Leopold Mozart

Es ist ein Anliegen der Autorin, Leopold als Musiker und Komponist „neu zu betrachten,“ denn Leopold war mit allen Satztechniken und Formen vertraut, die um die Mitte des 18. Jahrhunderts ‚en vogue’ waren. Er beherrschte sein komposi-torisches Handwerk so souverän, dass eine seiner Sinfonien (die so genannte „Neue Lambacher Sin-fonie“) geraume Zeit für ein Werk seines Sohnes gehalten wurde.

Der unterschätzte Leopold: Eine Vateraufwertung

 

 „Was wüssten wir heute über Leopold Mozart, wenn er nicht der Vater seines Sohnes gewesen wäre“ fragt Silke Leopold zu Recht in ihrer soeben erschienenen Biographie. Aber was wäre sein Sohn geworden, wenn er einen anderen Vater gehabt hätte?  Auch das wissen wir nicht. Leopold Mozart war als Musiker einer der Vielen der sogenannten "Vorklassik", der in der Masse seiner Kollegen womöglich untergegangen wäre. Dabei war er eine interessante, um nicht zu sagen außergewöhnliche Persönlichkeit. Als Sohn eines Augsburger Buchbinders wurde er am 14. November 1719 „in eine Zeit hineingeboren, in der die alten Herrschaftsver-hältnisse und konfessionellen Schranken ebenso beharrlich verteidigt wurden, wie sie brüchig geworden waren“, betont Silke Leopold. Für sie war „ein Mittler zwischen den Welten“, denn Leopold war ein frommer Christ, was ihn aber nicht hinderte, sich mit Protestanten zu befreun-den, und sehn Leben lang über Konfessionsfragen nachzusinnen, mit der Aufklärung zu sym-pathisieren und Freimaurer zu werden. Er war Schüler des Augsburger Lyceum des Jesuiten-kollegs St. Salvator, wo er auf der Schulbühne als Schauspieler, Sänger und wahrscheinlich auch Instrumentalist mitwirkte, auch war er Sängerknabe in den Stiftskirchen von St. Ulrich und Afra und Heilig Kreuz. Nach dem Tod seines Vaters brach er wegen Geldmangels die schulische Ausbildung ab.  1737 verließ er Augsburg. Dann verlieren sich die Spuren.


1737 begann er n der Salzburger Benediktineruniversität ein Philosophie- und Jurastudium wurde aber 1739 wegen Faulheit von der Hochschule verwiesen. Er war rebellisch-unangepasst, wie später sein Sohn. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Leopold Mozart trat zunächst als Kammerdiener und später als Musiker, in die Dienste des Grafen Johann Baptist von Thurn-Valsassina und Taxis. 1743 wurde er in der Salzburger Hofkapelle vierter Violinist. Ab 1747 erhielt er regelmäßige Einkünfte als Musiker, so dass er sich mit der aus St. Gilgen stammenden Anna Maria Pertl verehelichen konnte; 1763 erreichte er schließlich die Position des Vizeka-pellmeisters, die er bis zu seinem Tod behielt.


Er war Geiger (der eine bedeutende "Violinschule „verfasst hatte, die nicht nur hinsichtlich der violinistischen Ausbildung für lange Zeit zum maßgeblichen Lehrwerk avancierte), Komponist, Musikmanager am Salzburger Hof und gefragte Lehrer, nicht zuletzt seines genialen Sohnes, dessen außergewöhnliche Hochbegabung er früh erkannt hatte. Bis heute wird dem Kompo-nisten Leopold Mozart wenig Wertschätzung entgegengebracht. Seine Musik steht im Schatten derjenigen seines Sohnes. Es ist ein Anliegen der Autorin, Leopold als Musiker und Komponist „neu zu betrachten,“ denn Leopold war mit allen Satztechniken und Formen vertraut, die um die Mitte des 18. Jahrhunderts ‚en vogue’ waren. Er beherrschte sein kompositorisches Handwerk so souverän, dass eine seiner Sinfonien (die so genannte „Neue Lambacher Sinfonie“) geraume Zeit für ein Werk seines Sohnes gehalten wurde.


Unter den rund 250 erhaltenen Kompositionen finden sich außer Messen, kleineren Kirchen-musikwerken und Liedern vor allem Instrumentalwerke; hierzu zählen außer Divertimenti, Konzerten und Klavierwerken nicht weniger als etwa 70 Sinfonien, von denen er seit 1755 einige, vor allem heitere Programmsinfonien, an die Augsburger „Musikausübende Gesell-schaft“ (Collegium musicum) lieferte.

