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Photos: Oper Leipzig / Tom Schulze
Gespräch in MDR Figaro am Vormittag, 10.2.2014
Lindy Humes Triumph am Opernhaus Leipzig
mit Gaetano Donizettis „Don Pasquale“
Premiere 08.02.2014
Vorgestern abend hatte im Leipziger Opernhaus das „Dramma buffo“ in drei Akten, „Don Pasquale“ von Gaetano Donizetti Premiere. Die Australierin Lindy Hume hat es inszeniert, Anthony Bramall, stellvertretender GMD der Oper Leipzig, hat dirigiert. Unser Kritiker Dieter David Scholz war in der Premiere.
Moderator: Herr Scholz, Donizettis „Don Pasquale“ ist ja die klassische Opera buffa schlechtin, aber doch ein Stück mit doppeltem Boden. Hat Regisseurin Lindy Hume den sichtbar werden lassen in ihrer Inszenierung.
Also in dem Stück geht es ja um die – aus der Comedia dell´arte stammende - hinlänglich bekannte Geschichte einess alten Brautwerbers, der eine junge Frau - Norina - heiraten will. Sie ist aber eigentlich die Geliebte seines Neffen Ernesto. Also beschließte sie mithilfe des Freundes Dottore Malatesta den alten Don Pasquale auf dne Arm zu nehmen, indem sie ihn zum Schein heiratet und ihm dann das Leben zur Hölle macht, bis er freiwillig in die richtige Heirat des jungen Liebespaares einwilligt. Das Stück ist bei aller Komödiantik eine bitterböse, zynische Abrechnung der Jugend mit dem Alter. Das Happy Ende, das lieto fine, gilt ja eigentlich nur für das junge Paar. Der Alte geht leer aus, bleibt allein. Lindy Hume zeigt dieses turbulente Stück zwar in seiner ganzen Abgründigkeit, wie da ein alter Mann gefoppt und bis an den Rand des Selbstmordes gequält wird durch die raffiniert eingefädelte Intrige des jungen Liebespaares, aber sie gibt dem Stück dann am Ende, nachdem die grausame Lektion ihre Wirkung getan hat, eine sehr human temperierte, schöne Wendung, indem sie dem befreiten, aber doch tief verletzten, gekränkten und einsamen „Don Pasquale“ auch seinen „Summer of Love“ gönnt.
Moderator: Wie hat man sich das szenisch vorzustellen. Was erwartet den Zuschauer da auf der Bühne?
Lindy Hume ist keine Frau des sogenannten Regietheaters. Sie vertraut den Stücken, sie macht pralles, sinnliches, farbenfrohes Theater mit Poesie, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung. Und sie setzt ganz auf eine Optik, die ohne jede Erläuterung jedermann verständlich ist. Ich habe schon ein paar wunderbare Inszenierungen von ihr gesehen. Den „Don Pasquale“ zeigt sie auf einer Drehbühne. Man sieht eine Architektur des 18. Jahrhunderts, mal ist das ein Kaminzimmer im Breitwandformat, mal ein opulentes Schlafzimmer, mal eine Außen-wand der großbürgerlichen Villa, vor der der rausgeworfene Ernesto sein Zelt aufgeschlagen hat und seine Trompetenarie in Begleitung eines orientalisch gewandeten Musikers schmettern und schmachten darf. Liebevoll slapstickhaft, ironisch und virtuos geführt tänzeln, tippeln, schlurfen und schweben Gestalten des achtzehnten Jahrhunderts über diese Bühne. Durch die drei Akte hindurch werden sie im-mer mehr zu Figuren des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Geschichte ist ja auch zeitlos. Es wird aber auch ein bißchen gezaubert, Dottore Malatesta fliegt wie ein Deus ex machina im Lüster sitzend auf die Bühne. Es gibt diskrete Uhren-und Landschaftsprojektionen. Wände tun sich auf. Es passiert viel in dieser Inszenierung. Kompliment an den rumänischen Bühnen- und Kostümbildner Dan Potra. Der Clou der Aufführung ist dann das letzte Bild des dritten Aktes, das ganz als grellbuntes Flower-Power-Happening gezeigt wird. Die Gesetze der Handlungszeit sind aufgehoben. Der von seinem weiblichen Quälgeist befreite Don Pasquale raucht einen Joint, wirft sich einen Hip-pie-Fummel über. Eine Schöne aus dem Chor kränzt ihn mit Blumen. Er wiegt sich selig berauscht auf dem Dach eines VW Käfers in-mitten der schrägen anarchischen Peace und Love-Szenerie. Lindy Hume gönnt auch ihm sein Happy End. Eine sehr menschliche, sehr amüsante, eine brilliante wie kurzweilige Inszenierung, die vom Publikum bejubelt wurde, wie lange keine Aufführung mehr in Leipzig. Die Produktion dürfte der Renner der Saison werden.
Moderator: Nun lebt diese Opera buffa von vier Sängern. Wie Waren die auch so überzeugend wie die Inszenierung?
Ich habe lange nicht mehr so eine überzeugende Ensembleleistung in Leipzigs Opernhaus gehört. Vier fabelhafte Sänger. Die junge Russin Anna Virovlansky aus St. Petersburg singt und zwitschert eine exzellente Norina, der österreichische Bariton Mathias Hausmann, neues Ensemblemitglied der Oper Leipzig, ist nichr nur sängerisch, sondern auch schauspielerisch ein fabelhafter Strippenzieher und Dottore Malatesta, Der amerikanische Tenor Arthur Espiritu ist ein belcantisch versierter Ernesto und der portugiesische Bariton Jossé Fardilha ist als Titelfigur Don Pasquale einfach eine Wucht: Seele und Mittelpunkt der Aufführung, darstellerisch wie stimmlich. Wirklich ein Glücksfall, diese Aufführung, auch sängerisch!
Moderator: Bleibt noch die Frage nach dem Dirigenten. Italienische Oper war ja nie eine der Stärken der Oper Leipzig. Hat Anthony Bramall auch vom Pult aus das Glück dieser Aufführung komplettiert?
Auch wenn ihm, dem Briten, das, was man Italianità nennt, abgeht, Leichtigkeit und tänzerische Eleganz, so hat er den Laden doch ziemlich gut zusammengealten und für eine solide musikalische Aufführung gesorgt. Das Gewandhausorchester hat auf hohem Niveau gespielt, natürlich, wenn auch etwas zu deutsch und zu massiv für mein Dafürhalten. Man merkt, dass es mit italienischer Oper nicht wirklich vertraut ist. Aber nichtsdestotrotz ist dieser Leipziger „Don Pasquale“ eine Produktion, die man jedem Opernfreund nur empfehlen kann. Musiktheaterglück pur. Unbedingte sehenswert!