Adriana Lecouvreur in Baden-Baden

Photo: Valentin Baranovsky / Mariinsky Theater St. Petersburg


Verhunzte Opernorchidee

Adriana Lecouvreur (Francesco Cilea) im Festspielhaus Baden-Baden


Die 1902 uraufgeführte,  vieraktige Oper "Adriana Lecouvreur" des Puccini-Zeitge-nos-sen Francesco Cilea ist eine der am stärksten duftenden Opernorchideen: Eine Dreiper-sonenkonstellation um die legendäre Schauspielerin der Comédie Française, Adriana Lecouvreur, die ein Liebesverhältnis mit Maurizio, dem Grafen von Sachsen unterhält. Den liebt aber auch die Fürstin von Bouillon. Am Ende wird Adriana von ihrer Neben-buhlerin  mit einem vergifteten Veilchenstrauss ermordet. Die Sterbeszene ist einer der skurrilsten Operntode der Opernliteratur und ein Paradestück für eine Diva.


Die Handlung des Stücks basiert auf einem Theaterstück Eugène Scribes und bietet in der "veristischen" Vertonung Cileas fünf Sängern großartige Auftrittsmöglichkeiten, ein großer Wurf von Sängeroper,  die dem Begriff "Wahrheit" aufgrund der Traditionstreue Cileas eine neue Bedeutung gibt.


Für die deutsche Erstaufführung der St. Petersburger Neuinszenierung des Stücks hatte man denn auch die Starsopranistin Anna Netrebko samt Ehegatten angekündigt. Doch man wartete mit einer Besetzung auf, die den Verlust beider Sänger (die sich entschul-digen ließen) verschmerzen ließ.

Mit Tatiana Serjan vom Mariinsky Theater (die auch in Wien, München und an der Mailänder Scala Aufsehen erregte) hat man eine denkbar optimale Besetzung der Titel-partie gefunden. Sie zieht mit ihrem dunkel timbrierten, eindrucksvollen Sopran alle Register ihrer subtilen Gesangs- und Ausdruckskunst, vom ariosen Espressivo bis hin zum gehauchten Flüstern. Aber auch alle übrigen Hauptpartien sind mehr als nur rollen-deckend besetzt. Mit dem jungen , in St. Petersburg ausgebildetenTenor Migran Aga-zhanyan hat man ein kraftvolles, Mannsbild von Maurizio zur Verfügung gestellt. Der bewährte Verdi- und Puccinitenor schmettert unbeschwert drauflos. Die Mezzosopra-nistin Ekaterina Semenchuk orgelt die böse Fürstin Boullion  mit angsteinflößender  Bruststimme. Stimmlich ganz hervorragend sind auch der Bassbariton Dmitry Grigoriev als Fürst Bouillon und der Bariton Alexei Markov als Theaterfaktotum Michonnet. Eine Sängerbesetzung, die bis in die Nebenrollen nichts zu wünschen übrig lässt.


Leider kann der längst ermüdete Valery Gergiev mit der Musik Cileas nicht viel an-fangen. Trotz der Klangpracht seines Orchesters vom Mariinsky Theater fehlt der Musik das flirrend Sinnliche, enthusiastisch Auffahrende, aber auch Leichtigkeit, Eleganz und Italianità. Schwerfällig, langsam und dröge schleppt sie sich bei aller akribischen De-tailverliebtheit Gergievs drei Akte hindurch hin. Erst im letzten Akt kommt das Orchester endlich in Fahrt.


Ziemlich old-fashioned ist die Inszenierung von Isabelle Partiot-Pieri. Falsch verstan-dener Historismus mit viel Pappmaschee, Pseudobarock, gemalten Theatervorhängen und Drehbühne mit Boudoir, Ballsaal und Sterbezimmer langweilt. Wie aus einer anderen Inszenierung wirkt das finale Bild, eine Art Wieland Wagnersche Welten-scheibe mit den aufgereihten Bühnenkostümen der Lecouvreur. Groteskes, um nicht zu sagen geschmackloses Theater auf dem Theater mit einer abwegigen Wendung ins Moderne auch in den völlig überflüssigen Videoprojektionen und der schlechten Beleuchtung von Pierre Dupouey. Christian Gasc hat nicht mehr als konventionelle historische Kostüme beigesteuert. Die geradezu dilettantisch anmutende Personenregie beschränkte sich auf abgenutzte Operngesten und -Gänge. Von der Choreographie der Balletteinlage durch Ilya Ustyantsev ganz zu schweigen.

Keine wirklich festspielwürdige Produktion.


Rezension  u.a. auch für „Das Orchester“ (Schott)