Neues über Moniuzsko

„Wenn jemand so dumm ist, dass er sich nach dem Tode Chopins mit mir tröstet, so ist dies nicht meine Schuld. Ich habe mich nie mit irgendeiner europäischen Berühmt-heit gleichge­stellt, und schon gar nicht mit Chopin, den ich über alles verehre.“ (Stanisław Moniuszko

Die neue, wegweisende Biografie von Rüdiger Ritter über  Stanisław Moniuszko


„Der Tröster der Nation“
Stanisław Moniuszko wurde vor 200 Jahren geboren

 

Stanisław Moniuszko wurde immer wieder mit seinem neun Jahre älteren und berühm­teren Landsmann Frederic Chopin verglichen, auch wenn er später selbst  dagegen Ein-spruch erhob: „Wenn jemand so dumm ist, dass er sich nach dem Tode Chopins mit mir tröstet, so ist dies nicht meine Schuld. Ich habe mich nie mit irgendeiner europäischen Berühmtheit gleichge­stellt, und schon gar nicht mit Chopin, den ich über alles vereh-re.“  Wenn Rüdiger Ritter   Stanisław Moniuszko in seinem soeben erschienenen Buch einen „Tröster der Nation“ nennt, so hat er mit Blick auf die geschichtliche Situation Polens zu seiner Zeit gute Gründe dafür: „Das einst mächtige und ausgedehnte König-reich Polen war im Laufe des l8. Jahr­hunderts so ohnmächtig geworden, dass die Nach-barstaaten Russland, Preußen und Österreich es in den drei Polnischen Teilungen von l772, 1793 und l795 Zug um Zug unter sich aufteilten. Nach den napoleonischen Krie-gen wurde die frühere Adelsrepublik als »Kongress-Polen« zwar wiederbelebt, aber nur als ein territorial reduziertes Königreich, das in Personalunion vom russischen Zaren mitregiert wurde. Das Fehlen nationaler Souveränität und Freiheit führte, angespornt durch die Pariser Juli-Revolution und den Aufstand in Brüssel, im November l830 zu einer nationalen Erhebung, die im September des folgenden Jahres mit der Besetzung Warschaus durch russische Truppen erstickt wurde. Der 21 jährige Chopin, auf dem Weg nach Paris, schrieb damals unter dem Eindruck dieses Ereignisses in Stuttgart wohl seine  Revolutionsetüde. Moniuszko erlebte die Niederschlagung des Aufstands als Zwölf­jähriger an Ort und Stelle mit. Er war auch Zeuge der vielen kleineren und größeren Unruhen, die in den Folgenden Jahren das Land erschütterten und sich nicht nur gegen die Besatzer richteten, sondern ebenso gegen den oft brutal feudalistischen Herrschaftsstil des polnischen Adels, der zu einem nicht geringen Teil mit  den Russen kooperierte.“   (Ingo Harden)


Diese historische Situation war die Stunde der Oper „Halka“. Stanisław Moniuszkos  Vertonung von  Wlodzimierz Wolskis Geschichte der Halka, eines jungen Bauern-mädchens, das einen Adligen liebt, von ihm schwanger wird, sich aber ver­zweifelt ertränkt, als ihr Geliebter sie hintergeht und eine standesgemäße Ehe eingeht, war höchst aktuell. Das Werk wurde zusätzlich aktualisiert dadurch, dass zwar die Hand-lung auf die Zeit um l700 zurückverlegt wurde, jedoch im Unterschied zur ursprünglichen Erzählung im unruhigen galizischen Teil Polens, unter den Goralen (eine an der polnisch-slowakischen Grenze und der polnisch-tschechischen Grenze lebende westsla-wische Ethnie) spielt, was dem Werk zusätzliches Konfliktpotential gab. Moniuszko hatte die Oper mit 29 Jahren vollendet. Sie wurde allerdings erst zehn Jahre zehn Jahre später  in Warschau triumphal uraufgeführt.


