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Fotos: Dieter David Scholz, Caffè San Carlo & privat
Das "Caffé San Carlo" in Turin
Ein Kaffehaustraum - Über Kaffekultur in Italien
Neben Rom (Caffè Greco), Venedig (Gran Caffè Florian), Padua (Caffé Pedrocchi), Triest (Caffè San Marco) und Mailand (Zucca Galleria) gibt es in Turin mit dem „Caffè San Carlo“ eines der beeindruckendsten Caféhäuser Italiens. Es steht für italienische Kaffeekultur schlechthin.
Italien und der Kaffee, das ist eine Abschweifung wert: Die Geschichte des Kaffees hat in Italien seinen Ursprung. Venedig war die erste Station des schwarzen Heißgetränks auf dem europäischen Kontinent. Der venezianische Arzt Prospero Alpini lernte die Kaffeepflanze auf einer Reise nach Nordafrika kennen. Unter dem Namen „Alpinis De Medicina Egyptiorium“ galt die Pflanze zunächst als ägyptische Heilpflanze und wurde erst später zum Genussmittel.
Es war Anfang des 17. Jahrhunderts, als die ersten Kaffeebohnen über das Osmanische Reich nach Venedig kamen. Von dort verbreiteten sich die kleinen Bohnen und die Kaffeehauskultur über ganz Italien und Europa aus. Wien hatte sehr früh schon ein Kaffeehaus, nachdem die türken, militärisch erfolglos, den Kaffee und den Kaffeegenuß zurückließen.
Der schönste Ort, um einen Kaffee in Venedig zu genießen, ist zweifellos das Caffè Florian, das älteste Kaffeehaus Italiens (eröffnet 1720). Die Säle sind reich verziert mit Kunstwerken, Spiegeln, Gemälden und Säulen. Kaffeetrinken wird hier zum Erlebnis, man fühlt sich in vergangene Jahrhunderte zurückversetzt. Das hat allerdings seinen Preis. Nun ja, besonders Schönes und Gutes hatte schon immer seinen Preis.
Venedig ist neben Triest, nicht zu vergessen, die wohl bekanntesten italienische Kaffeestadt. Doch Mailand war letztendlich die Stadt, die die Kaffeekultur stark prägte. Laut Legende dauerte die traditionelle Kaffeebereitung einem neapolitanischen Kaufmann viel zu lange, sodass er sich mit dem Ingenieur Luigi Bezzera zusammentat, um den Prozess der Kaffeezubereitung zu beschleunigen. Bereits 1855 wurde der erste Prototyp einer Espressomaschine bei der Weltausstellung in Paris vorgestellt, dennoch gilt Luigi Bezzera als eigentlicher Erfinder. 1901 erfand er das Verfahren zur Herstellung eines Espressos und stellte die erste automatisierte Espressomaschine 1906 auf der Mailändischen Internationalen Messe vor. Das Prinzip, Wasser unter Hochdruck in nur knapp 30 Sekunden durch Kaffeepulver schießen zu lassen, verbreitete sich um 1900 wie ein Lauffeuer in Italien. Und nicht nur dort.
Freilich, es gibt auch in Portugal (Lissabon) großartigen Kaffee, auch in Österreich, aber Italien ist die Nummer Eins in Sachen Kaffee. Dort machen alle Regionen ihren eigenen, besonderen Kaffee. Noch heute bekommt man in jeder Stadt, jedem Dorf, um nicht zu sagen Nest hervorragenden Espresso (einen „Caffè) zu ganz kleinem Geld, so dass auch die armen Leute sich ihn leisten können.
Im deutschen wird das Wort Espresso übrigens für die Zubereitung der Kaffeespezialität genutzt, dabei ist die vollständige italienische Bezeichnung „Caffè espresso“. Das Wort espresso leitet sich von dem italienischen Verb esprimere (ausdrücken) ab.
Die Farbigkeit des Espressos innerhalb des Landes schwankt übrigens stark. So wird ein Espresso in Norditalien heller geröstet als in Süditalien. Bei der hellen Röstung wird häufig auch von einer Röstung nach Mailänder Art gesprochen. Die Rituale und Traditionen des Espressos sind so vielfältig wie kaum ein anderes Getränk sie aufweisen kann. In Italien legten die Kommunen den „al banco“ fest. Der „al banco“ ist der Preis für einen Espresso, den die Italiener zahlen, wenn sie einen Espresso im Stehen am Tresen in einer Bar trinken. Der schnelle Trinkgenuss sollte in ganz Italien nicht mehr als 1 Euro kosten. Nimmt man einen Espresso im Sitzen an einem Tisch ein, so zahlt man den „coperto“ (Servicegebühr). In diesem Preis ist eine Servicegebühr enthalten. Ein weiterer Preis, der von den Kommunen festgelegt wurde, ist der „sospeso“.
Dieser wurde aufgrund der neapolitanischen Tradition des Helfens geschaffen. Jemand, der einen guten Tag hatte, einen Mehrwert schaffen möchte oder Lust hat, sich ohne viel Aufwand sozial zu engagieren, trinkt einen Espresso und bezahlt zwei. Das ermöglicht Personen, die sich keinen Espresso leisten können, in der Bar nach dem „Aufgehobenen“ zu fragen – und dann wird ihnen ein kostenloser Espresso serviert. Eine allerdings nur in Neapel bis heute übliche Gewohnheit.
Soviel zum Kaffee in Italien im Allgemeinen. Jetzt zum Turiner „Caffé San Carlo“ im Speziellen, das 1822 eröffnet wurde. Es liegt an einem der schönsten Plätze Italiens, der Piazza San Carlo, die der Piazza San Marco in Venedig stark ähnelt. Es ist architektonisch mit seinen prachtvollen Sälen und mit dem reichen Golddekor sowie verschwenderischen Lüsterglanz eine unvergleichliche Augenlust.
Aber es begeistert auch mit dem Angebot an Kaffeespezialitäten, Süßigkeiten, vielfätigstem Gebäck und Torten. Perfekt zubereitet werden Tiramisu, Brioches, Cornetti und Croissants. Man kann ausgiebig frühstücken, mit allen Schikanen, aber auch Snacks zwischendurch genießen und sogar richtig dinieren.
Besonders empfehlenswert sind Seeteufel, Arrosto di vitello (Kalb), Filetto di persico, Spargel mit Trüffeln, Tortellini, Gnocchi, der seltene Fasan steht auf der Speisekarte, es gibt eine Tagliata di Controfiletto, Filet vom Rombo (Steinbutt) und Grigliata mista di pesce (Fisch). Auch gute Kräuterliköre, Absinth, großartige Weine, Bier und exquisite Tees sind zu haben. Man fühlt sich wie im Schlaraffenland. Das Angebot ist unglaublich, die Zubereitung erlesen, die Preise sind erstaunlicherweise angemessen und nicht (wie in Venedig) übertrieben.
Das Caffè San Carlo in Turin ist (wie das Caffè Florian in Venedig) eine Reise wert.
Das Caffè Florian in Venedig