La Fiamma Loy Berlin

Photo: Monika Rittershau

Edel, aber aseptisch gestylter Mummenschanz,
drigentisch und sängerisch suboptimal


Ottorino Respighis Oper „La Fiamma“, ausgegraben an der
Deutschen Oper Berlin



Ottorino Respighi ist neben dem Veristen Giacomo Puccini und dem Duce-Anhänger Pietro Mascagni) der Einzige der Komponisten der „generatione dell‘80“, der Generation der um 1880 Geborenen, dessen Werke (vor allem dessen sinfonische Dichtungen – zumal die "Trilogia romana“) den italienischen Faschismus überlebt und Eingang ins Repertoire gefunden haben. Respighi war allerdings auch der „unpolitischste“ seiner Zeitgenossen, man denke nur an Ildebrando Pizzetti, Gian Francesco Malipiero oder Alferdo Casella. Seine Musik erfreute sich zwar auch bei der faschistischen Regierung großer Beliebtheit, aber Respighi ließ sich nicht enger mit ihr ein. Er war noch ein Kind bürgerlicher Musikkultur mit weitem Horizont. Er hatte in bewusster Abwendung von Verdi, Wagner und dem Verismus einerseits nach Quellen älterer italienischer Musik geforscht (er wendete sich vor allem der italienischen Musik des Barocks und der Renaissance zu), ließ aber auch außeritalienische Einflüsse, etwa der Musik Strawinskys und Richard Straussens zu, öffnete sich in seiner Musik der Bitonalität und nahm den französischen Impressionismus, vor allem Maurice Ravels in seine Klangsprache auf. Er war offen für Neues und für Experimente. Einerseits war er ein Vertreter des Klassizismus in Italien. Andererseits verdankte er seinen Jahren in der Opera Italiana im Theater in Sankt Petersburg, wo er Nikolai Rimsky-Korsakov begegnete, seinen Farbenreichtum. Rimsky-Korsakovs farbige Orchesterbehandlung hatte ihn stark beeinflusst.
Respighi war ein schillernder Komponist, dessen kompositorische Summe in seinem „Weltabschiedswerk“, der Oper „La Fiamma“ kulminierte, auch wenn sie eine Rückkehr zu den traditionellen Formen des italienischen Melodramas darstellt. Die Deutsche Oper Berlin brachte 2009 bereits die deutsche Erstaufführung von Ottorino Respighis Oper »Marie Victoire« auf dem Spielplan – ein Meisterwerk, das 89 Jahre lang zu Unrecht in der Schublade schlummerte.
Jetzt also „La Fiamma“, seine letzte vollendete Oper, nach einem Libretto von Claudio Guastalla. Die Handlung basiert auf der Geschichte von Anne Pedersdotter, einer Norwegerin, die der Hexerei beschuldigt und 1590 auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, Gegenstand eines Dramas von Hans Wiers Jenssen, der Schauplatz ist jedoch ins byzantinsche Ravenna verlegt.
Davon sieht man in der Inszenierung von Christoph Loy allerdings nichts. Keine byzantischen Brokatstoffe, keine Mosaike, kein Ravenna, keine Basilika San Vitale. Stattdessen die Verlängerung des Zuschauerraums der Deutschen Oper auf der Bühne mit denselbsn Holzvertäfelungen, mit Treppen, Bühnenrahmen, Schiebewänden und einer “Bühne auf der Bühne”, die gelegentlich Naturbilder, sehr oft Qualm, Flammen (Feuer) einer angedeuteten Hexenverbrennung oder archaische Architektur ausschnitthaft zeigt. Ansonsten nur wenige Requisiten auf der nackten, sterilen Bühne von Herbert Maurer, Kerzenleuchter, ein paar Stofffetzten, mehr nicht. Kostümiert sind die Darsteller und Darstellerinnen von Barbara Drosihn allesamt in zeitlos-modernen schwarzen Anzügen bzw. Abendkleidern. Die Herren tragen zuweilen Stiefel, wie sie im italienischen Faschismus Mode waren.
Uraufgeführt wurde die Oper am 23. Januar 1934 am Teatro dell'Opera in Rom. Die Meinungen über „La Fiamma“ waren kontrovers, das Werk, eine Art Grande Opéra, zog allerdings kometengleich eine Bahn des Erfolgs um die Opern-Welt. Vielleicht gebührt ihm tatsächlich ein Platz unter den musikdramatischen Meisterwerken des 20. Jahrhunderts. In der Lesart des Dirigenten Carlo Rizzi und des gut disponierten Orchesters der Deutschen Oper Berlin war das allerdings nicht unbedingt und auf Anhieb hörbar. Rizzi dirigierte einen eher zärtlichen, verinnerlichten Respighi, harmloser und „schöner“ als notwendig. Es dauerte lange, bis Rizzi aus sich herausging und seine fast introvertiert wirkende Respighi-Interpretation aufgab, um aus dem Vollen der reichen Partitur zu schöpfen und den kraftvoll raubeinigen, ja modernen Komponisten zu seinem Recht kommen zu lassen.
Dessen Musik ist ja an sich von umwerfender Wucht, mit imposanten Chor-Gesängen. Der Chor der Deutschen Oper (Jeremy Bines) samt Kinderchor Berlin (Christian Lindhorst) befleißigte sich allerdings durchweg einer viel zu lauten, ja brachialen Interpretation.
