Klezmermusik

Die Wahrheit über Klezmer-Musik, Klezmer-Revival & Klezmerkitsch

 

Auch die CD "Yikhes" (erschienen  beim Label Trikont) bietet einen ganz hevorragenden Überblick über die historische  Klezmermusik und ihre Interpreten in profunden Texten (des umfangreichen Booklets) und eindrucksvollen Tondokumenmten!

Längst gehört Klezmer-Musik zum gängigen Repertoire der Weltmusik-Abtei­lungen des CD-Geschäfts. Doch die kommerzialisierte Form heutigen Klezmers hat mit der ursprünglichen kaum mehr etwas zu tun. Die Musikologin Rita Ottens und der Klezmer-Klarinettist Joel Rubin klären darüber auf.

 

 

Seit in den Siebzigerjahren das große Klezmer-Revival in den USA einsetzte, begann die Po­pu­larisierung, wo nicht Banalisierung der Klezmer-Welt, das Geschäft mit Ostjudentum, Schtetl-Men-taliät und jiddi­scher Senti­mentalität. Heute gibt es von Alaska bis Neu­see­land und Japan, von Bremen bis Augsburg Klezmer-Revival-Bands. Dass die musika­lischen und soziokulturellen Diskrepanzen zwischen der Klezmer-Tradition Osteuropas und der Mu­sik der Revivalisten in den USA wie in Europa beträchtlich sind, ist zentrales Thema des Buches der beiden Autoren, die sich seit Jahren der Geschichte des Klezmer in Theorie und Praxis wid­men.


Joel Rubin, der vielleicht bedeutendste gegenwärtige Interpret der Klezmer-Musik und Rita Ottens, seine Lebensge-fährtin, erzählen kenntnisreich und span­nend, was der in jüdischen Ritus eingebettete Klezmer wirklich war, sie trennen modischen Folklorismus von einer Klezmer-Auf-fas­sung, die sich nicht mit dem bloßen Nachspielen alter Melo-dien begnügt. Anhand umfang-reichen Literatur- und Quellenstudiums, das bestens belegt wird, aber auch durch wertvolle, do-kumentierte Gespräche mit den letzten noch lebenden Vertretern der osteuropäischen Klezmorim in den USA, in Polen, der Ukraine und in Israel zeichnen Ottens und Rubin ein historisch und musikwissenschaftlich fundiertes, aber auch sehr lebendiges, menschliches Bild einer ernsthaften, schillernden Musik-tradition, die wirkliche Weltmusik und nicht nur „World Music“ ist. Sie ma-chen deutlich, daß Klezmer zwar im jiddischsprachigen Osteuropa des achtzehnetn und neun-zehnten Jahrhunderts entstand, aber bei den spätmittelalterlichen Asch­kenasim, den westeuro-päischen Juden vor allem der mittel­rheinischen Landschaft ihre Wur­zeln hatte. Durch deren Vertreibung kam es in den Schteteln des Ostens zur Begegnung geordneter westaschkenasischer Traditionen mit osteuropäischer Improvisationskunst: eine überaus fruchtbare Symbiose im Geist des Chassidismus. Sie hatte außerhalb der Synagoge, bei Festen und im Alltag der Menschen ihren Platz.


Mit dem „primitiven Einheitsstil“ heu­tiger Klezmer-Bands hatte der echter Klezmer kaum etwas zu tun, vielmehr ist er, wie Ottens und Rubin beredt darlegen, „das genaue Gegenteil zu dem an Paganini orientierten Ideal der Schtetl-Klezmorim“, dem selbst Geigenvirtuosen wie Heifetz, Mil-stein und Oistrach noch verpflichtet waren. Paganini als unheimliche Legendengestalt eines juda-isierten Teufels­geigers ist nur einer von vielen Repräsentanten jenes von den Autoren differenziert dar­ge­stellten historischen Berufsstandes der Klezmorim, der „mit der Fiedel Herzen verzaubert und fängt“. 


Rita Ottens´ und Joel Rubins umfassende und sehr an­schauliche Studie hat eine längst überfällige Lücke der deutschsprachigen Literatur über diese gemordete und wie­der­auferstandene Musik-tradition geschlossen. Die Ergebnisse des Buches, das wohl schon jetzt als Standardwerk zum Thema gelten darf,  sind von enormer Tragweite, indem sie der gewinnorientierten Verkitschung der Klezmer-Musik einen Spiegel vorhalten und die eigentlichen geistigen und rituellen, magi-schen und alltagsgeschichtlichen Ur­sprünge, die historischen Inhalte und die Vielfältigkeit der Formen des Vorbildes positiv dagegen ab­setzen. Ein lange erwartetes Buch, das Orientierungs-hilfe im Dschungel der Klezmer-Szene bietet. Sinnvoll ergänzt wird es durch eine parallel erschienene CD mit Ra­ritäten und Schätzen aus Privatsammlungen historischer Klezmermusik-Aufnahmen.

 

Rita Ottens, Joel Rubin:

Klezmer-Musik

Bärenreiter Verlag/DTV

München, Kassel, Basel, London, New York, Prag 1999

336 Seiten-

 

Oystres-Treasures-Schätze

Klezmer Music 1908-1996

Wergo SM 1621 2 (71´37)

 

 

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