Musik-Theater & mehr
Fotos siehe: www.nibelungen-hort.de
"Karfeitagszauber"-Musiken
Karfreitag, der Tag der Kreuzigung und des Todes Christi, ist für die Christen, sowohl die Protestanten wie die Katholiken, einer der höchsten, wo nicht der höchste kirchliche Feiertag schlechthin. Für die Komponisten war Karfreitag immer schon willkommener Anlass spezieller Karfreitagsmusiken, vor allem natürlich in der Sakral-, also der Kirchenmusik. Aber nicht nur. Es gibt auch außerkirchliche musikalische Karfreitagsbräuche.
Der tumbe Tor Parsifal in Richard Wagners gleichnamigem "Bühnenweihfestspiel" sieht im 3. Akt der Oper bei magisch-verführerischen Klängen die erwachende Natur. "Das ist Karfreitagszauber", raunt ihm Väterchen Gurnemanz zu. Dass diese Musik und ihre Entstehung eigentlich gar nichts mit Karfreitag zu tun hat, weiß man seit der Veröffentlichung der Tagebücher von Cosima Wagner, in denen man liest, dass Wagner lachend eingestanden habe, "eigentlich alles bei den Haaren herbeigezogen, es war kein Karfreitag, nichts, nur eine hübsche Stimmung in der Natur, von welcher ich mir sagte, so müsste es am Karfreitag sein." - Nichts desto trotz wurde Wagners "Parsifal" zu der Karfreitagsoper schlechthin. Noch heute spielt man sie zu Ostern. Aber bis zur Uraufführung des "Parsifal" 1882 stand mehr als siebzig Jahre lang, von Paris über Wien bis Berlin an Karfreitag Etienne Nicolas Mehuls Orientoper "Joseph " auf dem Spielplan, in der die alttestamentarische Josephs-Episode vertont wurde.
Die französische Karfreitagsoper "Joseph " hielt sich - in ihrer Mischung aus liedhaft schlichter Musik, nachrevolutionärer Religiösität und napoleonischer Ägyptenbegeisterung - bis Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts auf den Bühnen, bevor sie endgültig durch Wagners "Parsifal" verdrängt wurde, der übrigens musikalisch zu einem Gutteil in Sizilien entstand. Dort hat Wagner Karfreitagsbräuche kennengelernt, die bis heute stattfinden.
Die Bande municipale, die kommunalen Blaskapellen spielen auf bei den traditionellen Karfreitagsprozessionen in Sizilien, deren berühmteste und prachtvollste in der zentralen Bergstadt Enna alljährlich zum makabren Vergnügen von weither zugereisten Zuschauern ab-gehalten wird. Riesige Heiligenstatuen und Kreuzwegskulpturen sowie der Leichnam Christi im Glassarg werden von starken Männern im Gleichmarsch durch die Stadt getragen. Ein ganz diesseitiges Karfreitags-Fest. Die Musik ist mitnichten fromm oder gar kirchlich. Sie klingt eher nach Oper, nach Puccini, Verdi oder Mascagni. In der Stadt Trapani wird die Kreuzigung Christi sogar als blutiges Freilicht-Laien-Theater nachgespielt. Der Höhepunkt der sizilianischen Karfreitags-Bräuche bildet der an heidnisch-sinnliche Riten erinnernde Ballo dei diavoli, der Teufelstanz in Palermo, bei dem maskierte Männer den Kampf zwischen Gut und Böse symbolisch austanzen.
Siziliens Osterfeierlichkeiten beginnen schon Gründonnerstag und ziehen sich bis in die Osternacht, in der die schwarzverhängten Altäre der Kirchen von den Anwesenden mit einem opernchorhaften "viva il christo" enthüllt werden und unter applaudierendem Beifall der Gemeinde die Lichter wieder eingeschaltet werden.
Osterritus als große Oper. - bei aller Verhaftung im Vorchristlichen - zugleich etwas von "Oper für Arme". Osterritus als "große Oper" gab es dagegen ausgerechnet im katholischen Wien schon der Mozartzeit. Der Hofkomponist Antonio Salieri brachte 1776 im Wiener Burgtheater seine sakrale Aktion "La Passione di Gesù Cristo" heraus, ein pompöser Nachhall der spätmittelalterlichen Kirchenspiele. Immerhin war Salieri Opernchef Kaiser Josephs des Zweiten.
La Passione (auf ein Libretto Metastasios) kann und will die Nähe zur Oper nicht verleugnen. Ein Paradebeispiel dafür, wie weit sich die Karfreitagsmusiken in Österreich verweltlicht und der Oper angenähert haben.
Antonio Salieris Karfreitags-Passion steht im deutlichsten Gegensatz zu den protestantischen Osterpassionen von Johann Sebastian Bachs bis hin zu Felix Mendelssohn Bartholdys Oratorium "Elias" und seinen Chorälen. Ganz zu schweigen von den älteren, frommen Antiphonen, Lamentationen und sonstigen liturgischen musikalischen Andachtsformen, in denen Leiden und Sterben Christi im musikalischen Tonfall der Trauer zum Heil der gläubigen Christenheit besungen wurden. Für die nicht so gläubigen haben sich spätestens seit Georg Friedrich Händels Auferstehungs-Oratorium "La Resurrezione" Musiken als Alternative zum Karfreitags-Gottesdienst durchgesetzt, die in den Karfreitagskonzerten der Kirchen und Konzertsäle Tradition geworden sind.