Franz Liszt-Museum Bayreuth

 

Foto Lorenzo Moscia


Späte Bayreuther Wiedergutmachung an Liszt

Eröffnung des Franz-Liszt-Museums in Bayreuth am 22. 10. 1993

 

Als späte Wiedergutmachung an Franz Liszt, dem wohl größten Klaviervirtuosen des 19. Jahrhunderts, man darf ohne Übertreibung von einer Weltberühmtheit  sprechen (ausserdem war er einer der menschlichsten und selbstlosesten Künstler, das ganze Gegenbild zum immer egoistischen Richard Wagner), darf die Eröffnung eines Liszt-Museums in Bayreuth, aus Anlass des 182. Geburtstag des Komponisten, mit Fug und Recht bezeichnet werden. Bis heute wurde (und wird) sein Name in Bayreuth - trotz zahlreicher Ehrungsveranstaltungen - ganz im Schatten Richard Wagners gehalten. Eigentlich seit seinem Tod am 31. Juli 1886 in aller Abgeschiedenheit und Unbeachtetheit. Cosima - die Wagner-Gattin und Tochter Franz Liszts - hatte seinerzeit ja - um die Wagner Festspiele nicht zu stören - den Tod ihres Vaters zunächst geheim gehalten.


Die genauen, skandalösen und erschütternden Tatsachen seines durch Cosima veranlassten grausamen Sterbens in Einsamkeit und Schmerzen sind inwischen publiziert in Publikationen von Ernst Burger und Lina Schmalhausens Tagebuch über Liszts letzte Tage anlässlich des Liszt-Gedenkjahre 2011, siehe meine Liszt-Bücherlese aus diesem Anlass hier)


Erst am 3. August wurde er - eher im kleinen Rahmen - auf dem Stadtfriedhof begraben. Wenn man will, kann man den Umgang mit seinem Tod als bezeichnend für den Umgang mit Franz Liszt in Bayreuth nennen.  Jetzt endlich hat man ihm einen seinem Rang und seiner Bedeutung für Richard Wagner und damit auch für Bayreuth angemessenen Ort der Erinnerung und des Angedenkens geschaffen.


Man sollte nicht vergessen, dass ohne die lebenslange Freundschaft Liszts (seine selbstlose propagandistische wie kollegiale und menschliche Unterstützung, aber auch großzügige wie tatkräftige finanzielle Hilfe) wäre Wagner nie zu dem geworden wäre, was er schließlich wurde. Wagner wußte es übriges zu schäzten und auch öffentlich vor Publikum zu würdigen am Ende seiner "Ring"-Erstaufführung in Bayreuth. Es ist nur recht und billig, dass man diesem ersten großen Wagner-Mäzen ein angemessenes Denkmal in Bayreuth errichtet hat.


Glücklicherweise ist es der Stadt Bayreuth nach langjährigen Bemühungen gelungen, das Haus, in dem Liszt während der Festspiele zu wohnen pflegte und in dem er auch gestorben ist, als Museumsort zu gewinnen und zu erhalten. Es liegt unmittelbar neben der Villa Wahnfried, also dem Richard-Wagner-Museum. Die gesamte Etage, die Liszt bewohnte - eine Wohnung von etwa 140 qm Fläche, hat man ausgebaut zu einem kleinen, aber feinen, so informativen wie attraktiven Museum. Es stellt gewissermaßen das Sahne-Häubchen auf der bisherigen Trias der Bayreuther Museen, die dem Andenken Richard Wagners, Jean Pauls und der Freimaurer gewidmet sind, dar.


