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Fotos: privat
Die Oepfelchammer - Zürichs älteste Weinstube
„Wo schon Gottfried Keller einkehrte, werden auch Sie sich wohlfühlen“ Der Werbespruch des Lokals gründet sich auf eine Legende. Unstrittig und dokumentiert ist dagegen, dass die „Oepfelchammer“ Zürichs älteste Weinstube ist. Das Haus ist über 650 Jahre alt und wurde im Jahr 1410 unter dem Namen „Zum Judenhut“ ins Grundbuch eingetragen Der Name „Oepfelchammer“ soll daher kommen, dass die Klosterfrauen des benachbarten Verenaklosters ihr Obst dort zum Dörren und Trocknen eingelagert haben. Im 17. Jahrhundert kam eine Bäckerei dazu, die 200 Jahre in Betrieb war, bekannt für seine Zwiebelkuchen „Böllenwäh“. Ab dem Jahr 1801 wurde die „Oepfelchammer“ zur Weinstube. Sie war das Stammlokal vieler bekannter Zürcher Künstler und Schriftsteller. Einer davon soll der ehemalige Zürcher Staatsschreiber und Schriftsteller Gottfried Keller (1819-1890) gewesen sein, der zeitweise gegenüber der Oepfelchammer am Rindermarkt wohnte.
Genaueres zu Gottfried Keller erfährt man bei gottfriedkellerzuerich.ch. Dort liest man: „An der Hausfassade sind in etwas seltsamer Zusammenstellung die Konterfeis von Hans Waldmann und Gottfried Keller zu sehen. Das Bild des Dichters soll wohl eher an das gegenüberliegende Wohnhaus der Familie Keller erinnern als an häufige Besuche der Wirtschaft, denn in seiner Jugendzeit war Keller kaum hier zu Gast, und später wohnte er nicht mehr in der Gegend, dazu fand er seinem Geschmack besser behagende Lokale, etwa die "Häfelei" oder das "Gambrinus" an der Schoffelgasse. Für ein gutes Bier besuchte er gerne die "Kronenhalle", für einen feineren Wein und ein gutes Essen hingegen das Café im Zunfthaus zur Meisen“.
Wie auch immer: Die Lokalität ist ein Unikat zum Staunen, Wohlfülen und Schlemmen. Eine Welt von gestern mit unvergleichlicher Atmosphäre. Eine niedrige Decke mit dicken Balken, dunkle Wände, lange Holzbänke und das Ganze über und über mit eingeritzten Namen dekoriert: Das ist die „Oeli“, deren Name von den vielen Studenten rührt, die hier in den letzten zwei Jahrhunderten ihre Stimmbänder mit Wein „ölten“, um besser singen zu können. Die älteste Weinstube Zürichs ist gleichsam das Allerheiligste der Oepfelchammer. Seit 1801 ist sie unverändert geblieben. Und genauso unverändert gilt das Gesetz, dass nur derjenige seinen Namen ins dunkle Holz der Oeli ritzen darf, der die berühmte Balkenprobe bestanden und mit dem Kopf nach unten ein Glas Wein geleert hat.
Das Haus selbst ist über 650 Jahre alt und war jahrhundertelang ein Patrizierhaus, in dem altehrwürdige Zürcher Ratsgeschlechter wohnten, so etwa die Familien Hentscher, Blum, Studler und Widmer.
Seit Beginn des 17. Jahrhunderts bis in die 1890er-Jahre wurde in der Oepfelchammer eine Bäckerei betrieben. Es war denn auch ein Bäcker, Hans Kaspar Denzler, der 1801 das Pintenrecht auf der Liegenschaft erwarb, um Wein ausschenken zu dürfen. Die Oepfelchammer war damals und auch in den folgenden Jahrzehnten die Hochburg der Zürcher Liberalen (zu denen auch Gottfried Keller gehörte, aber...)
1859 übernahm Johann Kaspar Körner die Wirtschaft und betrieb diese bis zu seinem Tod im Jahr 1892. Körner – ein Pfarrerssohn – liebte es, über die Reformationsgeschichte zu debattieren und fand bei den in der Oepfelchammer zahlreich einkehrenden Studenten einen interessierten Zuhörerkreis.
Unter den Wirten der Oepfelchammer taten sich seit Ende des 19. Jahrhunderts auch Damen hervor, insbesondere Witwen. So behütete etwa von 1894 bis 1900 die bekannte Witwe Oehninger die Gaststätte. Zu den Professoren und Studenten, Handwerkern und liberal gesinnten Bürgern als Stammgästen gesellten sich nun auch immer mehr Künstler. Von 1906 bis 1927 prägte eine weitere Witwe die Oepfelchammer: die legendäre Gertrud Bütler. „Tante Trudy“ war es, die in den alten Raum eine altdeutsche Weinstube – das heutige Restaurant – einbaute. Spätestens mit ihr hielt auch die Freude am Musizieren Einzug.
Am 20. Oktober 1950 erwarb die Familie Baur-Keller das Haus zur Oepfelchammer und bewirtschaftete es erfolgreich bis 1959. Seitdem wurde das Lokal von verschiedenen Wirten geführt, zuletzt von Karin Henner, René Petzoldt und dem unvergessenen Chef de Service Boris.
Seit dem 1. Februar 2019 sind die drei Zürcher Thomas Trautweiler, Chris Gretener und Bendicht Stuber die Gastgeber der Oepfelchammer und sind die neuen Betreiber des traditionsreichen Hauses am Rindermarkt. Die ersten beiden sind ausgewiesene Zürcher Gastronomen, der dritte im Bunde – ein diplomierter Treuhänder – kümmert sich ums Kaufmännische. Das Haus hat unter der neuen Trias einen qualitativen Sprung nach vorn gemacht, ist bestens hergerichtet und glänzt durch perfekten Service.
Serviert werden in der „Öli“ typische und fast vergessene Gerichte aus Zürich: Wollishofer Chnödelsuppe, Reformationswurst mit Linsengemüse und Kartoffelschaum, Markbein mit Brösmeli, Zürichsee-Felchen oder das Zürcher Geschnetzelte, wahlweise wie im Original mit Nierli, Tatar vom Rind, Vitello Trotta (Forelle), Kalbskopf mit Vinaigrette, hausgemachte Ravioli, Spinatsalat mit Heidelbeeren und Walnüssen u.s.w.
Die Preise sind für Zürcher Verhältnisse nicht überteuert. Die meisten Hauptgerichte liegen immerhin unter 50 CHF. Freilich das ist kein preiswertes Lokal. Aber was ist in Zürich schon preiswert? Der ausgeschenkte Wein allerdings ist es. Er liegt in der Oepfelchammer mit 8,50 CHF um anderthalb CHF unter dem ortsüblichen Wein-Preis, allerdings pro dl.
Ein Besuch in der Oepfelchammer gehört zu jedem Zürich-Besuch!