Al Pescatore Bari

Photos: DDS / privat


Die Wonnen apulischerAlltäglichkeit:
Das "Al Pescatore" in Bari

 

 

Bari ist eine der größten Hafenstädte an der südlichen Adria und Hauptstadt der Region Apulien. Die Altstadt, Bari Vecchia, mit ihrem Gassengewirr liegt auf einer Landzunge zwischen zwei Häfen. Inmitten der engen Gassen steht die Basilika San Nicola aus dem 11. Jahrhundert, seit Jahrhunderten eine bedeutende Pilgerstätte, in der die sterblichen Überreste des Heiligen Nikolaus aufbewahrt werden.


Das Eckrestaurant „Al Pescatore“, mit überdachtem Außenbereich, liegt in Gehweite entfernt - nur von einer vielbefahrenen Straße getrennt - vor dem Castello Svevo, das Friedrich II. von Hohenstaufen erbaute und das noch heute durchaus sehenswert ist.


Das Restaurant liegt am Rande der berüchtigten, doch inzwischen restaurierten, befriedeten, ungefährlichen, weiß getünchten Altstadt von Bari, in der Hausfrauen auf den Gassen Orechiette (Öhrchennudeln) drehen, trocknen und an Passanten verkaufen. Nicht weit ist es zur Kathedrale entfernt, auch zur eindrucksvollen romanischen Basilica San Nicola ist es nicht weit.


Im Jahre 1087 raubten italienische Kaufleute die Gebeine des Heiligen aus dem Sarkophag in der Grabkirche von Myra und brachten sie nach Bari, wo Papst Urban II. schon zwei Jahre später für diese Reliquie die Krypta einer Nikolauskirche – der heutigen Nikolaus-Kathedrale - einweihte. Dort tropft seither heiliges, wohltätiges Wasser aus seinem Grab. Man kann es noch immer in Flaschen abgefüllt kaufen.

Empfehlenswerter ist allerdings der Wein in Bari.


Apulien ist eine landschaftlich reizvolle, vegetarisch reiche Gegend, von Trulli, Olivenbaum-Plantagen und dem unbeschreiblich blauen Meer geprägt, die den Sporn und den Absatz des italienischen Stiefels bildet.

Große und hervorragende Oliven kommen aus der Gegend rund um den Ort Cerignola und heißen auch Bella di Cerignola (Schöne von Cerignola). Die Riesenolive Bella di Cerignola rühmt sich als größte Tafelolivensorte der Welt.



Das Klima ist trocken und sehr heiß, aber die Böden strotzen vor Fruchtbarkeit. Dadurch entstehen in Apulien inzwischen beeindrucckende Weine, das war nicht immer so.

Apulien ist an drei Seiten vom Mittelmeer umgeben, so dass eine stete Brise die Rebflächen – besonders im Sommer – wohltuend abkühlt. In Apulien wird auf fast 90.000 Hektar Wein angebaut, es ist die italienische Weinregion mit der größten Produktionsmenge überhaupt. Aus Quantität ist mittlerweile Qualität  geworden.  Apulien hat sich von einer Weinregion der Mittelmäßigkeit zu einer mit einem verblüffend hohen Qualitätsstandard entwickelt. Das Preisniveau ist dabei immer noch vergleichsweise günstig. Das gilt vor allem für Rotweine, aber auch für Weißweine.


Bei den Rotweinen finden sich vor allem Negroamaro, Nero di Troia, Primitivo und Malvasia Nera. Insbesondere mit Negroamaro, Primitivo und Malvasia Nera werden inzwischen gute Rotweine hergestellt - vorwiegend in der Region Salento. Hochwertige Weine aus der Nero di Troia Traube dagegen werden vor allem rund um Bari produziert.


Der „Klassiker“ ist der „Primitivo“, der hierzulande in den letzten Jahren zum Kultwein avancierte. Nicht zu verachten ist abe rauch der „Salice Salentino“, er ist im Zentrum der Halbinsel Salento beheimatet. Dort müssen Rotweine zu 90 Prozent aus der Rebsorte Negroamaro bestehen. Der Name der Rebsorte bedeutet wörtlich übersetzt „schwarzbitter“, sie erinnert allerdings eher an reife Pflaumen mit einem Hauch von orientalischen Gewürzen, Schokolade oder Tabak.  

Wenn es um regionale Weißweine geht, ist der Verdeca  sehr zu empfehlen. Er wird  nur auf einer kleinen Fläche angebaute.  Er hat eine einzigartige Aromatik. Es gibt aber noch andere Weine, wie zum Beispiel Bianco del Salento, Due Terre Biancho, Fiano Greco Biancho und Falanghina, um nur einige zu nennen.  


In der Vergangenheit spielten Weine aus Apulien auf dem internationalen Markt kaum eine Rolle, der größte Teil der Produktion wurde einfach in Tanks weiter verkauft. Das hat sich zwischenzeitlichgründlich geändert und so finden sich auch in der Region Apulien ansehliche Weine. Die heimische Sorte Bombino Bianco ist nach wie qualitativ kein Highlight - aber Chardonaay und Sauvignon Blanc liefern gute Ergebnisse in Apulien. Nennenswerte Rebsorten für Weißweine sind Bombino Bianco, Cahrdonaay und Sauvignon Blanc.


