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Martin Gecks unkonventionelle Beethoven-Umkreisung: zwölf themenzentrierten Expeditionen ins Beethoven-Universum
Beethoven, der Titan, das Genie: Über keinen anderen Komponisten wurde so viel publiziert wie über Beethoven, Wagner einmal ausgenommen. Und doch hat Martin Geck, »Doyen der Musikwissenschaft«, jetzt im Siedler Verlag ein weiteres, 500 seitiges Beethovenbuch heraus-gebracht. Es heißt schlicht „Beet-hoven“. Der Untertitel lautet: „Der Schöpfer und sein Universum“. Auf unkonventionelle Weise vermittelt Geck das Universum dieses Jahrhundertgenies.
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Noch ein Buch über Beethoven? Ist das nötig? Um die Frage gleich zu beantworten: Nein. Aber Martin Gecks Buch ist dennoch eine Bereicherung der Beethoven-Literatur! Geck ist Professor der Musikwissenschaft und einer der besten Kenner des Komponisten. Er hat Beet-hoven bereits zwei Bücher gewidmet, eines über dessen Sinfonien und eine Rowohlt Mono-graphie. Sein neustes und umfangreichstes Werk ist, anders als alle anderen Beethovenbücher, keine detailverliebte, faktenreiche Lebensbeschreibung, keine Sammlung eingehender Werk-analysen und auch keine Darstellung der Rezeptions- und Wirkungsgeschichte. Geck ist klug genug, sich selbst zu fragen: „Wer schreibt noch solche ‚erschöpfenden‘ Bücher? – und wer liest sie? Martin Geck hat sein Buch nicht etwa in biographische, sondern in zwölf thema-tische Kapitel untergliedert. Sie sind mit Begriffen wie Titanismus, Festigkeit, Natur, Phanta-stik, Transzendenz, Utopien, Komponisten im Schatten Beethovens und Beethoven en France überschrieben.
„Meine zwölf themenzentrierten Expeditionen ins Beethoven-Universum starte ich nicht mit dem Anspruch, die Musik erklären zu wollen. Vielmehr stehen sie für das Motto ‚exempla docent‘ – Beispiele lehren. Wahrzunehmen, was andere ‚ihrem‘ Beethoven abgewonnen haben, kann die Wege zu eigenem Nachdenken bahnen.“
Mit einer Reise zu Musikern, Schriftstellern, Philosophen und Malern, zu Persönlichkeiten, die auf Beethoven großen Einfluss hatten oder von ihm infiziert und inspiriert wurden, um-kreist Geck den Komponisten und beleuchtet ihn aus unterschiedlichsten Perspektiven. Neben bekannten Persönlichkeiten wie Napoleon Bonaparte, William Shakespeare, Igor Strawinsky, Thomas Mann oder Jean-Jacques Rousseau, finden sich in Gecks Buch auch solche, die man kaum mit Beethoven in Verbindung bringen würde, beispielsweise den Maler Tintoretto. Geck erläutert anhand von dessen Bild „El Paraiso“, mit Christus und Maria inmitten diverser Kir-chenväter und Heiligen Beethovens sechste Sinfonie, die sogenannten „Pastorale“.
„Wie die Heiligenfiguren in El Paraíso jenseits ihrer jeweiligen Gesamtschau ein utopisches Moment von Seligkeit verkörpern, so stehen in der Pastorale Nachtigall-, Wachtel- und Kuckucksrufe für die Glücksvorstellung von einer Natur, deren Zauber allein die Musik beschwört – jedoch in identifizierbaren Natur-Tönen‘, die darauf hoffen, von inspirierten Hörern rückübertragen zu werden in seelische Landschaften, die von religiös getönten Naturbildern erfüllt sind.“
Neben vielen bekannten Persönlichkeiten wie Richard Wagner, Leonard Bernstein, Wilhelm Furtwängler, Glenn Gould, Theodor W. Adorno, Friedrich Hölderlin oder Jean Paul finden sich in Gecks Bauch aber auch weithin unbekannte, Aldous Huxley etwa oder der 1995 verstorbene französische Philosoph Gilles Deleuze. Seine Äußerungen über den zweiten Satz von Beethovens Geistertrio hält Martin Geck für geradezu beispielhaft:
„Die Musik zeigt uns die Komposition, Dekomposition, Rekomposition eines Themas von zwei Motiven und zwei Ritornellen. Es ist wie das Zu- und Abnehmen einer Klangfläche, die von einem anhaltenden unabweisbaren, obsessionellen Satz durchlaufen wird. Aber da ist noch etwas anderes. Eine Art zentrale Erosion, so als wollte man eine Tonart um eine andere ver-lassen um nichts, die Oberfläche durchlöchernd, in eine geisterhafte Dimension eintauchend, wo durch die Dissonanzen die Stille um so deutlicher wird.“
Martin Geck ist mit seinem jüngsten, phantastisch geschriebenen und für jedermann gut les-baren Beethoven-Buch wieder einmal seinem Prinzip treu geblieben, jeder seiner Komponis-tenmonographien ein unverwechselbares Profil zu geben. Er hat nicht als Fachmann ex cathe-dra über Beethoven geschrieben, auch wenn er gelegentlich mit Notenbeispielen angereicher-te kluge Musikanalysen einstreut, sondern als „ein Sänger im Chor der vielen Stimmen, die sich originell zu Beethoven geäußert haben oder bis in unser Jahrhundert hinein durch ihr ei-genes künstlerisches Werk Licht auf das seine zu werfen vermögen.“ Ein großes Buch eines großen Musikwissenschaftlers.
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