Das Gralsglockenklavier

Das erste Gralsglockenklavier von  Eduard Steingraeber

Auf dem Prinzip des originalen Instruments von der Uraufführung wurde von der Firma Steingræber in Bayreuth ein klangstärkeres Instrument nach dem Hackbrett-Prinzip entwickelt und in den Klang für die Aufführungen Hartmut Haenchens 2017 eingebettet.

Photos: Steingraeber & Söhne - Klaviermanufaktur. Siehe www.steingraeber.de

Hartmut Haenchen. Siehe: www.haenchen.net

Richard Wagners Gralsglocken

 Das Gralsglockenklavier von Eduard Steingraeber              

 

 

Bayreuth, das ist natürlich nicht nur die Stadt Richard Wagners, es ist auch die Stadt Jean Pauls, der Markgräfin Wilhelmine und ihres barocken Arkadiens und der Klavierbaufirma Steingraeber & Söhne. 2002 feierte diese altehr-würdige Pianofortefabrik einhundert­fünfzigjähriges Firmen­jubiläum. Be­sonders stolz ist die Firma natürlich auf den Bau exklusi­ver Klaviere für Richard Wagner und Franz Liszt. Das sicher spektakulärste, will sagen, außergewöhn-lichste "Klavier", ein weltweit einzigartiges Instrument, ist nach Wagners Anweisungen für die Uraufführung des „Parsifal“ im Bayreuther Festspielhaus gebaut worden: ein Klavier der besonderen Art, ein "Gralsglockenklavier".   

 

 

Die Musik der Verwandlungsszenen im ersten wie im dritten Akt von Wagners "Parsifal“ be­schreibt musikalisch den "pfadlosen" Weg zur Gralsburg, auf dem "die Zeit zum Raum" wird. Wagner ließ dafür eigens noch nie dagewesene Wandeldekorationen entwerfen, die wie Filme während dieser beiden Zwi­schen­aktmusiken im Hintergrund der Bayreuther Festspielbühne abliefen und Wald, Felsen und Architekturmalereien am Zuschauer vorbeiziehen ließen. Nicht nur diese neuartige Bühnen-Dekorations-Technik war eine Erfindung Wagners. Er hat auch ein Instrument erfunden, mit dem er den Klang der mäch­tigen Gralsglocken realisieren konnte. Ein Instrument, das inzwischen als weltweites Unikat im Museum der Bayreuther Klavierbau-Firma Steingräber und Söhne steht. Es ist weniger ein Klavier, als eigentlich eher, wie Udo Schmidt Steingraeber, der heutige Chef der traditions­reichen Klavierfabrik. meint, „ein Besenschrank ...Gralsglocken-Klaviertöne...gebaut werden musste."

 

Es brauchte in der Tat viel Zeit, bis das Gralslockenklavier zu der endgültigen Gestalt und Funktion entwickelt wurde. Wagner hatte sehr eigene, geradezu utopische Klangvorstellungen gehabt, die nicht leicht zu realisieren waren. Zuallererst hatte er sogar in England, beim Pianisten und Dirigenten Edward Dannreuther, dem Grün­der der Wagner-Society London, Tamtams bestellt. Doch mit deren Klang war Wagner überhaupt nicht zufrieden. Und so beauf­tragte er schließlich den Bayreuther Klavierbauer Eduard Steingraeber, nach seinen Wünschen und Vor­stellungen ein Gralsglockenklavier zu bauen.

 

Stein­graeber spannte vier sehr lange, stark umsponnene Kupfersaiten auf eine schmiede­eiserne, also nicht, wie bei Klavieren üblich, gusseiserne (!) Platte. Die Saiten werden mit acht Zentimeter breiten Hammer­köpfen angeschlagen. Die vier Tasten der vier 6-chörig besaiteten Töne C, G, A und E sind jeweils 7 cm breit Der schmale Resonanzkasten ist vertikal über der Tastatur angebracht. In der Tat eine Art Besenschrank. Er wurde 1914 variiert. Eduards Sohn, Burkhard Steingraeber, baute 1927 das sogenannte »Hackbrett«, eine Art Erweiterung des Glockenklaviers um vier Tonnenfässer.

 

(Im Wagnerjahr 2013 wurde Siegfried Wagners »Hackbrett« restauriert und in verschiedenen Ausstellungen gezeigt. Vom regen Zuspruch angespornt, bauten die Instrumentenbauer von Steingraeber & Söhne 2015 eine Replik des Instrumentes, das einfach transportiert und beispielsweise an Opernhäuser vermietet werden kann.)

 

Bei der Uraufführung des "Parsifal" 1882 konnte das Gralsglockenklavier nach mehrfachen Umbauten pünktlich und zur Zufriedenheit Wagners eingesetzt werden. Von 1882 bis 1975 wurde es in allen Bayreuther "Parsifal"-Auffüh-rungen gespielt. Zuletzt hat es Georg Solti in seiner herausragenden Studioaufnahme des "Parsifal" im Jahre 1972 noch einmal eingesetzt. Seit 1975 wird auch in Bayreuth, wie anderswo, auf Synthesizer-Klänge oder Röhrenglocken gesetzt. Mit unterschiedlichem Resultat. Nicht immer ist das überzeugend. Aber wer weiß schon, wie des Grales Glocken wirklich klingen? Im Zweifelsfall eben wohl doch wie auf Wagners bzw. Steingräbers Grals­glocken-Klavier.

 

Ursprünglich Beitrag für Radio 3(ORB/SFB) 4.8.2003


 

Hartmut Haenchen hat in seinem Bayreuther „Parsifal“ 2017 wieder ein Steingraebersches Gralsgocken-Instrument eingesetzt. 

Siehe: https://www.haenchen.net/aktuell/?user_haenchendatabase_pi11%5Buid%5D=227&cHash=f67b9d7265c6f03c0b0b1c22f8dd27db