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Zwischen Magie und Konzert - Neujahrsbräuche
Wir schreiben den ersten Januar 2024
Das Kalenderjahr beginnt mit einem Monat, in den nur wenige Feiertage und Feste fallen. Möglicherweise sind die Menschen in Mitteleuropa bei kalter Witterung nicht oft in festlicher Stimmung. Aber der Beginn des Jahres wird seit der Antike mit Bräuchen und Riten gefeiert - und dabei spielt auch die Musik eine Rolle! Ein kleiner Streifzug durch die Geschichte der Neujahrsbräuche.
Es war der römische Diktator Julius Cäsar, der das Jahr des römischen Kalenders mit dem Monat Januarius beginnen ließ. Sein Namensgeber war Janus, der römische Gott allen Anfangs, der Gott der Türen und Tore. So wurde der Januar zum Eingang ins neue Jahr. Janus hatte aber zwei Gesichter: eines ist greisenhaft, eines jugendlich. Diese beiden Gesichter symbolisieren Vergangenheit und Zukunft. - Das frühe Christentum setzte auf den ersten Tag des Januarius das Fest der Beschneidung und Namensgebung Jesu, von dem im biblischen Lukasevangelium des Alten Testaments die Rede ist. Da das Christentum den jüdischen Brauch der Beschneidung im Grunde ablehnte, beließ es den 1. Januar beim Fest der Namensgebung Jesu. Johann Sebastian Bach hat dafür 1724 eine prachtvolle Neujahrskantate komponiert.
„Singet dem Herrn ein neues Lied“ war die erste Neujahrskantate, die Bach als Thomaskantor in Leipzig komponiert hatte. In der katholischen Kirche feiert man bis heute, am ersten Januar das Hochfest der Gottesmutter Maria. -
Als eigenständiges Fest gibt es Neujahr bereits seit dem Jahre 564 unseres Kalenders. In Rom hatte man in vorchristlicher Zeit nicht nur Gott Janus, sondern auch Jupiter, dem Göttervater, Opfer gebracht. Wahrscheinlich verlagerte sich auch manches aus dem antiken Brauchtum der Saturnalien auf diesen Tag. Diese wurden bereits im Monat Dezember abgehalten worden, um das neue Jahr mit närrischem Treiben zu feiern. Bis ins Mittelalter hielten sich solche Narren-Feste am 1. Januar. Priester und ehrbare Bürger sangen, bekleidet mit Masken, schamlose Lieder und verspotteten Kirche und Hof. Die Welt wurde auf den Kopf gestellt, der Gesellschaft wurde ein Spiegel vorgehalten. Eine der Wurzeln des Karnevals.
Schon im antiken Rom waren Segenswünsche zu Neujahr gebräuchlich, vor allem gegenüber Herrschern, die ihre Untertanen empfingen, um Huldigungen entgegenzunehmen. In dieser Tradition stehen bis heute die selbst in Demokratien noch üblichen diplomatischen Neujahrsempfänge. Auch die Gaben, mit denen sich die Römer beschenkten, kennt man noch heute, auch wenn an die Stelle von Feigen, Datteln und Honig Marzipanschweinchen, goldene Schokoladentaler, Glücksklee, Schornsteinfeger und Hufeisen getreten sind. Dinge, die nach altem Aberglauben Glück bringen sollen. Vor allem das Hufeisen gilt als Glücksbringer und Schutz, weil eine Legende erzählt, der Heilige Dunstan habe einmal den Huf des Teufels so lange beschlagen, bis dieser um Gnade flehte und versprach, künftig alle zu schonen, die ein Hufeisen bei sich trugen.
Heute ist es am ersten Januar üblich, dass man sich schon nach den Mitternachts-Schlägen, in den ersten Sekunden also des Neuen Jahres, „Prosit Neujahr“ wünscht und benutzt damit eine aus dem Lateinischen abgeleitete Wunschformel: Wer dem anderen mit dem Neujahrswunsch zuvorkommt, kann von ihm ein Geschenk einfordern. Und sei es nur, wie in der Neuzeit üblich, ein Glas Champagner. Ja, ja: „Champagner hat‘s verschuldet“...
Wenn sich Menschen am Neujahrsmorgen besuchten, brachten sie sich in vergangenen Jahrhunderten oft Gebäck zum gegenseitigen Geschenk, Gebäck, das oft mit Sprüchen verziert war, sogenannte „Gebildbrote“, die Glück bringen oder Dämonen abwehren sollten. In der Stadt Aachen und in der Eifel hat sich der Brauch bis heute erhalten, dort nennt man solches Gebäck „Neujährle“, es hat an jedem Ende einen Knauf und erinnert so noch immer an das Doppelgesicht des Janus. Auch in der Lausitz sind „Neujährle“ durch sorbische Bräuche bekannt. Im Süden Deutschlands buk man in früheren Zeiten Neujahrsbrezeln, die Männer ihren Liebsten am Neujahrstag schenkten. In anderen Gegenden aßen die jungen Männer am Silvesterabend jene Brezeln und zogen mit dem letzten Mitternachtsschlag durch das Dorf, um das Neue Jahr anzusingen. Daraus entwickelte sich die alte Sitte des Neujahrssingens.
Seit den Zeiten des Heiligen Bonifatius gibt es den Brauch des Neujahransingens, ein Brauch, der sich im Laufe der Zeit zu sogenannten „Heischebräuchen“ entwickelte, das waren Bräuche, mit denen arme Menschen, vor allem arme Kinder singend umherzogen, und um Almosen und Spenden bettelten. Das Wort „heischen“ kommt aus dem Althochdeutschen und meint so viel wie Fragen oder Fordern. Da diese Heischebräuche in regelrechte Bettelei ausarteten, wurden sie vielerorts im 15 und 16. Jahrhundert verboten. Trotzdem wird bis heute musiziert an Neujahr, auch die berühmten Wiener Neujahrskonzerte stehen in Beziehung zu den alten Ansinge-Bräuchen.
Ein kleiner Exkurs: Dass Silvester und Neujahr mit Musik und Konzertbesuch gefeiert werden, ist ein bürgerlicher Brauch, der erst im frühen 19. Jahrhundert aufkam, als das Musikleben Ausdruck und Selbstdarstellung des gebildeten Bürgertums wurde. Insbesondere in den Zentren der bürgerlichen Welt, in den Hauptstädten Paris, London, Berlin und Wien, aber auch in Kulturmetropolen wie Leipzig und Dresden gehören Silvester- und Neujahrskonzerte seither selbstverständlich zum Kalender musikalischer Rituale. Aber längst auch in kleineren Städten und auch jenseits der Grenzen Europas und in Übersee. Man denke nur an Silvester in Rio.
So wie Weihnachten inzwischen ein Wirtschaftsfaktor ist, so sind es auch die Silvester- und Neujahrskonzerte, die ja nicht mehr nur bürgerliche Jahresend- bzw. Anfangsrituale sind, sondern kommerziell lohnende Events im gesellschaftlichen Leben. Das begann aber im Grunde schon mit den höfischen Jahresabschlussbällen, die in mancher Hinsicht Vorbild wurde für bürgerliche Nachahmung in Silvester- und Neujahrskonzerten bzw. - Bällen.
Die heutigen Silvester- und Neujahrskonzerte sind streng genommen zweierlei Arten von Veranstaltungen. Und doch kann man sie nicht ganz trennen voneinander. Das Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker ist zweifellos – weltweit im TV übertragen - das bekannteste Neujahrskonzert der Welt und ist vor allem den Werken der Straus-Dynastie gewidmet.