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Fotos: DDS
Das Gran Caffè Gambrinus
Das unvergleichliche Kaffeehaus befindet sich einen Steinwurf entfernt vom Teatro San Carlo, in Sichtweite der Galeria Umberto, an der Piazza Trieste e Trento, Ecke Via Chiaia und grenzt an die Piazza del Plebiscito. Was für eine Lage!
Der NamePiazza delPlebiscito ("Platz der Volksabstimmung") erinnert an eine Abstimmung am21. Oktober 1860 in Süditalien, dem damaligen Königreich beider Sizilien, das sich danach mitPiemontvereinigte. Vor diesem Zeitpunkt wurde der Platz "largo del palazzo“ (Vorplatz des Palastes) genannt, weil er sich direktvor dem Königspalast erstreckt.Der Platz wird von vierschönen Gebäuden umgeben: der Kuppelkirche San Francesco di Paola (einer Nachbildung des römischen Pantheons), dem prächtigen Palazzo Reale, Palazzo Salerno und Palazzo della Foresteria. Im Zentrum stehen zwei Reiterstatuen von Antonio Canova, welche die KönigeFerdinandoI. undCarlo III. di Borbone zeigen.
Im Palazzo della Foresteria hat sich das traditionelle Kaffeehaus im hinteren Teil des „Palazzo della Prefettura“, wie er heute heißt, seit seiner Eröffnung bis heute erhalten. Das Gran Caffè gehört zu den schönsten in Europa - hat einen runden Saal, einen großen Theater-Saal und eine große Bar mit enormem Tresen, an dem alles im Stehen genommen weit billiger ist als wenn man Platz nimmt) Marineoffziersanwärter (der nahe gelegenen Marineschule) in blau-goldenen Uniformen, Polizisten und Beamte geben sich an diesem Tresen ein Stelldichein, ebenso wie Studenten, „gehobene“ Hausfrauen, Handwerker, Verkäufer und Angestellte. Es gibt aber auch noch einen zeltüberdachten Vorgarten zur Piazza Trieste e Trento hin. Für Feiluftfanatiker, die dort auch winters gern verweilen.
Natürlich lockt das Gambrinus mit den Offenbarungen süßer, süditalienischer Backwaren, den Pasticcini (kleinem Gebäck), dem Babà (mit Rum übergossener Savarin, Eclairs, Cantuccini, Zeppole (frittierte Teigbällchen mit Pudding oder Schokolade gefüllt), Cannoli (frittierten Teigrollen mit einer süßen cremigen Füllung aus Ricotta, Vanille, Kakao, Schokoladenstückchen und kandierten Früchten) und einer unüberschaubaren Fülle verführerisch garnierter, exotisch anmutender – auch gefrorener Köstlichkeiten. Etwas ganz Besonderes sind die Sfogliatelle (eine echte Gebäckspezialität aus Neapel. Das Gebäck stammt aus dem Kloster Santa Rosa in der Nähe von Salerno und besteht in der heutigen Form aus einer kegelförmigen Blätterteigtasche mit einer süßen Ricotta-Füllung mit Zimt und Orangenblütenaroma, manchmal auch mit Pistazien. Das besondere an der Blätterteigtasche ist, dass die Blätterteigschichten nicht wie bei einem Croissant parallel verlaufen, sondern in Muschelform aufgefächert sind).
Die Geschichte des Literatenkaffees beginnt praktisch mit der Einheit Italiens im Jahr 1860, als im eleganten Palazzo della Prefettura im Erdgeschoss das Caffè Gambrinus eröffnete. Ferdinand I. von den zwei Sizilien hatte den Palast (Palazzo della Foresteria) ursprünglich als Gästehaus in den Gärten seines Königspalastes in Auftrag gegeben. Durch seine strategische Lage zwischen Piazza Plebiscito und Palazzo Reale und seinen Ruf als bestem Konditor und Eismacher wurde das Gambrinus schnell zu einem beliebten Treffpunkt der Neapolitaner und zum offiziellen Hoflieferanten des Königshauses. Bis heute ist das Gambrinus Anlaufpunkt, Zwischenstation, Treffpunkt, manchmal auch Endhaltestelle eines Jeden, der in Neapel unterwegs ist.