Naturgemäß trinkt man zu Fisch und anderen Meerestieren Weißwein. Womit wir beim Fischerwirt „Al Pescatore“ wären. Ich kenne das Lokal schon seit den Neunzigerjahren. Damals war es noch ein ganz normales, bürgerliches, familiär geführtes Fischlokal mit traditioneller Küche (alle Arten von fangfrischen Fischen und Meerestieren in allen Variationen zubereitet, wie auch roh!) und vorwiegend einheimischen Gästen. Bei meinem letzten Besuch hatte es allerdings einen Imagewandel durchgemacht, war chic geworden, zielte aufs gut betuchte Publikum und hat das Personal wie das Speisenagebot, - man setzt jetzt auf Foodstyling - und die Preise verändert. Nicht unbedingt zum Vorteil der Location.


Ich weiß noch, als ich zum ersten Mal dort war, in brütender Mittagshitze, mein Begleiter zog es vor, das Castello gegenüber in aller Ausführlichkeit zu besichtigen, verbrachte ich mehrere vergnügliche Stunden in dem Lokal. Ich saß draußen, natürlich, ein alter Oberkellner empfahl mir einen schattigen Platz, ich bestellte eine Flasche örtlichen Frizzante (Perlwein), der im Eiskühler eine sehr erfrischende Sache war. Ich sah mich um und gewahrte eine unvergessliche Vorstellung: Theater des Lebens.


Am linken Nebentisch saß ein Mönch in brauner Kutte mit Strick um die Hüften und spielte Karten mit einer sehr anständig wirkenden, alten Dame. Beide waren allerdings schon recht angeheitert, tranken aber munter weiter.


Rechts von mir saß ein junges, grell herausgeputztes, neureiches Pärchen, offenbar frisch verliebt, er wollte ihr wohl etwas Besonderes bieten und ließ eine enorme Platte mit allerhand Meeresgetier kommen, das nicht unbedingt vertrauenerweckend aussah, da das Präsentierte ausnahmslos in rohem Zustand war, ob Muschen, Kraken, Seeigel oder was auch sonst. Das Pärchen machte sich launig und offenbar recht hungrig darüber her, gute Manieren hatte es ebenso wenig wie Scheu.


Die Beiden aßen mit den Händen, zerrissen die Tiere in der Luft in mundgerechte Happen, die sie sich in den Mund stopften, ohne deswegen ihren Redefluss zu bremsen oder ihre theatralischen Gestikulationen einschränkten. Ich starrte sie an, war sprachlos. Sie bemerkten das und meinten nur lapidar, sie seien hier so und äßen hier alles roh.



Hinter mir saßen sechs schäbig gekleidete, rauhbeinige Kerle mit brutalen Visagen. Verbrechertypen. Sie aßen hemmungslos und ließen sich eine Platte nach der anderen kommen, nicht etwa Fisch, sondern vor allem „ricci“, also rohe Seeigel, aufgehackt. Ich muss gestehen, mich ekelte der Anblick etwas, als ich sie (zum ersten Mal) sah. Aber es hatte seine Faszination, zu sehen, mit welch animalischer Lust die Sechs diese stacheligen, unappetitlichen Kugelhälften ausschlürften.


Ich fasste mir ein Herz und wollte auch mal probieren, was alle hier so selbstver­ständ­lich aßen, und was als Spezialität der Region galt. Also bestelle ich bei dem Kellner zwei Seeigel, er brachte mir einen Teller mit sechs (sonst lohne es sich ja nicht). Dazu reichte er Weißbrot. Ich müsse die roten Zungen mit dem Brot von den Schaleninnenseiten abkratzen.


Ich tat, wie empfohlen und wurde von den sechs grimmigen Nachbarn, die mich misstrauisch beäugten, mit Gelächter und mir nicht immer ganz verständlichen Äußerungen verspottet. Ich drehte mich zu ihnen um und sie gaben mir mit Gesten und Worten (mit anzüglich-vulgärem Unterton) zu verstehen, man müsse die halben Seeigel mit der Zunge auslecken …wie man halt andere leckere Dinge auch auslecke.


Gesagt getan. Ich bewies Kühnheit und die ganze Truppe brüllte klatschend „ma bravo“. Ich weiß nicht, ob ich einen roten Kopf bekam, ich weiß nur, dass mir diese Episode unvergessen in Erinnerung blieb.


Die Seeigel (die ich später noch mehrfach aß, aber nie mehr so gut/frisch wie in Bari) schmecken übrigens kein bisschen fischig, sie haben zarte Muschelkonsistenz und ein Aroma, das an Jod und Rosenblüten erinnert, durchaus apart, aber unbedingt essen muss man diese Meerestiere nicht und süchtig danach würde ich wohl nie.  


Nachdem ich diese Mutprobe bestanden hatte, aß ich noch einen gegrillten Seefisch, einen Salat dazu und nahm hernach ein Zitronensorbetto, den obligatorischen Espresso. Ich leerte die Flasche Frizzante.


Bester Laune schlenderte ich zum Castello, um meinen kunstbeflissenen Begleiter abzuholen und hatte wieder einmal aufs herrlichste erfahren, wie doch zuweilen „die Wonnen der Alltäglichkeit“ alle Kunst überteffen können.