Die Handlung von Otto Rino Respighis letzter (vollendeter) großer, faszinierender Oper spielt in Ravenna im 7. Jh. Der Exarch (Staathalter) Basilio ist mit Silvana verheiratet, deren Mutter durch ihre Hexenkräfte diese Ehe gestiftet haben soll. Die Ehe ist glücklos. Sie ist eingesperrt, vermisst Freunde, Freiheit, Luft vor allem aber Liebe. Als Basilios Sohn aus erster Ehe, Donello als schöner Jüngling heimkehrt, werden er und Silvana von einer heftigen Leidenschaft füreinander erfasst. Nachdem das Verhältnis bekannt wird, trifft Basilio sprichwörtlich der Schlag; Silvana wird angeklagt, wobei die Richter untersuchen, ob sie Donello durch übernaAtürliche Kräfte verführt hat. In der Basilika San Vitale, wo der Glaube der Christen in einem grandiosen Chortableau gepriesen wird, findet der Prozess statt, der dazu führen könnte, dass Silvana auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird und gezwungen ist, sich von den Anschuldigungen Eudossias freizusprechen. Der in seiner Liebe wankende, eher passive Donello bittet Silvana, am Kreuz zu schwören: „Sag, es ist nicht wahr!“ Doch im Bewusstsein, dass sie das Vertrauen ihres Geliebten verloren hat, verliert Silvana die Kraft, sich zu verteidigen. Sie wählt bewusst den den Tod auf dem Scheiterhaufen.
Die Angst mehrerer Frauen vor Hexerei steht im Mittelpunkt der Oper. Alle sind sie Aussenseiterinnen: Silvana, ihre Mutter, Agnese, eine ältere Frau, die vor den Inquisitoren flieht und die politisch aggressive Eudossia, die greise Mutter von Basilio und Großmutter Donellos. Ein Frauenstück als Schauerdrama.
Doch wie Regisseur Christoph Loy im Programmheft betont: „La Fiamma bezeichnet in erster Linie, was Silvana selbst als die Liebesfähigkeit beschreibt, die innere Flamme. Das Wort taucht im Stück nur einmal auf und zwar als Silvana davon spricht, dass sie von ihrer Mutter die Disposition zu einer übergroßen Leidenschaft geerbt habe – und da spricht sie eben nicht von Hexenkräften.“ Insofern hat der Titel der Oper eher weniger mit dem Feuer auf dem Scheiterhaufen zu tun als viel mehr mit der überwältigenden Kraft der Liebe, die sich jeder wirklichen Erklärung entzieht. Ein archaisches Thema.
Silvana, die weibliche Hauptfigur der Oper, beglaubigt allerdings weder stimmlich noch darstellerisch die zu stark liebende Frau. Die russische Sopranistin Olesya Golovneva spielt eine schroffe, beinahe verzickt wirkende, harte Frau. Von lyrischer Süße der Stimme etwa einer Nelly Miricioiu (die diese Partei unter Gianluigi Gelmetti mit glutvollem, beseeltem Feuer sang) keine Spur. Stattdessen – gewiss hochexpressiver - flackernder Schreigesang. Auch ihr Liebhaber (und Stiefsohn) Donello warA mit dem russischen Tenor Georgy Vasiliev nicht völlig überzeugend besetzt worden. Man vermisste bei ihm jugendlichen Glanz in der Stimme, Strahlkraft und (mit Verlaub gesagt) eine Spur von Belcanto. Seine Stimme klang angestrengt.
Dagegen wurde der Ehemann Silvanas, der trottelige aber redliche Basilio des italienischen Heldenbaritons Ivan Inverardi zum gesanglichen Höhepunkt der Aufführung, er lieferte eine restlos beglückende Sänger- und Darstellerleistung. Wie er den Tod des gehörnten Ehemannes mimte, ging an die Nieren. Daneben gab es im großen Ensemble allerdings eine Reihe beachtlicher Stimmen: Die Eudossia der Wiener Sopranistin Martina Serafin war äußerst eindrucksvoll, die unverwüstliche, hochkarätige Sängerdarstellerin Doris Soffel sang eine geradezu sensationelle Agnese di Cervia, die als Erste auf dem Scheiterhaufen endet. Auch die Monica der zauberhaften koreanische Sopranistin Sua Jo zeigte außerordentliche Gesangskultur, Stimmgröße und -Schönheit. Ebenso der schwarzstimmige, schnittige Exorzist des jungen, amerikanischen Bassbaritons Patrick Guetti. Auch das übrige Ensemble war insgesamt rollendeckend.
Gesanglich eine beachtliche Leistung der Deutschen Oper Berlin (einmal von den beiden Hauptfiguren abgesehen). Regielich wie gesagt, routiniert, perfekt im szenischen Ablauf (vor allem der Massenregie), geschmackvoll ohne Frage, aber gewissermaßen das Stück nur aseptisch andeutend, in einem atmosphärisch unterbelichteten, sterilem Bühnen-Raum.


Eine faszinierende, halbmystische, halb schwülstige Oper, zugegeben, aber eine, die in der Handlung um den brutalen Schauprozess, befeuert durch die hysterischen, verführbaren Massen, immerhin die Fratze des Faschismus spiegelt. Sie wäre in einer anderen Inszenierung, mit angemesseneren Sängerprotagonisten und einem mutigeren Dirigenten zu mehr als nur einem edel gestylten aber skurrilen Mummenschanz geworden. Schade um das Stück und seine Musik


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