Als das Caffè Gambrinus in den Jahren um 1885 in einer existenziellen Krise steckte, nahmen sich Künstler und Professoren der Königlichen Universität des Kaffeehauses an und beauftragten Künstler mit der Renovierung und Ausgestaltung. Von dieser Zeit an war das Caffè Gambrinus selbst ein Kunstwerk mit Kunstwerken inmitten von Stuck und Marmor und wurde zum Gran Caffè Gambrinus, das nunmehr von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Politikern, Journalisten, Literaten und Künstlern regelmäßig frequentiert wurde. Wegen antifaschistischer Umtriebe seiner illustren Besucher sollte das Gran Caffè Gambrinus 1938 geschlossen werden. Glücklicherweise übernahm eine neapolitanische Bank das Gebäude und verhinderte so die Zerstörung der Kunstwerke.
Der Espresso, ob an der in der Kaffeebar, im Theatersaal oder im Vorgarten geschlürft, ist Legende. Damit die Espressotassen immer heiß bleiben, lagern sie in einer schrägen Metallwanne, die ständig mit kochendem Wasser berieselt wird.
Das Caffè Gambrinus wurde übrigens nach Gambrinus benannt – einer legendären, leicht "beschwipsten Figur der Heiterkeit”, deren Name von vielen Marken und Einrichtungen in ganz Italien benutzt wird. Gambrinus ist ein legendärer König, der als Erfinder des Bierbrauens angesehen wurde. Er ist jedoch nicht Schutzheiliger der Brauer, dies sind Florian von Lorch, Arnulf von Metz (St. Arnold) oder alternativ Arnulf von Soissons. In der Literatur und bildenden Kunst wird Gambrinus auch als Gegenstück zu dem Weingott Bacchus dargestellt.
Das Gambrinus wurde 1860 von Vincenzo Apuzzo gegründet. Es ist das älteste und ehrwürdigste Café der Stadt.
Vincenzo Apuzzos Traum es war, seinen Club zum wichtigsten des neugeborenen Italiens zu machen, und er war erfolgreich, weil er offizieller Hof-Lieferant wurde. Der nächste Besitzer, Mario Vacca, beauftragte von 1889 bis 1890 mit der Renovierung und Rekonstruktion unter Verwendung des Architekten Antonio Curri und beauftragte zahlreiche zeitgenössische Künstler mit Malereien, darunter Luca Postiglione, Pietro Scoppetta, Vincenzo Volpe, Attilio Pratella, Giuseppe De Sanctis, Giuseppe Casciaro, Gaetano Esposito, Vincenzo Migliaro, Vincenzo Irolli, Eduardo De Filippo und Vincenzo Caprile. Ihre Kunstwerke zieren noch heute die eleganten Jugendstil- Interieurs, die sich mit dem den Geist der mischen.
Das Café war als Treffpunkt für Intellektuelle und Künstler bekannt, darunter Gabriele D'Annunzio und Filippo Tommaso Marinetti. Es war der Treffpunkt von Oscar Wilde, Gabriele D'Annunzio, Ernest Hemingway und Matilde Serao, Prinzessin Sissi und Jean Paul Sartre, Guy de Maupassant, Émile Zola und Benedetto Croce. Um nur einig zu nennen. Selbstverständlich ist das Gambrinus heuet für jedermann zugänglich.- Man trinkt gerne einen Kaffee, oder auch etwas Alkoholisches im Gambrinus, je nachdem zu welcher Tageszeit man zu Besuch ist, man kann auch einen Happen, oder auch mehr zu sich nehmen. Wenn das Portemonnaie es erlaubt.
Selbstverständlich werden im Gambrinus auch heute noch zu jedem Glas Wein oder Prosecco Nüsse, große grüne Oliven und salziges Gebäck gereicht, auf Kosten des Hauses, versteht sich. Besonders spendabel ist man ab 17 Uhr und den Stunden vor dem Abendessen, wo man den ganzen Tisch vollgestellt bekommt mit warmem, pizzaartigem Gebäck, Tramezzini-Röllchen oder belegten Panini. Womit sich das Abendessen eigentlich erübrigt. Die kulinarische Gastfreundschaft, Großzügigkeit, ja Freigiebigkeit wird im Gambrinus großgeschrieben, wie eigentlich in allen Kaffees und Bars Neapels.
Die pseudoitalienischen Gastronomen hierzulande sollten sich daran ein Beispiel nehmen.