Henze Döhring Friedrich d. Gr. als Musiker

Sanssouci, Potsdam




Photos privat



Berliner

Staatsoper Unter den Linden


 „Musik als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“


Sabine Henze-Döhring:
Friedrich der Große. Musiker und Monarch
C.H. Beck Verlag. 2012, 261 Seiten, 18,95 Euro

 

Friedrich der Große, in der Kriegsführung so virtuos wie im Flötespiel, machte Preußen zu einer europäischen Großmacht und Berlin zu einem musikalischen Zentrum. Am 24. Januar 2012 jährt sich sein Geburtstag zum 300sten Mal. Die Marburger Musikwissenschaftlerin Sabine Henze-Döhring hat pünktlich zum Geburtstag ein Buch über den "Alten Fritz" herausgebracht: "Friedrich der Große. Musiker und Monarch“

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 1742 eröffnete Carl Heinrich Graun mit seiner Oper "Cleopatra e Cesare" die neuerbaute König-liche Hofoper Unter den Linden nur zwei Jahre nach Friedrichs Thronbesteigung. Damit hatte er Berlin zu einem musikalischen Zentrum von europaweiter Bedeutung gemacht. Seither blickt die Welt mit Erstaunen und mit Bewun­derung auf den "Alten Fritz", der Musik als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln praktizierte. Sabine Henze Döhring stellt denn auch mit bienenfleißig zusammengetragenen Details (die indes zum großen Teil schon andernorts - etwa bei Louis Schneider- zu lesen waren) den Aufstieg Preußens zur Musikmetropole dar. Wie der Kronprinz sich vor der drakonischen Zucht durch seinen Vater in seine musischen, vor allem musikalischen Anlagen rettete. Wie er 15-jährig bei einem Staatsbesuch im Dresden Augusts des Starken den Glanz der Dresdner Hofmusik erlebte, der ihn zu Künftigem inspirierte. Vor allem Johann Adolf Hasse beeindruckte ihn außerordentlich.


Schon für seine Hofkapellen in Ruppin und Rheinsberg engagierte der Kronprinz Friedrich Dresd-ner Musiker und schuf sich sein glückhaft-jugendliches Musik-Arkadien. Henze Döhring beschreibt das, trotz ihres nüchtern trockenen Stils recht anrührend. Es sind die besten Kapitel in ihrem Bauch. In Berlin und in Potsdam inszenierte Friedrich der König dann große Oper und zelebrierte musikalische Hofhaltung im Sinne von Propaganda und Diplomatie. Aus Dresden warb er - auch wenn es ihm in Falle Hasses nicht gelang - so prominente Kapellmusiker wie Johann Gottlieb Graun, Franz Benda und Johann Joachim Quantz ab. Sabine Henze Döhring stellt das alles sehr präzise dar, zählt Persönlichkeiten und Ereignisse auf, zitiert Gehaltslisten sowie Kom-positionsverzeichnisse und wartet mit Unmengen von Zahlen und Namen auf. Sie bricht mit positivistischem Sammeleifer eine Lanze für Friedrich als Förderer der Musen, nicht nur der Opera seria, sondern gerade auch der Opera buffa. Und beschreibt ihn als hochmusikalischen, professionellen Impresario, der aus ganz Europa Star-Kastraten und Sänger engagierte, zu horren-den Gagen, die er aus der eigenen Tasche bezahlt. Schön und gut. Doch es gibt auch eine Rück-seite dieses sich selbst musikalisch inszenierenden Preußen.


Schon zu Lebzeiten Friedrichs der Großen waren seine allabendlichen Flöten-Konzerte in seiner Potsdamer Residenz Legende. Adolph von Menzel hat sie Mitte des 19. Jahrhunderts gemalt. Sein Gemälde zementierte endgültig das bis heute vorherrschende Bild Friedrichs als Musiker. Es ziert denn auch den Schutzumschlag des Buches von Sabine Henze-Döhring. Aber schon 1772 hatte sich der englische Musikgelehrte  Charles Burney aufgemacht, das Musikleben von Berlin und Potsdam genauer unter die Lupe zu nehmen und stellte in seinem aufschlussreichen "Tagebuch einer musikalischen Rei­se", bis heute eine der wichtigsten Quellen der Musikgeschichtsschreibung des 18. Jahrhunderts,  Friedrich den Großen sehr kritisch dar. Er hebt zwar die Präzision, die tiefe Empfindungs- und Ausdrucksfähigkeit des Flöte spielenden Königs hervor: "sein Spiel übertraf in manchen Punkten alles, was ich bisher unter Liebhabern, oder selbst Flötisten von Profession ge-hört habe", so liest man. Doch er verkniff sich auch nicht, dem preußischen Monarchen und sei-nem Lieblingskomponisten Quantz einen hoffnungslos veralteten Musikgeschmack zu attestieren: Längst war ja außerhalb von Potsdams Sanssouci die Musik zu neuen Ufern aufgebrochen.


Dass Friedrich der Große spätestens nach dem Siebenjährigen Krieg so fortschrittliche Er­schei-nungen wie Gluck, Haydn und Mozart nicht einmal wahrnahm, dass  er den Anschluss an die neuste musikalische Entwicklung verpasst hatte, seine Opern-Stars mit seinen  Ein­mischungen in musikalische Detailfragen vergraulte und vom fortschrittlichen, jugendlichen Musikenthusiasten zum alten, weltfernen Musikreaktionär und Musikdespoten mutiert war, und selbst das intellek-tuell aufregende, bürgerliche Musikleben Berlins ignorierte, davon liest man kaum etwas in dem Buch der Musikwissenschaftlerin. So sehr Friedrich  die Musik im Innersten geliebt haben mag, wie Sabine Henze-Döhring nicht müde wird, mit Briefen Fried­richs an seine Lieblingsschwester Wilhelmine zu belegen, so abschätzig und herablassend be­handelte er sie letztendlich, selbst den Großen Johann Sebastian Bach, der für ihn  schließlich das "Musikalische Opfer" komponierte.

Innovative Musiker wie Carl Philip Emanuel Bach oder Carl Friedrich Christian Fasch, den Grün-der der Berliner Singakademie, zu schweigen von seinem letzten Hofkapellmeister der Oper, Johann Friedrich Reichardt waren König Friedrich suspekt. Er behinderte sie eher, als dass er sie förderte. Auch davon liest man kaum etwas in dem Buch Sabine Henze-Döhrings.


Bei allem anerkennenswerten Fleiß ihrer Materialausbreitung und Quellen­auswertung: sie recher-chierte etwas einseitig. Ihre Haltung scheintt distanzlose Bewunderung zu sein. Den Mut, die längst überfällige, dialektisch-differenzierte, kritische Darstellung des umstrittenen Musi­kermo-narchen Friedrich zu schreiben, hatte sie nicht. Schade. Auf dieses Buch muss man also weiterhin warten. Hoffentlich nicht bis zum nächsten runden Gedenktag.

 

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