Bayreuther Szenenwechsel

Szenenwechsel in Bayreuth


Beitrag in der Deutschen Welle 14.07.2008


Am 13. August 1876 hob sich der Vorhang zu den ersten Bayreuther Festspie-len und zur ersten kompletten Aufführung des „Rings des Nibelungen“. Wagner hatte sich einen Traum erfüllt. Ein eigenes Theater zur ausschließlichen und mustergültigen Aufführung seiner Werke. Noch heute existieren die Bayreuther Festspiele. Sie haben mehrere Kriege überstanden, sie werden  immer noch geführt von einem Mitglied der Familie Wagner und gelten als eines der  re-nommiertesten und ältesten Festivals der Welt. Von 1951 an leiteten die Brüder Wieland und Wolfgang (die Enkel  Richard Wagners) gemeinsam die Fest-spiele. Seit Wieland  Tod 1966 leitet Wolfgang Wagner das Festspielunter-nehmen allein. Wegen seiner künstlerischen Entscheidungen wurde er oft angegriffen. Als in allen Belangen versierter Theaterleiter war er unangreifbar. Zu seinen größten Verdiensten gehört die Gründung der Richard-Wagner-Stiftung.


"Die Quintessenz ist die, dass ich zumindest die Bayreuther Festspiele, soweit das durch meine Tätigkeit überhaupt menschenmöglich ist - als gesichert betrachten kann, und das war eine meiner Hauptarbeiten, die ich vollbringen wollte durch die Gründung der Stiftung.“ (Wolfgang Wagner)


Am 2. Mai 1973 wurde die „Richard-Wagner-Stiftung Bayreuth“ errichtet, die den Festspielen eine neue Grundlage gab und eine gesicherte Zukunftsper-spektive gewährleistete. Das Festspielhaus wird seither von der Stiftung an den Festspielleiter verpachtet. Allein der Stiftungsrat ist befugt, über die Nachfolge eines Festspielleiters zu entscheiden. Schon 1999 hatte Wolfgang Wagner ihm die Türe geöffnet für die Suche nach seinem Nachfolger. Der Stiftungsrat ent-schied sich im März 2001 aber nicht für Wolfgangs Wunschkandidatin, seine zweite Ehefrau Gudrun, sondern für Eva Wagner-Pasquier, Wolfgangs versto-ßene Tochter aus erster Ehe. Daraufhin schlug Wolfgang die Tür wieder zu und beharrte auf seinem lebenslangen Vertrag.


Im vergangenen Jahr kulminierten die immer offensichtlicher werdenden künst-lerischen, personellen und finanziellen Probleme der Bayreuther Festspiele. Wolfgang Wagner war gesundheitlich stark angeschlagen. Die  Festspiele hatten ein gewaltiges Defizit zu beklagen.


Nike Wagner, die von Wolfgang Wagner ausgegrenzte, kluge Tochter seines Bruders Wieland, plauderte aus, was die Bayreuther Spatzen von den Dächern pfiffen und was öffentlich diskutiert wurde:


"Heute wird es immer offenbarer, dass die Festspiele von den beiden Frauen geführt werden, von Gudrun Wagner, die dezidiert nicht gewählt wurde, vom Stiftungsrat, mit guten Gründen, und von der Tochter Katharina.“  (Nike Wagner")


Im vergangenen Sommer hat Wolfgang Wagner seine Tochter Katharina gewis-sermaßen in Bayreuth inthronisiert. Sie gab ihr Debüt mit einer "Meister-singer"-Inszenierung, die die faschistische Rezeptionsgeschichte auf die Bühne brachte und für die sie mehr Buhs als Bravi erntete. Nach einer beispiellos gelenkten Pressekampagne, hat sich Katharina Wagner (in den Medien zum Fotomodell stilisiert) öffentlich als Nachfolgerin ihres Vaters ins Spiel gebracht:


„Ich fühle mich zumindest dazu in der Lage, also mir geht’s nicht darum, dass ich mir einen Festspielleitertitel an den Kragen stecken kann, sondern wenn, dann mach ich das aus einer Herzensangelegenheit heraus. Und ich trau mir die Sache auch zu. Bloß dann müssen eben die Bedingungen auch stimmen.“ (Katharina Wagner)


Nicht jeder ist von Katharinas Qualitäten als mögliche künftige Festspielleiterin überzeugt. Alleine jedenfalls wurden ihr – auch vom Stiftungsrat - keine Chan-cen eingeräumt. Am 28. November 2007 verstarb ganz plötzlich und unerwartet Katharinas Mutter, Gudrun Wagner, die für die Entfremdung und Verfeindung zwischen ihrer Tochter Katharina und Wolfgangs Tochter aus erster Ehe, Eva, verantwortlich war. Der Weg war nun frei für eine Wiederannäherung der 63-jährigen Eva Wagner-Pasquier und der 29-jährigen Katharina.


Die Ereignisse überschlugen sich. Am 8. April hat Wolfgang Wagner in einem Brief an die Geldgeber der Festspiele signalisiert, dass er von seinem lebens­langen Vertrag als Festspielleiter zurücktreten werde, wenn seinen beiden Töchtern Eva und Katharina eine gemeinsame Leitung der Bayreuther Fest-spiele übertragen würde. Der Stiftungsrat hat daraufhin die Wagner-Töchter mit Schreiben vom 10. April aufgefordert, unverzüglich ein gemeinsames Fest-spielkonzept vorzulegen. Am 31. August will er nun die Entscheidung über die Nachfolge Wolfgang Wagners treffen. Wer auch immer sich noch beworben hat, die Entscheidung dürfte feststehen: Katharina und Eva Wagner werden das neue Führungsduo am Grünen Hügel in Bayreuth werden. Denn nur dann tritt Wolfgang Wagner zurück.


Sein Wunsch und der des Stiftungsrats dürften sich dann erfüllt haben: Es bleibt bei einer dynastischen Nachfolgeregelung. - Eine neue Epoche der Bayreuther Festspiele bricht an. Ob sie den dringend erwünschten künstle-rischen Aufschwung bringen wird, bleibt ebenso ungewiss wie die wirtschaft-liche Zukunft der Festspiele. Weder Eva noch Katharina haben sich zu ihren Plänen und Visionen des zukünf­tigen Kurses der Bayreuther Festspiele öffentlich geäußert.