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Hitler gleich Rienzi. Wieder einmal wird Wagner mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt. Und alle falschenVorurteile in Sachen Wagner werden wieder einmal bekräftigt.
Von der Revolution in den Faschismus. Eine fragwürdigs Nazi-Revue
Quasi eine Apotheose der Hitlerästhetik
Rienzi im Geiste Hitlers, in Leni-Riefenstahl-Ästhetik
Ein Missverständnis
R. WAGNER - RIENZI
Inszenierung: Christoph Stölzl
Live von der Deutschen Oper Berlin
Arthaus 2 DVD 101 521
Die Große, tragische Oper in 5 Akten, „Rienzi“ war Richard Wagners zu Lebzeiten größter Premieren-Erfolg. 1842 ging das fast sechsstündige Werk im Königlichen Hoftheater zu Dresden zum ersten Mal über die Bühne. Später distanzierte sich Wagner von diesem Frühwerk, er nannte es seinen „Schreihals“. Deshalb (es gehör-te nicht in den Kanon festspielwürdiger Werke) wurde „Rienzi“ auch nie in Bay-reuth aufgeführt. Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet Adolf Hitler diese Histo-rienoper über den römischen Volkstribun zu seiner Lieblingsoper erklärte: Ein Miss-verständnis. Philipp Stölzl hat die selten gespielte Oper im Januar 2010 an der Deut-schen Oper Berlin aus dem Geiste Hitlers inszeniert. Auch das ein Missverständnis.
Musikstunde im Obersalzberg. Mit dem Rücken zum Publikum sitzt der feiste, ge-schniegelte Diktator in weißer Uniform im Sessel seines steinernen Arbeitszimmers. Den Blick gerichtet durch ein Panoramafenster auf verschneites Hochgebirge. Im-mer ekstatischer dirigiert er die „Rienzi“-Ouvertüre mit, erst sitzend, dann laufend, ja liegend in obszöner Haltung auf dem Schreibtisch, aber auch tanzend und Rad schlagend. Dem gut gepolsterten Tänzer und Komiker Gernot Frischling gelingt diese akrobatisch hochvirtuose Karikatur einer Mischung aus Mussolini, Hitler und Stalin glänzend. Es ist die beste Szene der ganzen Inszenierung. Mit ihr hat Szölzl sein Pulver aber schon verschossen.
Wagner hat mit dem „Rienzi“, den der Dirigent Hans von Bülow nicht ganz zu Un-recht einmal als „Meyerbeers beste Oper“ bezeichnete, die einzige jungdeutsche Re-volutionsoper geschrieben. Ein hochpolitisches Werk des deutschen Vormärz mit enormem Freiheitspathos und radikaler Kirchenkritik, eine Satire auf den Adel und auf die antiquierten politischen Verhältnisse in Deutschland. Eine Oper über Auf-stieg und Fall eines charismatischen Politikers, der am Ende scheitert, wie alle „Hel-den“ Wagners. Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet Adolf Hitler diese Oper über den römischen Volkstribun zu seiner Lieblingsoper erklärte. Er kann ihren Sinn kaum ernsthaft begriffen haben.
Zu Wagners Musik sieht man bei Stölzl Bilder wie aus Hitler-Deutschlands, Bilder in Leni-Riefenstahl-Ästhetik. Man sieht Massen- und BDM-Aufmärsche, zackige Soldaten und blondbezopfte Frauen. Das ist handwerklich souverän inszeniert und von Ausstatterin Ulrieke Sigrist suggestiv bebildert, zugegeben, aber von der An-fangsszene an ist der Rest der Aufführung vorhersehbar: Von der Revolution in den Faschismus. Wagners radikal progressive, Revolutionsoper gerinnt trotz ironischer Brechungen zur klischeehafte Nazi-Revue im Stile schwarz-weisser Wochenschau-en mit Anleihen von Otto-Dix- und Georges Grosz-Bildern und bei „Metropolis“.
Tableauhaft und in der Personenführung holzschnittartig inszeniert Philipp Stölzl Aufstieg und Fall Rienzis in Analogie zu Hitler. Was vielleicht kritisch gemeint ist, wirkt aber wie eine Apotheose der Hitlerästhetik. Erweist man da dem „Führer“ nicht post mortem zu viel Ehre? Diese Inszenierung verdeutlicht beispielhaft das gestörte Verhältnis der Deutschen zu Richard Wagner als gestörtes Verhältnis der Deutschen in ihrer Geschichte.
Torsten Karl singt vor Albert Speers gigantomanischer Germania-Utopie das ever-greenhafte Gebet des Rienzi. Er ist neben Kate Aldrichs Adriano der glaubwür-digste Sänger in einer ansonsten eher mittelmäßigen Besetzungsriege mit Camilla Nylund als Irene, Ante Jerkunica als Steffano Colonna, Krysztof Szumanski als Paolo Orsini und Lenus Carlson als Kardinal Orvieto. Keine sängerische Stern-stunde, diese Produktion. Und das Dirigat von Sebastian Lang-Lessing ist langatmig und vordergründig-banal. Er hat der "Rienzi"-Musik nicht nur ihre Unschuld ge-raubt, sie klingt bei ihm tatsächlich fast wie "Nazi-Musik". Dass dies nicht am Werk liegt, ja dass Wagners "Rienzi" auch völlig anders, nämlich französisch-italienisch
mitreißend und elegant klingen kann, hat beispiesweise 1964 (in einer ebenfalls auf zweieinhalb Stunden gestrichenen Fassung der RAI Torino) der legendäre Dirigent Arturo Basile eindrucksvoll bewiesen.
Aber auch die Inszenierung wird einem lang, obwohl das Stück nur noch zweiein-halb Stunden dauert. Stölzl hat es um mehr als die Hälfte zusammengestrichen, um es in sein Interpretationskorsett pressen zu können. Es offenbart die ganze Absur-dität des heutigen Blicks aus der Hitlerperspektive von vorgestern.
Am Ende dieser Inszenierung zeigt Stölzl den Diktator in Wochenschau-Pose huld-voll winkend, während er im Führerbunker Siegesparolen ausgibt und oben die Welt in Schutt und Asche versinkt: Hitler gleich Rienzi. Wieder einmal wird Wagner billig mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt. Und alle bornierten Vorurteile in Sachen Wagner werden wieder einmal bekräftigt. Ein deutsches Missverständnis, ja Ärgernis, diese „Rienzi“ Inszenierung. Allenfalls als Diskussionsgrundlage für eine Auseinandersetzung über das heikle Thema "Wagner-Hitler" mag sie ein beispielhafter Ausgangspunkt sein.