Magdeburg: Rosenkavalier 2014

Photos: Theater Magdeburg / Nilz Böhme

Glückssuche im Einst auf den Trümmern des Jetzt oder

Die doppelte Marschallin


Olivia Fuchs´ anrührende Inszeneierung  des "Rosenkavaliers" am Theater Magdeburg Premiere 22.02.2014


"Der Rosenkavalier" – 1911 in Dresden uraufgeführt – war neben Puccinis "Turandot"  einer der größten Welterfolge der Oper im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Diese  „Komödie für Mu-sik“ beschwört am Vorabend des ersten Weltkriegs noch einmal einen wehmütig ironischen Rückblick auf die Welt Wies im 18. Jahrhundert. Im Theater Magdeburg hat die junge Regisseu-rin Olivia Fuchs die Oper neu inzeniert.


Sie hat das Stück nicht im 18. Jahrhundert belassen, sondern in die Zeitspannne zwischen der Uraufführung1911 und dem Tod von Richard Strauss, 1949 versetzt. Zwei Weltkriege liegen dazwischen. Das wird durch Videoprojektionen  von Kriegsszenen unmißverständlich deutlich. Olivia Fuchs versteht das Stück gewissermaßen als Glückssuche im Einst auf den Trümmern des Jetzt.  Und sie hat sich eines schönen Regie-Einfalls bedient: Sie zeigt diese Wiener Gesell-schafts- Farce als Rückblick der alten Marschallin auf ihre Jugend. Es gibt also neben der sing-enden Marschallin immer auch ihr stummes Alter Ego im Alterszustand.   


Das macht insofern Sinn, als die Sängerin der Marschallin für mein Dafürhalten vielleicht zu jung ist, um den lebensweisen Diskurs über Vergänglichkeit, Unwiderbringlichkeit  und Altern glaubwürdig über die Rampe zu bringen. Was der Sängerin an Audruck und Reife fehlt, hat die Schauspielerin Gerda Haase im Überfluuss, mit einer Selbstverständlichkiet, die fasziniert. Eine Marschallin ohne Worte, die aber mit kleinsten Gesten und subtiler Mimik mehr ausdrücken kann als Noa Danon mit allem Gesang. Sie wirkt eher wie eine Lustige Witwe in der Blüte der Jugend. Die philosophisch angehauchte Lebenserfahrung und Melancholie nimmt man ihr nicht wirklich ab. Die Regisseurin hat diese Marschallinnendoppeung glänzend inszeniert. Und sie nimmt den Zeitmonolog der Marschallin, einer der grandiosesten Monologe der Opernliteratur, sehr ernst, in dem es ja heißt, dass die Zeit um uns herum und in uns lautlos wie eine Sanduhr  verrieselt.


Sie hat sich von ihrer Ausstatterin Niki Turner einen schönen, klassischen Wiener Salon bauen lassen. Ein Einheitsbühnenbild, in dem alle drei Akte spielen. Und man sieht tatsächlich den Sand der Zeit von Schürboden herab rieseln, in jedem Akt hat sich mehr Sand auf der Bühne abgelagert, der Raum gerät am Ende durch das Versanden der  Zeit, wie durch die Ereignisse der Geschichte sichtbar aus den Fugen. Ein einleuchtendes Inszenierungskonzept, das Olivia Fuchs mit genauer Personenführung, mit gutem Timing und netten Einfällen umsetzt, auch mit gewag-ter Deutlichkeit, was die Bettszenen und alles Erotische angeht, wo sie nicht gerade zimperlich ist. Sie macht das mit  großer Professionalität, mit diskreter, Komödiantik und mit viel  Ge-schmack.  Geschmackvoll sind auch die prächtigen Kostüme, mit denen Niki Turner die Sänger ausgestattet hat zwischen Neobarock und Richard Strauss-Zeit. Eine sehr charmante, logische, schöne Inszenierung. Die Aufführung ist sehr berührend. Am Schluss tritt beispielsweise der Mohrenlakai Mohammed, sichtlich ergraut, noch einmal auf und reicht der alten Marschallin, die allein auf der Bühne zurückbleibt (alle übrigen Sänger sind abgegangen, das junge Paar Oktavian und Sophie, aber auch Faninal und die Marschallin),  in ihrem zerstörten Stadtpalais, ein Täss-chen Tee. Eine feinsinnige Idee der Regisseurin.


Aber auch die sängerische Besetzung enttäuscht nicht. Im Gegenteil: Man wartet in Magdeburg mit einem für so ein Haus erstaunlich überzeugenden Ensemble auf. Die Einschränkung hin-sichtlich der Maschallin einmal ausgenommen. Sie singt einfach nur sehr schön, von gewissen Intinationsungenauigkeiten mal abgesehen. Auch über ihr Timbre kann man unterschiedlicher Meinung sein. Aber man hat mit der Mezzosopranistin Lucia Cervoni einen prachtvollen Okta-ian. Geradezu eine Wucht ist die Karikatur des italienischen Sängers, den Iago Ramos mit Volldampf schmettert, dass es eine Freud` ist! Auch Julie Marie du Theil singt und spielt sehr kultiviert das junge dumme hübsche Ding namens Sophie. Der Ochs auf Lercheau ist die Sensation des Abends. Einmal keine Knallcharge, wie so oft. Kein dickes altes Wrack, sondern ein stattlicher Mann im besten Alter. Manfred Hemm singt und spielt diesen hedonistischen, heruntergekommenen  Adligen fast wie einen Wiener Falstaff, bei absoluter Wortverständlichkeit und bestem Wiener Dialekt. Auch die vielen kleinen Partien sind sehr überzeugend besetzt. Eine rundum respektable Ensembleleistung!


Nun ist der "Rosenkavalier" kein leichtes Stück für einen Dirigenten. Aber GMD Kimbo Ishii packt unerschrocken zu, greift in die Vollen dieser raffinierten  Partitur, er setzt durchweg auf sehr straffe Tempi und läßt hören, dass diese Wiener Farce mit ihrer, wie so oft gesagt wird rückschrittlichen Musik ganz und gar das Gegenteil ist, auf der Höhe der "Elektra", voller Stil-zitate, Anspielungen, psychologischer Delikatessen und ironischer Brechungen, etwa was die Wiener Walzerseligkeit angeht, die ja eigentlich gar nicht ins  Barock der Maria Theresia gehört. Eine souveräne Dirigierleistung. Leider kommt das Orchester manchmal an seine Grenzen. Aber dennoch, unterm Strich: Eine großartige Aufführung!



Rezension für MDR 24.02.2014, Figaro am Mittag 12.40 Uhr