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Fotos: DDS, Algiubagio & privat
Das "Algiubagio" - venezianische Extraklasse !
Das "Algiubagio" ist das erste Lokal, das Einem begegnet, wenn man mit dem Alilaguna vom Flughafen Marco Polo am Fondamente Nove anlegt. Mit dem Schiff durch die Lagune zu schippern, auf die Stadt im Wasser zu, die immer mehr vom Schemen zur Konkretheit wird, unfassbar und doch real, ist nach wie vor die schönste Annäherung an die Serenissima.
Man kann auch Taxe fahren oder Bus bis zur Piazzale Roma. Von da aus geht es dann nur noch per Vaporetto (Schiffsbus) weiter. Aber mit dem Auto nach Venedig zu fahren entbehrt jeder Poesie. Tausend Jahre lang konnte man Venedig nur mit dem Schiff erreichen, bis 1846 der Eisenbahndamm gebaut wurde, eine zweigleisige Eisenbahnbrücke, die die beiden venezianischen Hauptbahnhöfe Mestre (Festland) und Santa Lucia (Inselbahnhof) miteinander verbindet.
Die Autobrücke, die Ponte della Libertà wurde 1931 von dem Architekten Eugenio Miozzi entworfen und am 25. April 1933 von Benito Mussolini unter dem Namen Ponte Littorio (Liktorenbrücke) dem Verkehr übergeben. Sie ist 3.850 m lang, 22 m breit und die einzige Zufahrtsstraße für Kraftfahrzeuge nach Venedig. Sie wurde fast auf ganzer Länge neben der älteren Eisenbahnbrücke trassiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielt die Brücke ihren heutigen Namen „Freiheitsbrücke“ in Erinnerung an die Befreiung vom Faschismus.
Mein erster Anlaufpunkt, immer wenn nach Venedig komme und kam, und es sind inzwischen sicher mehr als einhundert Male gewesen in den letzten 25 Jahren, und immer wieder ist es wie eine Liebe am ersten Tag, war, seit es 2010 eröffnet wurde, das „Algiubagio“. Es handelt sich um eine romantisch, elegant und raffiniert ausgestattete Trattoria samt Bar und Außenterrasse auf dem Wasser mit Blick auf die Lagune, die Friedhofsinsel und das Alpenpanorama, wenn das Wetter es erlaubt. Man darf von Luxus sprechen.
Immer wieder habe ich Venedig gehasst wegen der Touristenmassen bzw. der Massentouristen, die die Stadt verpesten und ihre Kultur missachten, ja zerstören. Eine alte Venezianerin nannte sie zurecht nur die "Barbaren“. Eine Pest, ja! Auch wenn Einen das Hochwasser, das Aqua alta heimsucht (es kann sehr hochsteigen, dann geht gar nichts mehr, auch Gummistiefel helfen dann nicht weiter), möchte man die Stadt verfluchen. Am Schlimmsten ist es, was mir aber gottlob nur einmal passierte, wenn man seine Kreditkarten zuhause lässt, weil man beispielsweise in letzter Minute das Sakko wechselte, und ohne Geld in Venedig dasteht. Dann wird man wie ein Clochard, ein Penner, ein Bettler behandelt, Venedig zeigt sich von seiner grausamsten Seite und man begreift: Ohne Geld bist Du nichts in Venedig! Venedig war schon immer teuer. Nicht nur am Markusplatz, einem der schönsten Plätze der Welt mit drei historischen, einzigartigen Gran Caffès, wo einzigartige, schamlose Preise verlangt werden. Dafür gibt es aber auch noch Caféhaus-Kapellen. Seis drum! Der Zauber der (sterbenden, touristisch ausverkauften wie untergehenden) Stadt ist ungebrochen für den, der Sinn hat für Kultur, Geschichte und Schönheit, allem zum Trotz.
Das „Algiubago“ ist ein Lokal, wie es wohl nur in Venedig möglich ist. Ein altes Haus am Wasser, meisterhaft restauriert, so geschmackvoll wie modern ausgestattet, mit Charme und Atmosphäre, eine Terrasse auf dem Wasser mit unvergleichlichem Blick. Der Zauber der Lagune verbindet sich mit Holzbalken, Stahl und der Poesie des Glases, das so typisch ist für Venedig.