Was Carl Maria von Webers „Freischütz“ für die Deutschen, Glinkas „Iwan Sussanin“ für die Russen, Erkels „Bánk bán in Ungarn  und Smetanas „Verkaufte Braut“  für die Tschechen, war „Halka“ für die Polen: eine Nationaloper.  Der preußische Hofpianist Hans von Bülow schrieb damals „Man kann der polnischen Nation mit gutem Fug zu ihrem gegenwärtigen Liebling gratulieren“. Moniuszkos Oper wurde gefeiert als eine Werk, dessen „künstlerischer Wert alles überragt, was wir bisher in unserer nationalen Musik besessen haben“, wie ein Zeitgenosse schrieb, der Komponist galt fortan als Nationalkomponist.

 

Moniuszko wurde  am 5. Mai 1819 in Ubiel im Gouvernement Minsk (heute Weißruss-land) als Sohn eines Gutsbe­sitzers geboren. Er hatte seinen ersten Musikunterricht erhalten, als die Familie 1827 für kurze Zeit nach Warschau übersiedelte, Später setzte er seine Ausbildung in Minsk fort und fuhr 1837 nach Berlin zu Carl Friedrich Rung-enhagen, dem damaligen Leiter der Singakademie, um bei ihm Komposition zu studie-ren.  1840 kehrte Moniuszko nach Polen zurück, nahm eine Stellung als Organist  an der St. Jan-Kirche im litauischen Wilna an, gab Klavierstunden und bemühte sich, durch die Komposition von Liedern, Kammermusik, einer Messe und kleinen Bühnen-werken einen Namen zu bekommen. Die Oper „Halka“ machte ihn auf einen Schlag berühmt. Noch im Jahr der Urauf­führung wurde ihm die Leitung der War­schauer Oper übertragen. Moniuszko komponierte noch einige weitere Opern, etwa „Der Flößer“, „Die Gräfin“ oder „Das Gespensterschloß“, doch die Popularität der „Halka“, die im Gegensatz zu seinen anderen Werken auch im Ausland nachgespielt wurde,  erreichte keines seiner anderen Werke.

 

Neben  zehn vollendeten (und weiteren vier unvollendeten) Opern schrieb  Moniuszko noch neun Operetten, darunter „Die Lotterie“ und „der neue Don Quixote“, vier Bal-lettmusiken, darunter eine Einlage für Otto Nicolais „Lustige  Weiber von Windsor“, sechs Musiken fürs Theater, unter anderem für Shakespeares „Hamlet“ und  Schillers „Die Räuber“. Aber auch sieben weltliche Kantaten, eine ganze Reihe geistlicher Werk und mehr als 300 Lieder hat er hinterlassen, sowie Ouvertüren, Kammermusik, Orgel- und Klavierwerke (Mazurken, Polkas, Polonaisen und Walzer), last but not least Sin-fonisches, darunter eine Kriegsouvertüre und eine Staatsbürgerliche Polonaise.

 

Sein melodischer Einfallsreichtum, eine ausgeprägte Begabung, für Stimmen schreiben zu können, aber auch die Verwendung folkloristischen Musikguts, traditioneller polni-scher Volks- und Tanzmusik zeichnen Moniuszkos Werk aus. Er selbst schrieb einmal: „Ich schaffe nichts Neues. Ich wandere durch das polnische Land und lasse mich vom Geist der Volks­lieder inspirieren. Die liegen allen meinen Werken zugrunde“. Tatsächlich klingt seine  von polni-schem Lokalkolorit geprägte Musik authentischer, wenn auch konven­tioneller als etwa die großen, raffinierten Polonaisen und Mazurken, die Chopin in den Dreißi­gerjahren in Frankreich komponiert hatte. Aber Chopin hatte keine Opern geschrieben. Mit „Halka erfüllte Moniuszko  die Erwartungen  des polnischen Publikums an eine Oper in Zeiten nationaler Uneinigkeit, ja Zerrissenheit. Es gelang ihm, „die gegensätzlichen Lager in diesem Diskurs ein ganzes Stück weit in der Idee des Nationalen zu versöhnen. Halka wurde dadurch schnell zu  einem Symbol  nationaler polnischer Einigkeit.“ (Rüdiger Ritter) 

 

Buchtipp: Neuerscheinung „Rüdiger Ritter: Der Tröster der Nation“. Stanisław Moniuszko und seine Musik“. Harassowitz Verlag 256 S., 22,90 Euro

 

Besprechung des Buches in SWR 2

Artikel auch in Freie Presse