Chartier und Pharamond

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Das Bouillon Chartier


Wir meinen mit dem Ausdruck „Bouillon“ eine klare Fleischbrühe. In Paris versteht man unter dem Wort aber auch einen ganz bestimmten Restaurant-Typ. Weder Restaurant, noch Brasserie oder Bistro. Suppenküchen könnte man sagen. Zwei von Ihnen gehören zu meinen Lieblingslokalen in Paris: das "Chartier" und das "Pharamond".


Die Bouillons haben ihren Ursprung im Paris der 1860er Jahre. Ein Metzger namens Duval begann damals kräftige Brühen für die Arbeiter aufzutischen, die mittags in seinem Laden im Viertel Les Halles aßen. Das neuartige Konzept wurde ein Erfolg, denn es war die günstigste Möglichkeit, an eine warme Mahlzeit zu kommen. Des Metzgers Sohn baute diese Idee aus, und erweiterte das Angebot um traditionelle Hausmannskost, immer zu Preisen, die auch der kleine Arbeiter zahlen konnte. Das machte Schule.


Es fanden sich schnell Nachahmer. Und so bekam der Metzgerssohn Duval Junior schnell Konkurrenz, unter anderem von den Brüdern Chartier, die 1896 in der Rue du Faubourg de Montmartre das Bouillon Chartier eröffneten. Gegründet wurde das „Chartier“ von den Geschwistern Frédéric und Camille Chartier (1845–1926), nachdem die Familie bereits 1895 ein Restaurant in der Rue du Temple eröffnet hatte.
Bis vor ein paar Jahren waren die Pariser Bouillons vom Aussterben bedroht.Ein Bouillon nach dem anderen verschwand von der Bildfläche, nur eine Handvoll hielt sich tapfer. Bis heute dabei: Das berühmteste Bouillon, es ist seit 1989 denkmalgeschützt und ein „monument historique.


Die Inneneinrichtung des „Chartier“ ist weitgehen Art déco und hat sich seit der Eröffnung nicht wesentlich verändert. Der riesige Raum wirkt wie ein Bahnhofswartesaal mit einer großen Uhr an einer Wand. Eine gläserne Decke gibt Licht. Viele Spiegel vergrößern scheinbar den Saal. Die marmornen Wände sind bis auf halbe Höhe holzvertäfelt. Hängelampen mit weißen Kugeln Ablagen für die Garderobe zwischen den Tischreihen sind aus poliertem Kupfer bzw. Messing.


Das Bouillon hat jeden Tag geöffnet. Die Kellner (sehr viele) sind elegant gekleidet, im Prinzip, manchmal sind sie angeschmuddelt und befleckt, sie bedienen in langer weißer Schürze, schwarzer Weste und schwarzer Fliege auf weißem Hemd. Die Rechnung wird origineller Weise direkt auf die Papiertischdecke geschrieben. Das „Chartier“ istauch deshalb eine Institution, weil die Pariser aus dem "Quartier" dem Lokal die Treue halten und hier oft mittags Ihren "Mittagstisch" mit Kollegen oder Geschäftsfreunden einnehmen.Aber auch einfache, um nicht zu sagen arme Leute verkehren dort. Schon weil es (für Paris) sensationell preiswerte Speisen (39 an der Zahl) gibt, keine grand cuisine, eher bodenständige Hausmannskost! 


Es gibt vorwiegend Vierertische. Man wir als Gast einfach dazugesetzt, wenn Plätze frei sind. Es gibt keine Menus im klassischen Pariser Sinne. Der Gast stellt sich sein Menü selbst zusammen.Die Speisekarte ist groß und weitgehend standardisiert, die Gerichte sind vorbereitet und werden warmgehalten. Daher wartet man auf sein Gericht auch kaum länger als zehn Minuten. Wenn auch das Essen zuweilen an Frische, Aromen und Gewürzen zu wünschen übriglässt: Der Wein, der offene Wein wie der in halben oder ganzen Flaschen erhältliche, lässt sich trinken!


Wie gesagt: Kein Gourmandlokal, aber die Atmosphäre, (preiswerte) Authentizität und Volkstümlichkeit!



Das Petit Bouillon Pharamond.


Das "Pharamond" - ein weiteres Urgestein der Pariser Bouillons - wurde 1832 von Pierre Heutte, dem Großvater von Alexandre Pharamond, eröffnet, der damals den Parisern die normannische Küche und insbesondere Kutteln nach Caener Art näherbringen wollte.: Clémenceau, Oscar Wilde, Hemingway und Mitterrand waren Stammgäste.


Inzwischen hat das Restaurant den Besitzer gewechselt. Es hat jedoch seinen normannischen Stil mit Fachwerk beibehalten. Im Inneren ist die Dekoration als historisches Erbe eingestuft. Im Obergeschoss gibt es 4 elegante Salons, draußen empfängt eine Terrasse mit 55 Plätzen.
Seit einigen Jahren erleben die Bouillons in Paris eine Renaissance. Die preiswerten Gerichte, die der Franzose noch von Omas Küchentisch kennt, sind beliebt wie nie zuvor. Und so sind in den letzten Jahren wieder mehr Bouillons in Paris hinzugekommen.


Am bekanntesten ist - wie gesagt - das „Chartier“. Es wird in allen Reiseführern empfohlen, Schlangestehen ist, zumal in Stoßzeiten, selbstverständlich. Wer darauf keine Lust hat und ohnehin ein weniger touristisches Bouillon besuchen möchte, geht zum "Petit Bouillon Pharamond".
Wer ohne Wartezeit in einem Bouillon speisen möchte, sollte übrigens zu untypischen Zeiten essen gehen, am besten nachmittags – nach 16 Uhr. Mittags, und auch abends werden die Bouillons von Einheimischen und Touristen regelrecht überrannt.


Auch das "Pharamond" ist mehr als preiswert! Auf der Karte stehen heute übrigens schlichte traditionelle Gerichte zu extrem niedrigen Preisen. Im Petit Bouillon Pharamond bekommt man zum Beispiel als Hauptgang ein Steak mit Zwiebelsauce und Pommes Frites für 9,90 Euro. Eine Crème Brûlée zum Dessert schlägt mit grade mal 3,50 Euro zu Buche. Die Vorspeisen bewegen sich zwischen 1,90€ für sehr gut gemachte Mimosen-Eier und 7,90€ für eine schöne Scheibe Foie Gras mit Zwiebelkompott. Es gibt aber auch Avocadomousse und Garnelen in Cocktailsauce (4,80€) oder eine Scheibe Pastete in Kruste (4,50€), Lauch mit Vinaigrette (3,30€), Heringsfilet in Öl (4,40€), gebratenen Camembert mit Honig (6,90€), Schnecken aus Burgund (6,90€) oder Erbsencremesuppe mit Minze und Haselnussöl (5,50€).  Klassiker der Pariser Bouillons sind Boeuf Bourguignon und Muscheln (10,20€), Rindertartar mit Pommes frites (10,50€), geschmorter Schinken und Püree (9€), Brandade de Haddock - eine Püréespeise aus Fisch und Zutaten - (9,90€), die berühmten Kutteln nach Caener Art (8,80€) oder Andouillette – eine Wurst -, mit Senfsauce und Pommes frites (8,80€). An Desserts sind zu empfehlen mit Calvados aromatisierten Paris-Caen (5€) und die Tarte Tartin – eine Apfeltarte- (4,50€).


Wenn man in Paris ist: Nichts wie hin!