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Photos: Verginiello und privat
Capris kulinarisch entspanntes Belvedere
Das "Verginiello"
Capri ist schön, Capri ist (sündhaft) teuer und Capri ist mittlerweile ein Hotspot des Massentourismus. Einst war es mondän, romantisch, poetiusch. Heute ist es eher abstoßend in seiner Selbstvermarktung und seinem turistischen Ausverkauf. Und doch: Für viele ist es noch immer „die schönste Insel der Welt“.
Wie Dieter Richter in seinem Capribuch schreibt: Capri, das sind nur zehn Quadratkilometer im Mittelmeer „nur ein Zehntel des griechischen Santorin“, geographisch gesehen nichts, aber es ist doch „eine Welt für sich,“ landschaftlich, ästhetisch, kulturgeschichtlich, klimatisch, atmosphärisch, zu schweigen vom Blau des Wassers.
Unter Kaiser Tiberius war die Ziegeninsel von 26 bis 37 n. Chr., seinem Lebensende, Regierungszentrum, also Mittelpunkt des Imperium Romanum, des römischen Weltreiches, dann wurde die schroffe Kalksteinfelseninsel vergessen, um mit der Entdeckung der Blauen Grotte (es gibt derer übrigens mehrere am Mittelmeer) zur „ersten europäischen Tourismus-Insel“ zu reüssieren. Richter nimmt kein Blatt vor den Mund. Capri ist „heute im Halbstundentakt mit dem Festland verbunden, die Einwohnerzahl hat sich seit dem vorletzten Jahrhundert fast verfünffacht, der Strom des Massentourismus flutet täglich über sie hinweg.“ 2016 registrierte das Hafenamt laut Richter 2 331 969 Besucher, an manchen Tagen mit zum Teil über 10 000 Tagesbesuchern.
Die müssen alle verköstigt werden. Entsprechend grauenhaft sind die meisten Lokale zur Massenabspeisung. Teuer sind sie dennoch. Von der „gehobenen“ Küche Capris ganz zu schweigen. Capri ist kulinarisch keine Reise wert.
Eine Ausnahme ist das „Verginiello“, das (im Gegensatz zu den meisten anderen Lokalen) ganzjährig geöffnet hat und auch von den Einheimischen geschätzt wird. Es befindet sich nicht weit von der zentralen Piazzetta, und doch etwas abseits und verborgen, nicht an einem der touristischen Trampelpfade. Man sieht es nicht auf den ersten Blick. Gottlob. Es befindet sich unterhalb nämlich der Via Roma, nur ein wenig auffälliges Schild weist auf das Lokal hin. Man muss einige Treppen hinabsteigen, um auf das Plateau zu kommen, auf dem es liegt. Es ist ein stattliches Lokal mit großem Gartenbereich und mehrren durchgängigen Sälen im Innern, direkt an dem steil zum Meer abfallen Felsen, mit traumhaftem Blick auf den Vesuv und den Golf von Neapel. Panoramafenster und transparente, leicht wirkende Holzkonstruktionen geben dem lichtdurchfluteten Restaurant Größe, Weite und Bläue. Man sitzt gerne darin, schaut aufs Meer und träumt... entspannte Capriseligkeit, hier immerhin ein wenig....
Das "Virginiello" ist kein sogenanntes Gourmetrestaurant, keine hippe Location, hat mit Zeitgeist (gottlob) nichts am Hut. Aber genau braucht und sucht man doch, wenn man sich durchs inzwischen leider massentouristisch arg ledierte Capri mit seinen Edelboutiquen, Souvenirsläden und (teuren) Billiglokalen quält und wenn man den Horden an (in allen Sprachen) quasselnden, knipsenden, unentwegt mit Handys hantierenden, stil- und geschmacklosen Touristen in austauschbarem Casualwear, zumeist in primitivem, standardisierten anspruchslosen Strandoutfit mit Shorts, T-Shirts, Sneakers entfliehen will.
Was das Lokal auszeichnet: Man kann in ihm ziemlich authentisch capresisch und neapolitanisch speisen, schlicht und einfach, fern von allem Schickimicki und auch bei (für Capris Verhältnisse) kleinem Geldbeutel. Vor allem aber jenseits von allem angeberischen Getue der Neureichen oder den Niederungen des Massentourismus.
Ein großes Antipasti und -Pasta-Angebot, allerhand Meerestiere, Artischocken, Tomaten, Risotto, Mozzarella, Frittiertes, Fleisch und Dolci erwarten den Gast, alles sehr anständig, wohlschmeckend zubereitet, zu sehr moderaten Preisen. Selbst die Weine (große Vielfalt) sind sehr zu empfehlen und für Capriverhältnisse ausserordentlich billig.
Und man wird bestens bedient. Das reichlich vorhanden, professionelle Personal ist aufmerksam, wohlerzogen, aufmerksam und fix. Seit 1961 existiert das Restaurant, in Zeiten heftiger gastronomischer Fluktuation und Konkurrenzkämpfe ein beständiger Fels in der Brandung des schönen Felseneilands.