Zubin Mehta zum 85.

"Man muss die Musik unters Volk bringen"

Glamouröser Pultstar, indischer Kosmopolit & Alleskönner


Zum 85. Geburtstag von Zubin Mehta am 29.04.2021

 

Er ist der unzweifelhaft berühmteste indische Dirigent von Weltrang.  Er hat in Wien studiert und ist seit Jahrzehnten einer der vielseitigsten und gefragtesten Dirigenten unserer Zeit. Mit Ehrungen und Auszeichnungen wurde er überhäuft. Viele Orchester hat er geleitet, in den USA wie in Europa. Seine CD-und DVD-Produktionen sind nahezu unüberschaubar. Gleich zwei Labels haben seine sämtlichen Einspielungen in je einer Luxus-Edition herausgebracht. Nach überstandener schwerer Krebserkrankung 2018, die ihn zwang, Konzertverpflichtungen abzusagen, steht er nun wieder am Pult, soweit es die Pandemie erlaubt. Am 29. April feiert er seinen 85. Geburtstag

 

Die Musik von Richard Wagner schätzte der im ehemaligen Bombay, dem heutigen Mumbai, gebürtige Dirigent Zubin Mehta besonders. Schon als Kind kam er mit Wagner in Kontakt, denn sein Vater (ein Wagnerfan) war der Gründer des Bombay Symphony Orchestra. Als er selbst Dirigent geworden war, hat Zubin Metha in der ganzen Welt spektakuläre Wagneraufführungen dirigiert. „Ich habe außer Parsifal alles von Wagner gemacht. Wagner liegt mir sehr. Ich bin mit ihm politisch überhaupt nicht einverstanden, aber seine Musik spricht zu mir. Was soll ich tun?  Ich habe ein Problem.“  Problembewusstsein, politische Wachsamkeit und Charakterstärke hatte der Parse Zubin Mehta schon früh entwickelt, denn er war durch seine Familie in die zoroastrische Religion, einer Minderheit in Indien, hineingewachsen. Wenn er etwas hasst, ist es Nationalismus, Fanatismus und Rassismus.

 

„Das ist für mich nicht akzeptabel. Und ich sage das nicht nur in Sachen Deutsche und Juden. In Indien gibt es auch religiöse Ausgrenzung und Unterdrückung. Ich bin zwar nicht das Ziel, denn meine Leute sind beliebt bei Hindus und Moslems. Aber es gibt manche Hindus, und manche Muslime, die sich einfach hassen, bloss weil sie überhaupt existieren. Und das ist nicht akzeptabel. So bin ich aufgewachsen. Mit dieser Mentalität. Deswegen: Warum soll ich das in Europa akzeptieren?“


In New York, London und München, aber auch in Florenz, wo der indische Maestro seit 1985 Leiter des berühmten Festivals „Maggio Musicale“ war und bis heute als graue Eminenz des Musik- und Opernlebens in der Toskana und weit darüber hinaus verehrt und geschätzt wird.

 

Von 1998 bis 2006 war Mehta Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper München. Zubin Mehta ist Träger des „Nikisch-Rings“, der ihm von Karl Böhm vererbt wurde. Er ist Ehrenbürger von Florenz und Tel Aviv und Ehrenmitglied der Wiener Staatsoper, der Bayerischen Staatsoper und der Gesellschaft der Musikfreunde Wien. Den Titel eines Ehrendirigenten verliehen ihm die Wiener Philharmoniker, die Münchner Philharmoniker, Los Angeles Philharmonic, das Teatro del Maggio Musicale Fiorentino, das Bayerische Staatsorchester und die Staatskapelle Berlin. 2008 wurde er in Japan mit dem Praemium Imperiale ausgezeichnet, 2012 mit dem Großen Bundesverdienstkreuz.

 

Blick zurück: Zubin Metha war ein musikalisches Wunderkind. Im Alter von sieben Jahren erhielt er bereits Geigen- und Klavierunterricht. Mit 16 dirigierte er erstmals. Er studierte an der Wiener Musikakademie. Mit 18 gewann er den Internationalen Dirigentenwettbewerb von Liverpool und wurde dort stellvertretender Kapellmeister. Er war, was man einen Shootingstar nennt. Mit Zwanzig kam er zu den New Yorker Philharmonikern, als Mittzwanziger dirigierte er zum ersten Mal die Wiener und die Berliner Philharmoniker. 177 Konzerte, 74 Programme und 58 gemeinsame Jahre – Zubin Mehta und die Berliner Philharmoniker können auf eine lange künstlerische Freundschaft zurückblicken. "Ich habe mittlerweile die Ehre, drei Musikergenerationen von Berliner Philharmonikern dirigiert zu haben".

