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Photo: Privat / Widmungsexemplar / Geschenk von Ewa Podles
Rossinivirtuosität in Rubinrot
Ewa Podles singt Rossini-Arien
Gioacchino Rossini: Arien
Ewa Podles, Chor und Orchester der Ungarische Staatsoper, Ltg. Pier Giorgio Morandi
L´Italiana in Algeri, Semiramide, Tancredi, Maometto, La donna del lago, Il barbiere di Siviglia, La Cenerentola
NAXOS 8553543
Seit die großen Rossini-Heroinen des Koloratur-Alts - allen voran die unvergleichliche Marilyn Horne - aussterben, will sagen, ihren Zenit überschritten und sich weitgehend vom Musiktheater verabschiedet haben, harrt man mit Ungeduld auf sängerische Nachfolge. Sicher, es gibt Cecilia Bartoli und Jennifer Larmore, beides attraktive, herausragende Erscheinungen auf den Opernbühnen, doch stimmlich mit den Kalibern Marilyn Hornes oder Lucia Valentini Terranis nicht annähernd zu vergleichen. Fehlt es Cecilia Bartoli an Tiefe, Volumen und markantem Ton, vermißt man bei Jennifer Larmore außer der Tiefe vor allem Stimmfülle und unverwechselbaren Charakter. Ganz zu schweigen vom gestalterischen Witz, der pronon-cierten Schärfe der Gestaltung und der geläufigen Gurgel der Horne, aber auch dem samtigen Timbre und der stimmlichen Aura der Valentini-Terrani. Wenn es denn unter den "jüngeren" Rossini-Sängerinnen eine der Horne vergleichbare Stimme gibt, so ist es die der polnischen Mezzosopranistin Ewa Podles, die seit ihrem internationalen Karrierestart 1982 auf allen großen Bühnen der alten und neuen Welt als Rossini-Virtuosin gastierte.
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Äußerlich eher unscheinbar und der Bartoli als auch der Larmore an Bühnenwirksamkeit und Sex-Appeal unterlegen, besitzt sie doch das beiden überlegene stimmliche Material: eine satte, farbenreiche, große Stimme, die vom Kontraalt bis zum ho-hen C reicht! Schon ihr "Tancredi" (Gesamtaufnahme bei Naxos 5537) hat aufhorchen lassen und hat schärferes Profil als der, den kürzlich erst Vesselina Kasarova vorlegte. Ihr erstes Rossini-Rezital überzeugt nun vollends, daß dies die derzeit souveränste und konkurrenzlose Rossini-Stimme weit und breit ist. Wer Ewa Podles je auf der Bühne erlebte, weiß um das raumfüllende Volumen und die enorme Präsenz ihrer Stimme. Auch an gestalterischen Feingefühl ist sie ihren Kolleginnen weit überlegen. Selbst den neuen Stern im Mezzofach, Vesselina Kasarova, überstrahlt sie mühelos, denn purem Schönklang setzt sie Intelligenz der Rollendurchdringung, Raffinesse der Phrasierung und eine in allen Lagen und Registern volltönende Stimme entgegen.
Einziger Wermutstropfen: an Temperament und Leichtigkeit der Koloraturenbewältigung kann die Podles ihrer Vorgängerin, Marilyn Horne, das Wasser nicht ganz reichen. Insofern mundet der Rossini der Podles eher wie kostbarer, schwerer Bur-gunder denn perlender Champagner oder (wenn´s nicht ganz so teuer sein soll) schäumender (trockener) Lambrusco. Doch das satte Rubinrot ihres herrlich vollmundigen, enorm tiefen, dunkel timbrierten Mezzosoprans betört! Und sie versteht es wie keine andere Sängerin, den Geist des Rossinischen Koloraturgesangs schon rein sängerisch zu veranschaulichen, mit stupender Stimmakrobatik, zu schweigen von ihrer darstellerischen Intelligenz einer Beschränkung auf Pathos in Gestik und Mimik, was Jeden, der sie auf der Bühne erlebt, frappiert.
Beitrag in "Opernwelt"