Als  Kammerdiener bei dem Grafen Thurn-Valsassina und Taxis, holte  er sich den gesellschaft-lichen Schliff und eignete sich Komplementier- und Verstellungskunst, Kleiderordnung und Tischsitten  an, die ihm später zugutekamen,  als er sein Wunderkind bei Fürsten, Königen und Kaisern herumreichte. Als Geiger in der Salzburger Hofkapelle lebte er bescheiden, aber aus-kömmlich. Er war (adelskritisch eingestellter) Bürgersohn und strebte nie nach Höherem. Kom-ponieren, Unterrichten, Orchesterdienste und literarische Korrespondenzen bestimmen sein Le-ben. Er stand in Kontakt mit den führenden Köpfen der Zeit und rezipierte intensiv die zeitge-nössische Literatur. So bewunderte er Johann Christoph Gottsched, war mit Christoph Martin Wieland befreundet und korrespondierte mit Christian Fürchtegott Gellert.


Vor allem aber widmete er sich mit größter Fürsorge der Ausbildung seiner Kinder. Nach dem Bericht seiner Tochter Nannerl stellte er bereits in den frühen 1760er Jahren das Komponieren ein, um sich ganz der musikalischen Erziehung seiner beiden Kinder zu widmen, insbesondere Wolfgang, dem er den Weg zu seiner Berühmtheit ebnete, indem er mehrfach ganz Europa mit ihm bereiste („Reisen heißt Wanzen und Strapaz" heißt es in einem der Briefe Leopolds), wes-halb er sich immer wieder vom Salzburger Hofdienst beurlauben ließ und mit dem Fürstbischof überwarf. 

Die zahlreichen Briefe, die Leopold auf seinen Reisen mit Wolfgang schrieb, das „Rückgrat all unseres Wissens „über Leopold wie Wolfgang bezeugen sein waches Auge, seine Neugier und seine Weltoffenheit. Landschaft, Religion, gesellschaftliche Verhältnisse, Umgangsformen, Klima, Essgewohnheiten, aber auch Mode und Hygiene interessierten ihn, zu schweigen von Musik und Literatur. Nicht nur in Augsburg waren ihm Engstirnigkeit, Korruption und Standes-dünkel ein Dorn im Auge. Er wird nicht müde, darüber zu schreiben. Ein Mann von weitem Horizont und erstaunlicher Bildung (obwohl er weder Schul- noch Universitätsausbildung  abgeschlossen hatte). Der wohl berühmteste musikalische Reiseschriftsteller des 18. Jahr-hunderts, Charles Burney, bezeichnete ihn als "so able as musician and an intelligent man"

Leopold, der Hofbedienstete war über Jahre vor allem der Tourmanager seines Sohnes: Konzerte, Audienzen, Ehrungen (Wolfgang wird 1778 von Papst Clemens XIV. Der Orden vom goldenen Sporn verliehen) Einnahmen, aber auch Enttäuschungen. Früh lernte Sohn Wolfgang die Schattenseiten des freien Musikmarktes kennen. Immerhin wurde Wolfgang Konzertmeister, später Organist am Salzburger Hof. Leopold hat seinem Sohn alles beigebracht, nur nicht Lebenstauglichkeit. Er blieb lebenslang ein unrealistischer Traumtänzer, der sich  nach und nach von seinem Vater emanzipierte und ausscherte aus den vorgegebenen vernünftigen Bah-nen. Er machte, was  er wollte, machte Schulden und verließ schließlich Salzburg in Richtung Wien, wo er als freischaffender Komponist reüssierte, auf großem Fuß lebte und gegen den Willen seines Vaters Constanze Weber heiratete. Je heller der Stern seines Sohnes leuchtete, desto mehr verblasste der des Vaters, der allerdings seine letzten Lebensjahre in Salzburg mitnichten verbittert und einsam verbracht hat, wie Legenden immer wieder behaupteten. Im Gegenteil, in seinen geräumigen 8 Zimmer-Wohnungen lebte er behaglich und nahm Schüler als Kostgänger  auf, unter anderem Heinrich Marchand, der zur Stütze seiner letzten Jahre wurde. Auf seine Kinder hatte  er längst keinen Einfluss mehr, aber er war stolz auf das Kompliment, das ihm Joseph Haydn machte: "Ihr Sohn ist der größte Komponist, den ich von Person und Namen nach kenne".  Am 28. Mai 1787 starb Leopold Mozart  an "Milzverstopfung".


Der Abt des Erzstiftes St. Peter rief ihm in seinem Tagebuch nach: Leopold Mozart sei nicht nur ein geschätzter Musiker, der vierzig Jahre lang Musiker in Salzburger Hofdiensten gewesen sei, sondern darüber hinaus "ein Mann von vielen Witz und Klugheit." Silke Leopold veranschau-licht es in ihrer gelehrten und doch leicht lesbaren Biografie. In der Tat „ein Buch nicht nur für diejenigen Leser, die Leopold Mozart schon kennen, sondern für die, die ihn  kennenlernen möchten“.  Und nach der Lektüre dieses einfühlsamen Buches versteht man auch Leopolds in Vielem so rätselhaften großen Sohn etwas besser.


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