 

Er eroberte alle großen Orchester der Welt im Sturm und wechselte von einer prominenten Leitungsposition zur nächsten. Einem Orchester blieb er allerdings seit 1961 eng verbunden: dem Israel Philharmonic Orchestra. 2019 feiert er sein 50jähriges Jubiläum beim Israel Philharmonic Orchestra: 1969 wurde er musikalischer Berater des Orchesters, 1977 Chefdirigent, und vier Jahre später ernannte ihn das Orchester zum Musikdirektor auf Lebenszeit. Zubin Mehta hat über 3000 Konzerte auf fünf Kontinenten mit diesem Orchester dirigiert. 

 

„Ich bin ein Inder. Ich habe keinen Grund, mit Israel besonders freundlich zu sein. Unsere wunderbare Zusammenarbeit ist entstanden und über Jahre gewachsen. Ich schätze vor allem, dass Israel eigentlich die einzige wirkliche Demokratie in dieser Gegend ist. Ich kann dort jederzeit meine Meinung sagen. Das ist mir wichtig.“

 

Zubin Mehta ist einer der glamourösesten, handwerklich perfektesten und vielseitigsten Pultstars im internationalen Musikbusiness. Dass er mit Auszeichnungen und Ehren überhäuft wurde, lag aber nicht nur daran, dass er als Kapellmeister wie nur wenige Genauigkeit mit Eleganz und Temperament zu vereinbaren weiss. Er ist der vielleicht meinungsfreudigste, politisch korrekteste und kosmopolitischste unter den großen Dirigenten von Weltrang. Die Vereinten Nationen verliehen ihm denn auch 1999 den renommierten Preis für Frieden und Toleranz. Künstlerisch ist Mehta übrigens äußerst vielseitig. Von der Wiener Klassik bis zur Musik des 20. Jahrhunderts reicht sein Repertoire. Er dirigiert, ob in Mailand, Neapel, London, Berlin und New York Opern genauso passioniert wie Konzerte, in exklusiven Veranstaltungen für die betuchte Klientel, aber auch Open Air für die Massen und kostenlos.

 

„Das Dirigieren ist Kommunikation. Wir müssen die Musik, unsere Kunst, unters Volk bringen.“

 

Das kann er! Gemeinsam mit seinem Bruder Zarin hat Zubin Mehta in Bombay die Mehli Mehta Music Foundation gegründet, die Kinder an die klassische westliche Musik heranführt. Die von ihm initiierte Buchmann-Mehta School of Music in Tel Aviv fördert die begabtesten Musikstudenten des Landes.

 

Darüber hinaus ist er charmant, hat Charisma und beherrscht sein Handwerk wie nur Wenige. Er hat es in seinem Studium bei Hans Swarowsky an der Wiener Musikakademie gelernt. Swarowsky hat auch Claudio Abbado und Giuseppe Sinopoli ausgebildet.

 

Zubin Mehta hatte in Wien Gelegenheit, Dirigenten wie Bruno Walter, Herbert von Karajan oder Karl Böhm bei der Arbeit beobachten zu können. Er schloss Freundschaften mit Daniel Barenboim und Claudio Abbado, die, wie er, damals zu den aufstrebenden Talenten zählten. Die Zeit in Wien war wohl für Mehta eine der wichtigsten Phasen seines Lebens, denn er konnte dort ein berufliches und menschliches Netzwerk knüpfen, das für den späteren künstlerischen Erfolg entscheidend wurde. Schon damals wurden die Weichen Richtung Berlin gestellt: So wurde Herbert von Karajan, der damalige Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, sein Mentor.  Von Swarowsky hat Zubin Mehta allerdings  das Entscheidende für seinen Beruf gelernt: „Musikalische Disziplin, Werktreue und den unglaublichsten Sinn für Tempo.“




Imposante Hinterlassenschaft seiner dirigentischen Vielseitigkeit und Weltläufigkeit auf CD


Zwei große CD- Und DVD-Editionen sind zu Zubin Mehtas 85. Geburtstag erschienen.


Die Veröffentlichungen von Warner Classics und Sony (ehemals Columbia) enthalten jeweils alle Einspielungen Mehtas, die er bei den beiden Labels aufnahm. Sie repräsentieren damit einerseits die Bandbreite seines immensen Repertoires (Komponisten und Werke), andererseits seine Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten Orchestern der Welt , wie dem New York Philharmonic, dem Israel Philharmonic, den Wiener Philharmonikern, den Berliner Philharmonikern, dem Los Angeles Philharmonic, dem New Philharmonia Orchestra, dem London Philharmonic Orchestra, aber auch mit dem Orchestra del Teatro dell‘ Opera di Roma, dem Orchestra Sinfonica di Roma della RAI und dem Orchestra Sinfonica Nazionale della RAI. Die Warner Edition enthält sogar noch 2 Aufnahmen mit dem Orchestre Symphonique de Montreal.

