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Photos: Bernd Uhlig
Langweilig: Antonio Scarlattis „Il Primo Omicidio“
am Pariser Palais Garnier.
Keine Oper hat man im altehrwürdigen Palais Garnier zum 350. Jubiläum der Pariser Oper präsentiert, sondern ein Oratorium: Das 1707 in Venedig uraufgeführte, italienisch verfasste Trattenimento sacro per musica „Cain overo Il Primo Omicidio“ auf ein Libretto Antonio Ottobonis, des Vaters seines römischen Gönners, Kardinal Pietro Ottoboni.
In Scarlattis origineller Umsetzung des im Alten Testament beschriebenen Kain und Abel-Stoffes erlebt man zwischen den Einflüsterungen Luzifers und der Stimme Gottes den ersten Mord in der Geschichte der Menschheit: Adam und Eva, aus dem Paradies vertrieben, be-klagen vor ihren Söhnen Kain und Abel den Sündenfall. Abel versucht, seine Eltern zu trösten und verspricht, Gott das schönste und reinste Lamm zur Versöhnung zu opfern. Kain fordert als Erstgeborener das Recht ein, den Opferritus mit Früchten seines Ackers vollzie-hen zu dürfen. Während Abels Flammen zum Himmel aufsteigen, will Kains Opfer nicht gelingen. Kain sinnt, vom Teufel darin bestärkt, auf Mord an Abel. Auf dem Feld erschlägt er ihn. Gott klagt ihn des Brudermordes an. Mit dem Kainsmal gezeichnet, muss er durch die Welt irren und seine Tat bereuen. Kain nimmt die Strafe Gottes an. Am Ende berichtet er von himmlischen Freuden, die er genießen kann. Gotte hat ihn erlöst.
René Jacobs hat das heilsgeschichtlich orakelnde, allerdings mitnichten dramatische Werk wie schon in seiner vielbeachteten konzertanten Produktion von 1998 mit zahlreichen In-strumenten und Geräuschmaschinen angereichert, um nicht zu sagen aufgedonnert, um den „himmlischen“ Länger des Stücks Beine zu machen. Mit Posaunen- und Schellenklang, aber auch Donner und Wind und Holzhammerschlägen hat er sich bewundernswert bemüht, opernhafte Effekte zu erzeugen. Hut ab! Mit Kristina Hammarström (Kain) und Olivia Vermeulen (Abel), Brigitte Christensen (Eva), Thomas Walker (Adam), Benno Schachtner (Stimme Gottes) und Robert Gleadow (Luzifer) stand ihm ein respektables Sängerensemble zur Verfügung.
Doch die stark ritualisierte, offenbar an Robert Wilsons zeitlupenhafter Körpersprache ori-entierte Inszenierung des zum Kultstar der Opernbühne avancierten Gesamtkunstwerkers Romeo Castellucci ist vor allem symbolüberfrachtetes Behauptungstheater zwischen Ab-straktion und Realistik. Der erste Teil des Oratoriums zeigt die heutig gewandeten Sänger vor milchig transparenter Wand, hinter der horizontale und vertikale Lichteffekte alles und nichts zeigen. Im zweiten Teil werden die Sänger in den Orches-tergraben verbannt, wäh-rend sie von Kindern auf romantischem Wiesen- und Felsengrund vor Sternenhimmel gedoubelt werden. Spätestens da gerät die langatmige Aufführung zum ermüdenden, nicht selten peinlichen Oberammergauer Passionsspiel mit Kinder-Karaoke.
Warum das erstaunlich undisziplinierte und unelegante Pariser Opernpublikum am Ende in Jubel ausbrach, bleibt ebenso rätselhaft wie die Inszenierung.
Besprechung auch in "Orpheus"