Stefano Podas "Tosca" in Wuppertal

Eindrucksvolles Traum-Theater über Macht, Eros, Kirche

Stefano Poda inszeniert Puccinis "Tosca"als Reverenz an Maria Callas wie an Caravaggio


Am 5. 09. 2014 begann am Wuppertaler Opernhaus die neue Spielzeit 2014/2015. Es war zugleich der Einstand des japanischen Diri-genten Toshiyuki Kamioka als Opernintendant der Wuppertaler Bühnen. Für die Eröffnungspremiere von Giacomo Puccinis „Tosca“ hatte er den italienischen Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner sowie Lichtdesigner Stefano Poda eingeladen, der mit dieser „Tosca“ – nach einem fulminanten Don Carlo in Erfurt im vergangenen Jahr - seine zweite Produktion in Deutschland vorlegte.



Mit dem Sänger des Malers Cavaradosi steht und fällt jede Tosca-Neuproduktion. Im Opernhaus Wuppertal verfügt man mit Mikhail Aga-fonov über einen Tenor der Extraklasse, der geradezu an Jussi Björling denken läßt. Er setzt die Highlights des Abends, der nicht nur we-gen seiner sängerischen Qualität vom Publikum frenetisch gefeiert wurde. - “Tosca“ ist eine jener Opern, deren Handlungsorte tatsächlich existieren: die Kirche San Andrea della valle, der Palazzo Farnese und die Engelsburg in Rom.  Nichts davon zeigt Stefano Poda in seiner Inszenierung des Politthrillers Puccinis. Er siedelt die zu napoleonischer Zeit in Rom spielende Oper - ein grausames Stück  über Politik, Kunst und Liebe – in einer schwarz marmornen Rauminstallation an, einer Mischung aus Kerker und Friedhof mit Grabnischen samt Grablichtern. In der Mitte eine gigantische, drehbare Kruzifix-Plastik im ersten Akt und ein altarähnlicher Riesenschreibtisch im zweiten. Im dritten Akt bleibt der Raum leer.


"Diese Tosca spielt in einem Erinnerungsraum, in einer Traumwelt, in einem Jenseits."


Stefano Poda schafft in dieser Tosca, wie in allen seinen Inszenierungen Gesamtkunstwerke als Träume verborgener Welten des Unbe-wussten, weder historisch noch modern, zeitlos und in suggestiver Ästhetik. Ausgangspunkt seiner Inszenierung ist wie immer die Musik, sein Bühnenideal ist…


"Ein Raum für Musik. Ich glaube, dass die Musik uns zu einer anderen Ebene führt, in eine andere Dimension und uns die Tür zum Unbewussten öffnet."


Photo: Uwe Stratmann

Photo: Uwe Stratmann

Musikalisch setzt der dirigierende Intendant Toshiyuki Kammioka eher auf eine weiche, vorsichtige und langsame Lesart der Puccini-Erfolgsoper, nur in wenigen Momenten läßt er das im übrigen sehr klangschön und präzise spielende Sinfonieorchester Wuppertal dramatisch aufbrausen und die Kraft und Leidenschaft erahnen, mit der Puccini das von seinen Librettisten Giacosa und Illica raffiniert  adaptierte Erfolgsschauspiel Sardous vertonte. Schade, denn Stefano Podas psychologisch subtile Personenführung wagt in ihrer Unerbittlichkeit viel und sein Bühnenbild ist ein starkes, ein suggestives Symbol Roms. 


"Rom ist alles. Rom hat mich als Kind bezaubert. Diese Spannung zwischen Religion und Politik. Aber Rom ist auch ein Tresor voller  von abendländischer Kunstgeschichte. Mein Rom Es ist wie eine Hommage an Caravaggio."


Caravaggiohafte Lichtstimmungen, Gesichter des Todes und skurrile, pittoreske Typen bevölkern die Bühne Stefano Podas. Das Te Deum des ersten Aktes ist ein gespenstischer Aufmarsch geisterhafter Bischöfe in schwarzem Prachtornat, hochgestielte Goldmon-stranzen und Kruzifixe vor sich hertragend. Eine klerikale Groteske, ein Schreit-und Totentanz des römischen Katholizismus. Aber auch die übrigen Szenen haben etwas von obsessiven Ritualen - der Erotik, der Machtausübung, schließlich der Überwindung alles Irdischen. Die Köstüme sind zeitlos-elegant, weitgehend klerikal angehaucht, vornehmlich in schwarz, und  in ihrer symbolhaften Deutlichkeit jenseits von Heutigem und Historischem so eindrucksvoll wie die sängerische Besetzung in dieser Wuppertaler „Tosca“. Der polnische Bariton Mikolaj Zalasinski ist ein Polizeichef Scarpia von selten so gewagter Monströsität und Erotik. Dieser Scarpia ist ein Sadist, ein Erzintrigant und doch ein Archetyp jenseits von gut und böse, auf gleicher Augenhöhe mit der Sängerin Floria Tosca. Sie wird ganz als Diva gezeigt und tritt in einem der spektakulärsten Kostüme von Maria Callas auf. Aber die albanische Sopranistin Mirjam Tola kopiert weder stimmlich noch darstellerisch die Tosca ihrer großen Vorgängerin. Am Ende springt sie auch nicht, wie in der Partitur gefordert, von der Engelsburg, sondern verschwindet  in einem dunklen Lichtschacht, kehrt in weissem  Pristerinnenkostüm wieder, die schwarze Bühnenrückwand stürzt nach vorne, erschlägt die Schergen Scarpias, die eben den Maler Cavaradossi erschossen haben, und Tosca schreitet wie eine Siegesgöttin aus  weiss-barockem Wolkenbild dem Zuschauerraum entgegen. Ein Coup de Théatre, der das Publikum überwältigte.

Photos: Uwe Stratmann


Diese „Tosca“ ist ein fulminanter Auftakt der neuen Wuppertaler Opernintendanz, die auf bildstarkes, stimmschönes Musiktheater und eher auf Erfolgsstücke als auf Experiment, Neues und Gewagtes zu setzen scheint, wie der neue Spielplan verheißt. Dass man kein festes Ensemble mehr hat und nur noch Stagione spielt, ist in deutschen Theaterverhältnissen neu, in Italien und an anderen Orten der Opern-welt  ist es längst gang und gäbe.  In Wuppertal war es angesichts der dramatische Sparzwänge in der Kultur die einzige Chance, das Opernhaus zu erhalten.




Beitrag auch im Deutschlandfunk, Musikjournal 09.09.2014