Musik-Theater & mehr
Überschätzt, langweilig, deutschtümelnd, fragwürdig besetzt, ohne Glanz
Richard Wagner. Die Meistersinger von Nürnberg
Staatskapelle Dresden. Christian Thielemann
Unitel Profil PH 20059
Natürlich spielt die Sächsische Staatskapelle wunderbar, die „Wunderharfe“ Richard Wagners. Aber in der extrem langsamen und dynamisch unausgewogenen Lesart Christian Thielemanns, die Klangbalance und musikalischen Dramaturgie vernachlässigt, gerät das herrliche Werk dröge, ja langweilig. Wer die umstrittene Inszenierung sah, weiß, wovon ich rede. Weder Spannung, noch Esprit, Vitalität noch Launigkeit kann man Thielemanns Lesart bescheinigen. Wehmütig denkt man an die Aufnahmen Rafael Kubeliks, Silvio Varvisos, Joseph Keilberths oder Fritz Buschs, ganz zu schweigen von der im Gegensatz zur damals in Deutschland vorherrschenden Lesart gänzlich unteutonischen Salzburger Aufführung Arturo Toscaninis 1937, die ja als Mitschnitt erhältlich ist.
Schwerfällig, pathetisch, ernst und „deutsch“ hören sich die „Meistersinger“ Thielemanns dagegen an. Streckenweise spielen die Streicher fast unhörbar leise, dafür sind die Bläser und das Holz fast immer viel zu laut. In der Festwiese und beim Wach auf-Chor ist er dann in seinem musikantischen Element. Die Chöre überzeugen durchweg. Die meisten Solo-Gesangspartien sind allerdings zu leicht besetzt. Jacquelyn Wagner als Eva ist streckenweise gar nicht zu hören, kommt oft nicht übers Orchester. Nur im Quintett beweist sie, dass sie sehr nobel singen kann. Aber Sie hat – mit Verlaub gesagt - eine zu kleine Stimme sowohl für das Dresdner, wie das Salzburger Haus dieser Koproduktion. Auch ihre Wortverständlichkeit ist mangelhaft, noch mehr die von Christa Mayer als vernuschelter Magdalene. Kein Problem stimmlicher Präsenz und hervorragender Wortverständlichkeit hat (wie immer) Klaus Florian Vogt als (etwas zu knabenafter) Walther von Stolzing. Lohengrin und Parsifal sind seine Partein. Dojh das sind Herren nicht von dieser Welt, da paßt seine Stimme. Dagegen fehlt seinem Walther jugendliche Virilität, Eros, Draufgängertum.
Auch Georg Zeppenfeld ist zweifellos einer der kultiviertesten Sänger seiner Generation. Was hat man nicht für großartige Aufführungen mit ihm erlebt. Das Festspielhaus mag für seine Stimme zu groß sein. Für den Hans Sachs ist seine Stimme jedenfalls – mit Verlaub gesagt - zu schlank, zu „intellektuell“, zu jung. Ihm fehlt die nötige singschauspielerische Autorität für die Rolle. (Man muss es wohl auch der Regie vorwerfen: schuld an seinem nicht überzeugenden Singen ist sicher das unvorteilhafte szenische Auftreten Zeppenfelds, der wie ein schlaksiger Philosophiestudent in seinen dunklen Slimline-Hosen und blauem Hemd wirkte, und fast jünger als Walther, der, obwohl er immer wieder als Junker bezeichnet wird, in Zimmermannskluft gewandet.)
.Immerhin singt Adrian Eröd als Beckmesser, fern jeder Judenkarikatur einen noblen Stadtschreiber. Großartig ist der Pogner, dem Vitalij Kowaljow seinen samtig erdigen Bass leiht. Der David von Sebastian Kohlhepp dagegen fällt durch unüberhörbare stimmtechnischen Mängel auf. Die übrigen Meister sind sehr ordentlich besetzt. Der gut fokussierte, freiströmende Tenor von Patrick Vogel als Ulrich Eißlinger ragt hörbar aus dem Ensemble heraus und empfiehlt sich schon jetzt als künftiger Stolzing.
Leider - und das ist besonders ärgerlich - lässt die Aufnahmetechnik des mulmig-dumpfen, ja unpräsenten CD-Mitschnitts sehr zu wünschen übrig. Und einige Texte des Booklets offenbaren erstaunliche Unkenntnis bisheriger Meistersinger-Gesamtaufnahmen, aber auch gründliche Fehleinschätzungen vorliegender Produktion aufgrund musikpatriotischer Selbstbeweihräucherung.
Es gab – nicht nur in Salzburg – schon wesentlich festspielwürdigere, glanzvollere „Meistersinger“-Aufführungen, auch an Stadttheatern und sogar in der sogenannten „Provinz“, musikalisch wie szenisch!
Beitrag auch in "Das Orchester" (Schott)