Die Liste der Orchester, die er jahrelang oder sogar auf Lebenszeit leitet ist Legende. Bei den berühmtesten internationalen Festspielen ist er zuhause. Ein Jetset Dirigent der Extraklasse und ein Musikbesessener ist Zubin Mehta, das belegen die beiden Editionen eindrucksvoll

 

Von Johann Sebastian Bach bis Igor Strawinsky, Von Antonio Vivaldi bis Richard Strauss, von Wolfgang Amadeus Mozart bis Ottorino Respighi, von Ludwig van Beethoven bis Sergej Prokofjew, von Giuseppe Verdi bis Maurice Ravel, von Anton Bruckner bis George Gershwin, Von Giacomo Puccini bis Arnold Schönberg reicht sein Repertoire. Chapeau! Er war auf dem Konzertpodium ebenso zuhause wie in der Oper. Seine komplette römische „Aida“ mit Birgit Nilsson und Franco Corelli und “La Traviata“, ebenfalls aus Rom mit Eteri Gvazava und José Cura fährt Warner auf, dazu seine komplette „Tosca“ an den Originalschauplätzen Roms mit Plácido Domingo und Catherine als DVD. Auch sein legendäres Freiluftkonzert 1994 mit den drei Tenören (Carreras, Domingo und Pavarott) in Los Angeles ist in dieser Edition zu haben, sowie sein nicht minder legendäres Londoner Konzert mit dem indischen Star-Spieler und Altmeister Ravi Shankar fehlt nicht.


Sony punktet mit einem kompletten „Trovatore“ mit Placido Domingo, Leontyne Price und Fiorenza Cossotto, auch der New Yorker „Tosca“ mit der Price und Domingo, das Verdi-Requiem mit Montserrat Caballé. Die darf auf einer Mehta CD bei Warner immerhin Isoldes „Liebestod“, die Senta-Ballade, die Hallenarie der Elisabeth aus dem „Tannhäuser“ und Brünnhildes Schlussgesang aus der „Götterdämmerung“ singen.  

Eine der vielen Raritäten der Edition.

Weitere Highlights bei Sony sind alle Brahms-Sinfonien mit dem Israel Philharmonic (dessen lebenslanger Chef Mehta ist), eine Gesamteinspielung von Mozarts „Le nozze di Figaro“ aus Florenz, der zentralen Wirkungsstätte (nicht zuletzt des Festivals Maggio musicale, um das er sich viele Verdienste erwarb) und Lebensmittelpunkt Mehtas, seine komplette Berliner „Salome“ mit Eva Marton, alle 5 Neujahrskonzerte, die Mehta in Wien dirigierte sind ebenfalls dabei, Wien ist ja gewissermaßen sein „Wohnzimmer“, wie er einmal bekannte, in Wien ist er vom legendären Hans Swarowsky zum Dirigenten ausgebildet worden.  Aber auch die Wiener Philharmoniker (deren Ehrenmitglied er ist), die Staatsoper, das Konzerthaus, das „Haus der Musik“, dessen Ehrenpräsident er ist, haben ihm diese Stadt zu seiner Heimat werden lassen, obgleich er aus Indien stammt (er wurde in Bombay, dem heutigen Mumbai geboren). Er ist bekennender Parse, was seine human temperierte, tolerante und weltaufgeschlossene, politisch unabhängige, vielfältig engagierte Persönlichkeit erklärt.


Zubin Mehta ist einer der ungewöhnlichsten, weil einzigartig weltoffenen Dirigenten, ein echter Mann von Welt, ja ein bekennender Weltbürger der Musik, voller Empathie, ein Kommunikationstalent und von stupendem technischem Können. Er ist die wohl international agilste Reiseexistenz unter den Dirigenten. 27 CDs und 3 DVDs bei Warner (gewissermaßen the best of his records) spiegeln seine dirigentische Karriere und 94 CDs sowie 3 DVDs sind es bei Sony. Angesichts der unermesslichen Veröffentlichungen Mehtas ist das ein wichtiger und gewichtiger Teil seines Lebenswerks. Darunter viele Referenzaufnehmen. Beide Editionen, die auch den Vergleich ein und desselben Stücks in verschiedenen Interpretationen mit unterschiedlichen Orchestern erlauben, dokumentieren die Ausnahmeerscheinung dieses Superstars unter den internationalenPultheroen und widersprechen eindrucksvoll dem Schillerwort, dass die Nachwelt dem Mimen keine Kränze flechte.