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Photos: Teatro dell' Opera di Roma
"Regietheater" - nicht nötig
Rekonstruktion der Tosca-Uraufführung in Rom
Am Osterwochenende (1. April 2010) fand in der Römischen Oper eine denkwürdige Premiere statt. Man hat Giacomo Puccinis Oper „Tosca“ he-rausgebracht, aber nicht etwa in einer Neuinszenierung, sondern aus Geld-mangel als Rekonstruktion der Uraufführungs-Inszenierung aus dem Jahre 1900 mit den Bildern und Kostümen von Adolf Hohenstein. Ein Akt bewusster Abkehr vom sogenannten „Regietheater“.
Es war kein ungetrübter Premierenerfolg, als Giacomo Puccinis „Tosca“ am 14. Januar des Jahres 1900 im Römischen Teatro Costanzi uraufgeführt wurde. Die kirchenkritischen Untertöne des Stücks waren in der „Heiligen Stadt“ unerwünscht, auch dass Puccini den Büh-nenbildner der Mailänder Scala, Adolf Hohenstein, der übrigens schon Verdis "Falstaff "ausstattete, engagieren ließ, nahmen ihm die Römer übel. Es gab Bomben- und Attentatsdrohungen, Störmanöver während der Aufführung und Anfeindungen seitens der Kritiker. Die Auf-ührung stand unter keinem guten Stern. Puccini betrachtete die Oper um die Sängerin „Tosca“, die den Polizeichef von Rom ersticht, um ihren Geliebten, den Maler Cavaradossi zu retten, aber am Ende getäuscht wird und Selbstmord verübt, als halb durchgefallen, obwohl sie dann doch 20 Mal vor ausverkauftem Haus gespielt wurde. – Heute ist die Oper „Tosca“ eine der am häufigsten gespielten und erfolgreichsten Opern überhaupt, ein Glanzstück des italienischen Verismo im internationalen Opernleben.
„Tosca“ ist ein mitreißender Politthriller von kaum zu übertreffender, musikalisch-dramaturgischer Perfektion und Treffsicherheit: Drei nicht zu lange Akte, drei konkrete, noch heute zu besichtigende Handlungsorte, die Kirche Sant´ Andrea della Valle, Palazzo Farnese und die Engelsburg, aber auch die exakte Zeit der Handlung, Rom im Jahre 1800. Die Handlung der zwischen Republikanern und Monar-chisten stehenden Sängerin machen jede Realisierung auf der Bühne eigentlich ganz einfach. Dennoch vertrauen viele Regisseure dem emotional aufwühlenden, beinahe kriminalistisch spannenden Stück, das am Ende vier Leichen hinterläßt, nicht und stellen die Opern-häuser und das Publikum mit Ausstattungs- , Umdeutungs und Modernisierungswahn nicht selten auf eine harte Probe. Das sogenannte „Regietheater“ hat auch vor „Tosca“ nicht halt gemacht. Dabei hat das Stück derlei gar nicht nötig. Man versteht es auch ohne alle Kommentare von Regisseuren, die glauben, man müsse dem Publikum zum besseren Verständnis dem Plots ins Gegenwärtige übersetzen und sich oftmals wichtiger nehmen als das Stück und ihre eigenen Obsessionen in den Stücken spiegeln.
Mit der jungen bulgarischen Sängerin Svetla Vassileva hat man in Rom die frömmelnde, eifersüchtig liebende Sängerin Floria Tosca nahezu ideal besetzt, eine schlanke, schöne Frau mit großer, leuchtender Stimme. Auch der hinterhältige, sadistische Polizeichef Scarpia, Vertreter der römischen Reaktion und einer der fiesesten Intriganten, den die Opernliteratur kennt, er vergleicht sich selbst mit der Figur des Jago in Verdis Otello, ist mit Juan Pons erstklassig besetzt. Mario Cavaradossi schließlich, der Geliebte Toscas, ein republikanisch gesonnener Maler, der den aus dem Gefängnis geflohenen ehemaligen Konsul der Republik Rom versteckt hat und deswegen von Scarpia gefoltert und schließlich erschossen wird, singt Marcello Giardano mit enormer Kraft und authentischer Italianità, wie derzeit wohl kaum ein anderer Tenor.
Die neue „Tosca“ in der Römischen Oper ist große Sängeroper. Damit ist die Aufführung schon zu Dreiviertel geglückt. Aber das Sensa-tionelle dieser Produktion ist die Tatsache, dass man auf jegliche Form von Modernisierung oder Aktualisierung verzichtet und bewiesen hat, dass es auch anders geht. Man hat statt auf „Regietheater“ auf quasi museale „Werktreue“ gesetzt, indem man die Uraufführungs-insznierung von Tito Riccordi samt Bühnenbildern und Kostümen von Adolf Hohenstein aus dem opernhistorischen Fundus holte, behutsam renovierte und in nur neun Tagen szenisch arrangierte.
Das Überraschende dieser Abkehr von jeglichem modernistisch-aktualisierenden Regisseurs-und aufwendigem Probentheater ist die Plausibilität, die Selbstverständlichkeit, die Poesie und die Glaubwürdigkeit der Aufführung. Da gibt es nichts Verstaubtes, Museales, Konventionelles oder Peinliches. Mit „Opas Oper“ hat das Ergebnis dieser Rekonstruktion nicht das Mindeste zu tun.
Die italienische Regisseurslegende Mauro Bolognini hat diese Rekonstruktion schon 1964, also vor 46 Jahren erstmals auf die römische Bühne gebracht. Dann folgte eine ganze Reihe von modernen Neuinszenierungen. Jetzt hat man sich wieder eines Besseren besonnen und hat den ehemaligen Assistenten Bologninis, Marco Gandini beauftragt, gemeinsam mit Ettore Rondelli, der Adolf Hohensteins histo-risches Bühnenbild aus dem Jahre 1900 behutsam auffrischte, die Uraufführungsproduktion wieder aus dem Fundus zu holen.
Das Ergebnis: Man hat den schlagenden Beweis erbracht, dass man Opern auch heute noch so belassen kann, wie sie von Komponisten und Librettisten gemeint und gewollt waren, musikalisch wie szenisch. Man kann sie sogar in den Uraufführungsdekorationen zeigen, in diesem Falle sind das gemalte Hängedekorationen. Das spart den Theatern viel Geld und dem Publikum viel Unverständnis und Ärger. Das Beispiel „Tosca“ in Rom könnte Schule machen.
Die Zeit ist längst reif für eine Abkehr vom „Regietheater“. Dass der Premierenabend im Teatro dell´Opera in Rom ein so bejubelter Erfolg beim Publikum wurde (alle weiteren acht Reprisen sind bereits ausverkauft) spricht für sich! Nun ist die Aufführung unter Stabführung von Fabrizio Carmionati auch musikalisch mitreißend. Ein Experiment ist gelungen. Zur Nachahmung empfohlen! Ein großer Opernabend!
Beitrag in SWR 2