An Originalausstattung der Lisztschen Wohnung ist leider nichts mehr erhalten. Um Liszts authentisches Ambiente zu sehen, muss man schon nach Weimar fahren. Dennoch hat man in Bayreuth Kosten und Aufwand nicht gescheut, die Wohnung zu einem sowohl praktischen wie ästhetischen, museumspädagogischen wie -didaktischen Ansprüchen genügenden Refugium herzurichten. 500.000 DM brachte die Stadt auf, zuzüglich noch einmal 300.000 DM an staatlichen Zuschüssen. Eine Investition, die der Stadt gut ansteht und die sich sicher rasch amortisiert angesichts der zahlreichen Wagner-Touristen, von denen künftig ein Großteil auch zu Franz Liszt pilgern dürfte.


Um gerade dem unvorbelasteten Besucher ein möglichst umfassendes Bild von Franz Liszt zu vermitteln, hat man die fünf Räume der Wohnung chronologisch angelegt. Kindheit, Jugend, Paris, Genf, Wanderjahre, Virtuosenjahre und Hofkapellmeisterzeit in Weimar sind die ersten Etappen, dann folgen die Kapitel der großen Geliebten Liszts, Gräfin d´Agoult und Fürstin Wittgenstein, die Lebensstationen Rom, Weimar, Budapest. Schließlich wird in Liszts Sterbezimmer sein Tod in Bayreuth dokumentiert. Aber auch das Verhältnis Liszts zu Wagner, zu seinen Schülern und Freunden wird schlaglichtartig beleuchtet.


Mit viel Geschmack und diskreter Präsentation hat man die mehr als 300 Exponate der Ausstellung in Vitrinen ausgelegt, auf graublaue Stoffwände gehängt oder auf den hell abgezogenen Dielen der Wohnung aufgestellt. Der Kernbestand des Museums ist eine bisher weitgehend unbekannte Liszt-Sammlung des Münchner Pianisten Ernst Burger, den die Stadt 1988 erworben hat. Ergänzt wird die Kollektion durch Leihgaben der Richard Wagner-Gedenkstätte, des Nationalarchivs der Richard-Wagner-Stiftung und durch Geschenke des Geburtsortes Franz Liszts, der Gemeinde Raiding im Burgenland.


Zwischen den vielen ausgewählten Stichen und historischen Photographien, zum Teil vom berühmten Münchner Hofphotographen Hanfstaengl, der ja auch Wagner und Ludwig II. fotografierte, sind die Highlights des Museums bedeutende Porträts in Öl und Kreide, etwa von Lenbach, Thaddeus und Charles Maréchal, die schöne Liszt-Lithographie von Kniehuber und die berühmte Ingres-Zeichnung des jungen Liszt, um nur die bedeutendsten zu nennen. Ein weiteres Prunkstück der Ausstellung ist natürlich das stumme Klavier Franz Liszts, das er auf seinen vielen Reisen immer bei sich führte. Aber auch der große Ibach-Flügel, auf dem er oft gespielt hat, ist im Virtuosenzimmer ausgestellt, er stand vorher in Wahnfried. Demnächst soll ein klingendes Hi-Fi-Museum mit Liszt-Tondokumenten installiert werden, ähnlich dem, das bereits nebenan bei Wagners existiert. Natürlich fehlt es nicht an persönlichen Erinnerungen und an Devotionalien, so etwa sind Haare vom Totenbett des Komponisten zu sehen, sein Taktstock ist ausgestellt, ein Kartenspiel Liszts hat sich erhalten. Seine Totenmaske ist als Abguss vorhanden, ebenso ein Abguss des Taufbeckens aus der Kirche, in der Liszt getauft wurde. Es gibt sogar einen Bronzeabguss der Hand Marie d´Agoults, der ersten großen Geliebten Liszts, der Mutter von Cosima Wagner.


Für Wagnerianer also - aber nicht nur für sie - ist der Besuch dieses neuen Museums ein Muss, auch wenn es in seiner vergleichsweisen eher bescheidenen Dimension, was die Fülle und Außergewöhnlichkeit der Exponate anbetrifft, mit dem Wagner-Museum in der benachbarten Villa Wahnfried nicht konkurrieren kann.

 

 

Bericht für die Potsdamer Neueste Nachrichten am 22. 10. 93