Der Name „Algiubagio“ übrigens leitet sich her von den Gründern des Lokals, Allessandro, Giulia, Barbara und Giovanni. Ich traf mich jahrelang immer mit dem Schriftsteller Herbert Rosendorfer, der in den letzten 5 Jahren seines Lebens zu meinem väterlichen Freund wurde, in Venedig. Und immer kehrten wir bei Ankunft wie bei Abfahrt im „Algiubagio“ ein, tranken Wein, aßen belegte Tramezzini oder Panini im preiswerten Bar-Bereich des Lokal, gelegentlich las er mir aus einem seiner neusten Bücher vor. Er hat ja ein enormes Oeuvre hinterlassen. Bei unseren Verabredungen in Venedig spazierten wir von Taverne zu Taverne, Trattoria zu Trattoria, Ristorante zu Ristorante, wir plauderten, redeten, philosophierten, hielten gelegentlich inne, besuchten Kirchen, wo er mich auf Besonderheiten hinwies (Herbert, der große Venedigkenner, hat einen außergewöhnlich informativen venezianischen Kirchenführer geschrieben) und sehr gelegentlich waren wir sogar in Museen, meist nur zur Besichtigung eines speziellen Bildes. Er sagte immer: „Aber David, bitte nur maximal eine halbe Stunde“. Das war ganz in meinem Sinne. Im Übrigen ist ja ganz Venedig ein Freiluftmuseum.
Herberts Buch „Der Meister“ verrät (subtile, wenn auch verschlüsselte) Inspiration durch unsere Venedig-Besuche und in seiner phantastischen, verrätselten Erzählung „Gulden“ (die er mir sogar widmete) geht es sehr konkret um mich bzw. uns und unsere venezianischen Abenteuer. Eine Hommage an „unser“ Venedig.
Das „Algiubagio“ ist insofern für mich ein Erinnerungsort, dessen Besuch für mich ein heiliges Ritual ist. Das außerordentlich aufmerksame, herzliche und aufmerksame Personal gibt immer das Gefühl, hier bin ich (auch) zuhause, auch wenn ich weiß Gott nicht zu den zahlungsfreudigsten Gästen zähle.
Darüber hinaus wartet das Lokal mit bemerkenswertem Food Styling und kreativer, ausgefallener, lokal orientierter Frischeküche auf. Die Antipasti beispielsweise verzeichnen Austern, Stockfisch, süßsaure Sardinen mit Zwiebeln, Meerestiere- oder Entenfleischsalat. Bei den Primi Piatti stechen eigenwillige Pastagerichte auf der Speisekarte, vornehmlich mit Meerestieren, aber auch Gnocchi mit Kalbfleisch oder mit Trüffeln. Bei den Secondi Piatti gibt es adriatische Fischgerichte, aber auch Fleischgerichte mit Rindfleisch oder Iberico Schwein. Dolci wie Tiramisu, gegrillte Pfirsichen und weiches Gebäck zu einer Art Limoncello krönen das Dinner.
Hochkarätige, ja erstklassige Rot- und Weißweine einer außergewöhnlichen und reichhaltigen Weinkarte warten auf den betuchten Gast, der das Außergewöhnliche sucht (und zu bezahlen bereit ist), das er hier ohne Frage findet. Die Preise sind - zugegeben - exorbitant. Venedig ist eben teuer. Es gibt weit weniger kostspielige und bodenständigere Restaurants in der Lagunenstadt, die weit mehr fürs alltägliche Stillen des Hungers (auf Niveau) taugen. Es gibt allerdings nicht viele wirklich gute und bezahlbare Restaurants, wohl aber viele sehr schlechte (und nicht preiswerte) mit Touristenfraß (man verzeihe die Ausdrucksweise, aber sie trifft die "Sache").
Das „Algiubagio“ ist weiß Gott alles andere als alltäglich! Es ist eine stylische Location mit erlesenen Speisen, vor allem etwas fürs Auge, ideal fürs bloße Weintrinken im gehobenen, edlen Ambiente. Selbst die offen ausgeschenkten Tropfen sind vorzüglich.