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Photo: Rossini Opera Festival Pesaro
G. Rossini: "Ciro in Babilonia"
Eine Sternstunde
Pesaro 2012
Zum dreiunddreissigsten Male findet an der italienischen Adria-Küste, in Pesaro, dem Geburts-ort Rossinis, das „Rossini-Opera-Festival“ statt. Es ist das Mekka aller Rossini-Pilger vom 10. bis zum 23. August. Rossini-Freunde aus aller Welt sind wieder angereist, um das ausschließlich Rossini verpflichtete Programm zu erleben.
Aller Augen und Ohren richteten sich zu Beginn des diesjährigen Rossini Opera Festivals in Pesaro auf die Oper "Ciro in Babilonia", die dort zum ersten Mal aufgeführt wurde, wo man in dreiunddreißig Spielzeiten nun fast alle an die 50 Bühnenwerke Rossinis - bis auf ein noch ausstehendes Stück ("Aureliano in Palmira") - auf die Bühne gebracht hat . Die jüngste Aus-grabung ist eine Oper, die Rossini als Auftragswerk für Ferrara 1812 komponierte, für die "Quaresima", also die Fastenzeit, in der man weltliche Oper nicht aufführen durfte und deshalb die Oper als szenisches Oratorium deklarierte. Man baute um eine große biblische Episode herum eine Handlung, die allerdings alle opernspezifischen Ingredienzien aufweist. Der 20-jährig Rossini, der schon mit komischen und halbkomischen Werken von sich Reden gemacht hatte, gab er mit "Ciro in Babilonia" seinen vielversprechenden, auf seine späteren Erfolgs-stücke vorausweisenden Einstand auf der Bühne der ernsten Oper, der Opera Seria.
Im Mittelpunkt des "Ciro in Babilonia" steht die unverbrüchliche Liebe des persischen Königs Kyros zu seiner Gattin Amira. Nachdem der babylonische König Belsazar Kyros besiegt hat, begehrt er dessen Gattin zur Frau. Die Eingekerkerte bleibt aber standhaft bis zum Tod. Und wird am Ende vom Gott, der den Persern zur Überwältigung der Babylonier verhilft, mit dem Leben belohnt und mit Kyros wieder vereint. Eine Partie, wie gemacht für die polnische Sänge-rin Ewa Podles, die große und konkurrenzlose, weil nach Marilyn Horne einzige wirkliche Rossini-Kontraaltistin.
Dass die Neuproduktion des "Ciro in Babilonia" im schönen alten Teatro Rossini zu einer Sternstunde wurde, verdankt sich nicht nur der fulminanten Gesangskunst von Ewa Podles und eines um sie herum gruppierten hochkarätigen Sängerensembles (Michael Spyres, Jessica Pratt, Carmen Romeau, Mirco Palazzi, Robert McPherson, Raffaele Costantini) sowie des sehr ani-miert spielenden Orchesters des Teatro Comunale di Bologna unter Will Crutchfield. Auch die Inszenierung des Regisseurs Davide Livermore mit ihrer beeindruckenden Kreuzung von Kinosaal und Opernhaus in schwarzweisser Stummfilmästhetik der 20er-Jahre und mit den artdecohaften, hollywoodreifen Kostümen von Gianluca Falaschi wurde zum umjubelten Pu-blikumserfolg. Ein ironisch gebrochenes Schauvergnügen als dreidimensionale, von den Video-Designern D-WOK perfekt animierte Projektion. Ein Wunder an optischer Täuschung und kostensparend! Was wichtiger denn je ist in Pesaro. Denn der hochbetagte künstlerische Direktor des Festivals von Anbeginn, Alberto Zedda, beklagt, wie sehr auch in Pesaro an der Kultur gespart wird.
"Früher konnten wir mit prunkvollen Bühnenbildern aufwarten. Heute verfügen wir aber nur noch über die Hälfte der Summe, die uns noch vor 7 Jahren zur Verfügung stand. Deshalb müssen wir heute versuchen, sie durch kostengünstige Ideen zu ersetzen." (Zedda)
Aus eben diesem Sparzwang gibt es in diesem Jahr neben "Ciro in Babilonia" nur noch eine Neuproduktion der Farca "Il Signor Bruschino", man gibt konzertant Rossinis "Tancredi" allerdings in erstklassiger Besetzung und man zeigt noch einmal die erfolgreiche Produktion der Oper, "Mathilde di Shabran" mit der aufstrebenden Sopranistein Olga Peretyatko und Rossini-Startenor Juan Diego-Florez, der übrigens in Pesaro einst seine Weltlkarriere begann.
Auch wenn das Rossini Opera Festival in seiner dreiunddreissigsten Saison mehr denn je unter finanziellen Problemen leidet, kann es doch in 13 Tagen immerhin 31 Veranstaltungen anbieten: Lesungen, Einführungen, Konzerte und Opernaufführungen. Das Paradoxe: Obwohl der Etat schrumpft, wächst das Publikumsinteresse. Weil das Festival unverwechselbar ist und man in Pesaro eben den "ganzen" Rossini geboten bekommt, und sonst nichts, und das auf höchstem Niveau.
"In dem Moment, in dem wir an der Qualität Abstriche machen müssen, schließen wir. Wir wollen nicht unter ein gewisses Niveau absinken. Dekorationen können einfacher werden, aber musikalisch halten wir an unserem Niveau fest, ja wir steigern es sogar, da wir heute viel leichter als früher wundervolle Rossinisänger finden." (Zedda)
In der Accademia Rossiniana, einer beispiellosen Karriereschmiede des Belcanto, zieht Alberto Zedda sich seinen sängerischen Nachwuchs heran. Die Accademia präsentiert sich mit einer eigenen szenischen Opernproduktion von "Il viaggio a Reims".
"Die Accademia öffnet dem Talentierten eine Tür. Wenn sich in der Accademia ein Sänger-talent bestätigt, und beim Publikum ankommt, findet man diesen Sänger oftmals schon im nächsten Jahr im Hauptfestifal" " (Zedda)
Auch wenn der Adriastrand am Geburtstort Rossinis in diesem Jahr aufgrund der auch bei den Touristen spürbaren Finanzkrise leerer, dabei die Hitze extremer als sonst ist: Die Reise zum Rossini-Festival hat sich auch in diesem Jahr wieder gelohnt. Und das unverwechselbare Festival beweist auch 2012, dass es weltweit die Nummer Eins in Sachen Rossini ist.
Verschiedene Beiträge in DLF, MDR, Schott (Das Orchester)
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