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Photo: Musikfestspiele Rheinsberg
Exotisches Barockfest im Garten
Grauns "Montezuma" in der prachtvollen Realisation von John Dew und José-Manuel Vazquez. Musikalisch langweilig, von wegen "historich-informiert"
Opernfestival Kammeroper Schloß Rheinsberg, Prem. 29. Juli, bes. Vorstellg. 2.8.94
Es ist die erste von einer stattlichen Reihe von Opern- und Konzertveranstaltungen, die in diesem vierten Jahr des in jeder Hinsicht erfreulichen und sinnvollen Opernfestivals nun vor wenigen Tagen herausgekommen ist. Daß es ausgerechnet eine Oper ist, deren Komponist und deren Autor mit dem Aufführungsort aufs engste verbunden waren, gibt der Aufführung selbst fast etwas Authentisches. Kronprinz Friedrich war es ja, der 1735 den Kapellmeister und Komponisten Carl Friedrich Grun an seinen Musenhof, nach Rheinsberg berief. Später, also nach seiner Krönung, machte Friedrich der Zweite ihn in Berlin zu seinem bevorzugten Hofkapellmeister. Um Authentizität in der Ausstattung und um Darstellung dieses Sachverhalts, daß hier ein werdender König die Librettovorlage einer Oper der idealistisch humanen Selbstdarstellung schreibt, war es dem Regisseur John Dew und seinem Kostüm- und Bühnenbildner José-Manuel Vazquez vor allem zu tun.
Was die Bühne anbetrifft, war da nicht viel zu bemühen, denn die Oper wurde im 1758 errichteten Heckentheater des sehenswerten Schloßparks aufgeführt, ganz ohne Dekorationen, also nur zwischen Buchenhecken und Bäumen, die allerdings sehr gekonnt und phantasievoll im Stile barocker Gartenillumination beleuchtet wurden. Wirklich aufwendig und in einer bis dato beim Rheinsberger Opernfestival einmaligen Pracht sind die Kostüme, die José-Manuel Vazquez entworfen hat. Es sind barocke Hofkostüme bzw. Opera seria-Kostüme, die stilistisch sehr angemessen die Vorstellung des achtzehnten Jahrhunderts von der federprächtigen Exotik Mexikos mit der höfischen Pracht Westeuropas verbinden. Und damit sind sie der sinnfällige und auch äußerst sinnliche optische Ausdruck der Regiabsicht John Dews, die Entstehungsgeschichte dieser Oper ins Bild zu setzen. Dew hat das Trauerspiel Montezuma, das gegen Unmenschlichkeit und imperialistische Eroberungspolitik engagiert Stellung bezieht, ganz als das inszeniert, was es ist: nämlich eine Selbstverklärung des jungen Königs, der 1754 die Komposition dieser Oper anordnete und selbst die Librettovorlage dazu schrieb.
Es ist nur konsequent, wenn Dew den mexikanischen Kaiser mit Dreispitz und Krückstock als Fiedrich den Zweiten auftreten läßt und die tragisch endende Handlung dieses Conquistadoren-Lehr-Stücks über die Tugenden des gerechten Herrschers als höfisches Opernspektakel mit bengalischer Beleuchtung, lautstarken Kanonenböllern und reichlich Pulverdampf und beliebten Illuminationseffekten höfischer Gartenfeste in Szene setzt. Und John Dew tut es mit sensibler und erstaunlich zurückhaltender Personenregie, um die Balance zwischen Zeremoniell und empfindsamer Tragödie zu wahren. Das Ergebnis ist eine sehr gelungene, schlichte und doch effektvolle Inszenierung dieser Oper, die ja bereits vor mehr als zehn Jahren in der Übersetzung von Georg Quander, die auch in Rheinsberg gespielt wird, bei den Berliner Festwochen wiederentdeckt und von Herbert Wernicke aufsehenerregend inszeniert wurde.
So sehr also diese jüngste Rheinsberger Graun-Ausgrabung szenisch erfolgreich zu nennen ist, läßt sie musikalisch sehr zu wünschen, nicht weil man die Oper beträchtlich gekürzt hat, auch nicht wegen der zum Teil erstaunlichen Leistungen der jungen Nachwuchssänger, die mit sehr viel Engagement und Einfühlung sich der Kunst barocken Ziergesangs angenähert haben. Nein: das Ärgernis, oder die Enttäuschung der Aufführung ist einzig und allein im orchestralen und dirigentischen Unvermögen zu sehen, dem Werk auch nur annähernd gerecht zu werden. Volker Olbricht und das Deutsche Filmorchester Babelsberg haben leider nur eine sehr unzureichende Vorstellung, aber auch eine spieltechnisch miserable Realisierung von Barockmusik präsentiert. Den Publikumserfolg und die Magnetwirkung dieses nächtlichen Parkspektakels in Rheinsberg beinträchtigt die mangelhafte Orchesterleistung glücklicherweise wohl kaum.
Frühkritik für MDR-Kultur, 3.08.1994