Musik-Theater & mehr
Differenziertes Porträt von Richard Strauss
„Am Ende des Regenbogens“
Film von Eric Schulz, DVD 97 Minuten
Cmajor/Unitel Classica 729908
Richard Strauss ist einer der bis heute meistaufgeführten, aber auch umstrittensten Komponisten. Der Filmemacher Eric Schulz hat jetzt eine Dokumentation auf DVD herausgebracht, die sich mit der vielschichtigen, widersprüchlichen Person Richard Strauss befasst. „Am Ende des Regen-bogens“ lautet der Titel der beim Label C major erschienen ist.
Man sieht Richard Strauss mit erhobenem Taktstock, die Klappe fällt, und eine Filmaufnahme seines Dirigats der sinfonischen Dichtung „Till Eulenspiegels lustige Streiche“ beginnt. Es ist einer von vielen Filmausschnitten, in denen der alte Straus eindrucksvoll seine eigenen Werke dirigiert, mit subtiler Gestik und Mimik. Ausgewählte Kenner des Straussschen Œuvres kommentieren die historischen Filme: Die Sängerin und Leiterin des Richard Strauss-Festivals in Gar-misch, Brigitte Fassbaender, der Musiker Klaus König von den Münchner Philharmonikern, der Pianist Stefan Mickisch, aber auch der Musikwissenschaftler Walter Werbeck, um nur die Wich-tigsten zu nennen. Zwei junge Schauspieler lesen Zitate aus Briefen von Richard Straus.
„ Ich weiß wohl, dass meine sinfonischen Werke weder an Beethovens Riesengenius reichen, ich kenne genau den Abstand meiner Opern gegenüber Richard Wagners Ewigkeitswerken, aber ich glaube, dass in der Vielseitigkeit meiner dramatischen Stoffe, in der Form ihrer Behandlung meine Opern in der Weltgeschichte gerade in ihrer Beziehung zu allen früheren Schöpfungen des Theaters einen ehrenvollen Platz am Ende des Regenbogens behaupten werden.“
Das Bild vom Ende des Regenbogens durchzieht den Film wie ein Roter Faden. Bahnfahrten, Streifzüge durch die Straussvilla in Garmisch, bei denen der Enkel Christian Strauss Familieninterna erzählt und Klaviervorträge von Stefan Mickisch machen die Dokumentation, die einen Bogen spannt vom jungen Strauss bis zu seinem Tod, sehr lebendig. Was der Film vermittelt: wie souverän Strauss über Versatzstücke der Musikgeschichte verfügte; wie er gerade im Kontrast von Schönklang und beweglichem, dissonant-zerrissenen Tonsatz immer wieder provozierte mit einer hochdifferenzierten Musik, die seinen Libretti stets eine intelligente semantische Ebene hinzu-fügte. Vor allem Stefan Mickisch weiß dies wie kaum ein Zweiter am Klavier spielend und redend zu verdeutlichen. Aber er macht sich bei einem Filmausschnitt der Rosenüberreichungsszene im „Rosenkavalier“ auch über die Philister unter den Strauss-Verehrern lustig.
„Ich glaube, das dürfte die berühmteste Melodie von Richard Strauss sein. Es gibt Menschen, vor allem Damen, die gehen nur wegen der Rosenüberreichungsszene in diese Oper, schlafen die ganze Zeit und weinen bei dieser Szene, und schlafen weiter“.
Der Film von Eric Schulz bezieht zwar eindeutig Partei für Strauss, erklärt die historische Bedeu-tung seiner Musik und würdigt den Komponisten als herausragenden Dirigenten. Aber er ignoriert keineswegs die Rolle des Komponisten im Dritten Reich. Als besonderer Glücksfall erweist sich der Fund von großen Teilen der von Strauss dirigierten Olympischen Hymne in Form eines Film-mitschnitts, der in dieser Dokumentation zum ersten Mal seit 1936 gezeigt wird.
„Ich glaube schon, dass Strauss das Bedürfnis hatte, sich mit dem Regime in irgendeiner Form zu arrangieren, und ich glaube, dass die Olympiahymne , die er Hitler sogar persönlich vorgespielt hat, um ihm dann das Autograph zum Geschenk zu machen, und die er im Alter von immerhin 72 Jahren im Sommer 1936 in Berlin sogar unter freiem Himmel dirigierte, das hat glaub ich auch etwas damit zu tun. Er hat sich natürlich kompromittiert, überhaupt keine Frage. Und daraus kann man ihm durchaus einen Strick drehen. Das schließt aber nicht aus, dass man sich mit seiner Musik trotzdem beschäftigen kann, sie hören kann und sie auch gut finden kann.“
Soweit der Musikwissenschaftler Walter Werbeck. Aus unterschiedlichen Perspektiven wird die Ambivalenz beleuchtet, die Straussens Persönlichkeit schillernd, mitunter gar suspekt erscheinen läßt; deutlich wird, das Strauss in seinen Werken stets von sich und seiner Situation redet, aller-dings nie unmaskiert, mitunter schalkhaft, nicht selten ironisch, und moderner als Manche wahr-haben wollen. Der empfehlenswerte Film regt an, sich neu und differenzierter als bisher mit Richard Straus, seiner Person und seinem Werk auseinanderzusetzen. Klaus König:
„Ich halte das Diktum, dass nach Elektra nichts mehr kam, für schlicht unfaßbar blöd, auch wenn´s von Adorno ist.“
Stefan Mickisch: „Adorno war der Erste, der Strauss Konservatismus vorwarf, quasi: den brauch´ mer´ nimmer, altes Eisen. Ist im Grunde vollkommener Unfug, denn Strauss hat alles geleistet, was modern genannt werden kann. Er hat alles gemacht“.
Ausschnitte aus dissonanter Musik von Strauss zerstreuen alle Zweifel!
DVD-Rezension für SWR Cluster, 2.7.2015