) Aufführungen der Werke Richard Wagners standen, bis zum frühen 20. Jahrhundert, der Nachkriegszeit und der Gegenwart, Kinotechnik und Filmvorführung nicht ausgeklammert.
„lm Laufe der 195Oer Jahre wurden die beschädigten Theatergebäude größtenteils wiederhergestellt, in Ingolstadt und Würzburg entschied man sich für moderne Neubauten. In den 1960er Jahren entstanden schließlich in München und später auch in anderen Städten zahlreiche private ,,Kellertheater", wie etwa das „Antitheater” um Rainer Werner Fassbinder.
Bis heute präsentiert sich die bayerische Theaterlandschaft äußerst vielfältig. Neben der Landeshauptstadt München mit ihren großen und kleinen Bühnen gibt es in allen Städten und Regionen Theater. Zahlreiche Kommunen leisten sich eigene Ensembles für Musik-, Sprech- und Tanztheater, andere Häuser werden durch Landesbühnen und Tourneeunternehmen fremdbespielt. Und in den Sommermonaten kommen noch zahlreiche Freilichtbühnen, Festspiele und Festivals hinzu. Neben den professionellen Theatern sind besonders in ländlichen Regionen auch die Laientheater von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Mit viel Engagement wird in Wirtshaussälen, Vereinsheimen oder Turnhallen gespielt; manche Laienspielgruppen oder-vereine existieren schon über viele Jahrzehnte. Und auch in den bayerischen Schulen wird vielerorts hervorragende Theaterarbeit geleistet. Das Faszinosum des Theaters, beim Aufkommen des Kinos und mehr noch bei der fächendeckenden Verbreitung des Fernsehens immer wieder totgesagt, wird auch in einer digitalen Gegenwart und Zukunft Bestand haben. Denn die direkte, sinnlich erfahrbare Begegnung zwischen Spieler und Zuseher gibt es nur dort.“ (Thomas Schwarzer)
Das Buch verzeichnet 37 Einzeldarstellungen der Häuser in Wort und Bild. Natürlich sind darunter die Flaggschiffe (das einmalige barocke) Markgräfliche Opernhaus in Bayreuth, die drei Münchner Opernhäuser (Cuvilliérs- und Gärtnerplatztheater sowie Nationaltheater), das Bayreuther Festspielhaus Richard Wagners, aber auch das zauberhafte, wenig bekannte Stadttheater Amberg, das in eine gotische Kirche hinein gebaut wurde und einen der schönsten Theatervorhänge beherbergt, die Augsburger Puppenkiste, die historischen Stadttheater in Kaufbeuren und Kempten sowie das prachtvolle, dem Jugendstil verpflichtete Kurtheater in Bad Kissingen, das Bergwaldtheater Weißenburg, (eine Naturbühne auf der Ludwigshöhe im Weißenburger Stadtwald), die Ritter-Schauspielstätte Kiefersfelden (eine hölzerne „Comedihütte mit eindrucksvollen Drehkulissen) ), das Passionsspielhaus in Oberammergau, die Münchner Kammerspiele, ein Meisterwerk des Art Deco, das Volkstheater Flintsbach, ein bäuerlicher Komödienstadel ganz aus Holz, das elegante Filmtheater am Sendlinger Tor in München, das aufs 18. Jahrhundert zurückgehende Markgrafentheater in Erlangen, das antikisierende (ehemals herzogliche) Landestheater Coburg und viele andere bekannte und weniger bekannte Häuser: Schmuckstücke, Kuriosa, höfische Schönheiten, historische wie moderne Architekturdenkmale oder Zeugnisse einfacher Volkskultur.
Die Texte sind ausnahmslos von Experten geschrieben und lassen keine Fragen offen. Die vielen, opulenten Abbildungen sind von brillianter Optik und Druck-Qualität. Ein äußerst informatives, lehrreiches (nicht belehrendes), exzellent und schön gemachtes Buch zum Lesen, Schauen, Genießen und Staunen.
Theater in Bayern
Kultur im Denkmal. Hrsg. von Mathias Pfeil
Schauspiel-, und Opernhäuser, Volksbühnen, Marionettentheater und Kinos. Volk Verlag, München. 25 x 32 x 4 cm. 263 Seiten.