Drei ungleiche Wagnerbücher, Voss, Tomenendal, Busche

Brilliant, selbstüberschätzend, nicht notwedig:

Drei ungleiche Wagenbücher


Im Vorfeld seines 200sten Geburtstags sind brilliante Bücher über Richard Wagner erschienen. Aber nicht alle sind unbedingt lesenswert. Und manche Autoren sind in ihrer Eitelkeit geradzu grotesk!

 

Egon Voss, Editionsleiter der Richard-Wagner-Gesamtausgabe und einer der besten Kenner Richard Wagners und seines Werks, macht in seinem Buch darauf aufmerksam, dass die Figur des Mime im "Siegfried" - nach Wagners eigenen Worten -  eben keine Karikatur ist, schon gar keine Judenkarikatur. Und er belegt quellenkundig Wagners lebenslängliche Mendelssohn-verehrung, allem Antisemitismus Wagners zum Trotz. Es ist bezeichnend für die Gründlichkeit und argumenmtative Differenziertheit dieses Buches, die auch die Widersprüche und Brüche im Denken Wagners nicht ausspart und dem Thema des "umstrittenen Wagner" nicht aus-weicht. Auf 128 Seiten gelingt es Egon Voss aber auch, neben der Wirkungsgeschichte das Werk Wagners darzustellen, als dessen "Grund­thema" die Sexualität genannt wird, von den "Feen" bis zum "Parsifal".  Als "zentrales Problem" von Wagners anarchischem, antibürger-lichen Leben zwischen Leipzig und Venedig nennt Voss zurecht "Schulden", also Geldmangel. Es geht Voss denn auch um das komplexe "Wechselverhältnis zwischen Leben und Kunst". Wer sich mit wenig Lektüre über den "ganzen" Wagner zuverlässig aber dezidiert-knapp informieren möchte, dem kann dieses dünnste aller neuen Wagnerbücher nur wärmstens empfohlen werden. Und der Autor schreibt so einfach und klar, dass jeder Leser ihn versteht. Eine Glanzleistung.

 

So frei von aller Selbstdarstellung das Wagnerbuch von Egon Voss ist, so narzisstisch, ja ex-hibitionistisch kommt das Buch "Mein Wagner" von Alexander Busche daher. Schon der Titel ist eine Anmaßung. Zu schweigen vom Cover des Buches: Brustporträt des Autors auf Au-genhöhe mit Richard Wagner. Doch wer ist eigentlich der Autor? Einer jener vielen heutigen Marketingberater, Pressereferenten und PR-Leute zwischen 30 und 40, die fachlich ahnungslos aber selbstbewusst genug sind, kein Mittel zu scheuen, um auf sich aufmerksam zu machen und sich um keine Blamage zu schade sind. Schon als Pressemann Katherina Wagners in Bayreuth, nahm man Alexander Busche, der oft kindlich kichernd im brombeerfarbenen Samtanzug zu weißen Turnschuhen um die Impresaria herumtänzelte, nicht wirklich ernst. Nach diesem Buch hat der 34jährige Autor - inzwischen PR Mann bei den Tiroler Festspielen Erl - seine Ernsthaftigkeit vollends verspielt. Er referiert in hemdsärmeliger Oberflächlichkeit nicht nur die hinlänglich bekannte Biografie seines Abgotts Wagner, er schildert auch seine eigenen - völlig uninteressanten - Bildungs­erlebnisse, seine Urlaube und Theaterbesuche und rechnet ab mit Bayreuth. Was diesem Buch die Krone aufsetzt, dass der Autor Wagners Le-bensstationen die eigenen nahtlos hinzufügt, so als gehöre er zur Familie Wagner. Ein gro-teskes Buch der Selbstüberschätzung und Selbstinszenierung. Ein peinliches, ein überflüssiges Buch. 


Nachtrag:

Im Herbst 2008 arbeitete er erstmals bei einer Neuproduktion Katharina Wagners auch künstlerisch mit ihr zusammen und fungierte bei der Inszenierung von Richard Wagners Oper Rienzi am Theazter Bremen als szenisch-dramaturgischer Assistent. In der Folge übernahm er die Regieassistenz zahlreicher weiterer Wagner-Produktionen sowie von Puccinis Madama Butterfly am Staatstheater Mainz 2010 wurde Busche Product-Manager für Frontline Classics bei der Universal Music. Ein Jahr später gründete er seine eigene Agentur für Kommunikation und Marketing und arbeitete als PR- und Marketingberater sowie Autor und Regisseur u.a. für die Tiroler Festspiele Erl als operativ verantwortlicher und handelnder Teil der Geschäftsführung, für die Internationale Chorakademie Lübeck e.V., die Symphoniker Hamburg und Sony Classical. Ab 2017 war Busche als Executive Producer A&R für Sony Classical International mit Sitz in Berlin tätig, wo er die Gesamtplanung der Aufnahmen von international bekannten Künstlern und Orchestern verantwortete. Im Herbst 2020 wurde Busche als alleiniger Geschäftsführer des Göttinger Symphonie Orchesters eingesetzt. Zum Beginn der Spielzeit 2022/23 wurde er als Inmtendant an das Brandenburger Theater berufen


Zwar auch nicht eben notwendig, aber immerhin ernst zu nehmen ist das schmale, 141 Seiten umfassende Buch von Dominik Tomenendal über "Die Wagners, Hüter des Hügels". Der Aut-or schreibt elegant - und sein Buch ist frei von aller Selbstdarstellung. Freilich neu ist das, was man in seinem Buch liest, nicht. Schon die Historikerin Brigitte Hamann hat ja in ihrer glän-zenden Rowohlt-Monographie über "Die Familie Wagner", die vor sieben Jahren erschien, alles gesagt, was zu diesem Atridenclan der deutschen Ersatz-Royals zu sagen ist. Hamanns Darstellung, die wohlweislich im angefügten Literaturverzeichnis Tomenendals nicht erwähnt wird, ist bis heute konkurrenzlos und unüberholt. Dominik Tomenendal kann im Abstand von sieben Jahren natürlich ein neues Kapitel hinzufügen: das Kapitel "Eva und Katherina". Auch wenn er die heutigen Festspielleiterinnen reichlich idealisiert: Er spricht immerhin von "Pre-kärer Modernisierung" und wagt eine ungewisse Zukunft der Bayreuther Festspiele anzu-deuten. Doch dazu wäre Deutlicheres zu sagen!

 

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