CD Tribut an Offenbach. Florence Delaage

„Tribut an Offenbach“


Auf ihrer neusten CD spannt die große Liszt-Interpretin und Alfred Cortot-Schülerin Florence Delaage, die große alte Dame unter den Pariser Pianistinnen,  souverän einen Bogen von Bach über Liszt zu Busoni und erweist im Jahr seines 200sten Geburtstages auch dem „Mozart der Champs-Élysees“ ihre Reverenz.


Florence Delaage spielt Bach, Busoni, Offenbach und Liszt


Melism MLS-CD-015 / Recording Producer: Nikolaos Samaltanos / Bechstein

 

Franz Liszt war wohl der bedeutendste Klaviervirtuose des 19. Jahrhunderts. Er soll wahre Wun-der vollbracht haben auf seinem Instrument. Aber auch Jacques Offenbach verzauberte schon als junger Mann das Publikum mit seinen stupenden Fähigkeiten als Cellist. Man nannte ihn nicht ohne Grund den „Liszt des Cellos“. Einmal musizierten die beiden Virtuosen gemeinsam in ei-nem Konzert in Köln, am 12. September 1843. Beide verehrten Johann Sebastian Bach, auch wenn Offenbach, obwohl zum Katholizismus konvertierter Jude,  der religiösen Inbrunst Liszts fernstand.  Die Liste der Bachverehrer unter den Komponisten ist lang. Auch Richard Wagner, der Schwiegersohn Franz Liszts, hat in seinen letzten Lebensjahren immer wieder Bach am Kla-vier gespielt, aber auch Offenbach-Quadrillen. Offiziell hatte Wagner Offenbach ein Leben lang beschimpft. Zu Wagners Psychomechanik gehörte es, Menschen, die er heimlich bewunderte, aus Neid und Missgunst öffentlich schlecht zu machen. Nur so konnte sein narzisstisches, aber im-mer absturzgefährdetes Selbstbewusstsein überleben. In seiner unangefochtenen Autorität hatte Gioacchino Rossini – vielleicht nicht ganz ohne Ironie  - den aus Köln stammenden Pariser den "Mozart der Champs-Élysees" genannt.  Dass Wagner wohl auch die Größe Offenbachs erkannt hatte, bezeugt ein Brief vom 1.5.1882 an den Dirigenten Felix Mottl (der nach Wagners Tod in Bayreuth der Lieblingsdirigent Cosimas wurde). In ihm lobt Wagner ein dreiviertel Jahr vor sei-nem Tod in Bezug auf Musik aus Mozarts Don Giovanni den Komponisten Offenbach: "Betrach-ten Sie Offenbach. Er versteht es ebenso gut wie der göttliche Mozart... Offenbach hätte ein zweiter Mozart werden können."  



J. Offenbach: Les Roses du Bengale: 6 valses sentimentales


1. A Mlle Clémence de Reiset - Andantino grazioso

2. A Mlle Herminie de Alcain - Valse du Tyrol Maestoso, Allegretto non troppo

3. A Mlle Virgie de Bletterie - Lento

4. A Mlle Emilie de Girese - Andantino

5. A Mlle Léonie de Vernon - Allegretto maestoso

6. A Mlle Ursule de Beaumont - Valse allemande Allegro


Jacques Offenbachs jugendliche Klaviermusik nimmt unter den 600 Nummern seines Œuvres allenfalls den Rang von (allerdinge exquisiten) Gelegenheitswerken ein. Die sechs Walzer „Les Roses du Bengale“ sind Teil einer ganzen Reihe von Tänzen für Klavier, die der  gerade einmal zwanzigjährige Komponist  zu unterschiedlichen Anlässen in galanter Absicht geschrieben hatte. Jedes Stück ist einer besonderen Widmungsträgerin (einer ‚Rose‘) gewidmet. Es handelte sich wahrscheinlich um Damen der Pariser Noblesse, in deren Salons der junge Komponist  anticham-brierte und reüssierte. Unter den Widmunstägerinnen befindet sich eine, bei der die Galanterie zum Ziele führte: Herminie de Alcain. Ungefähr zwei Jahre nach Veröffentlichung der Roses du Bengale, 1844, heiratete Offenbach Herminie de Alcain. Mit ihr führte er bis zu seinem Lebens-ende eine überwiegend glückliche Ehe, aus der fünf Kinder hervorgingen.


Franz Liszt: Valse-Impromptu

Der Walzer wurde 1852 veröffentlicht, basiert aber auf älteren Klavierstücken. Das elegante Stück war seit je fester Bestandteil im Repertoire der bedeutendsten Pianisten.  


Franz Liszt Valse-oubliée  Nr 1

Im Sommer 1881 entstand eine Komposition, die Franz Liszt in einem Brief an seinen Verleger als „Valse oubliée“ (Vergessener Walzer) ankündigte. Das Stück erinnert an die gefälligen Kla-vierwalzer, wie sie der Komponist in seiner Frühzeit gepflegt hatte – es lässt sich nun aber eine gewisse Distanzierung zur üblichen Walzerseligkeit heraushören. Liszt verzichtet zwar nicht auf Virtuosität und Eleganz, aber Nostalgie und Ironie sind unüberhörbar.  Gängige melodische und rhythmische Floskeln der Salonwalzer werden in neuartige, harmonisch verfremdende Verläufe eingebettet. Liszt hat insgesamt vier „Valses oubliées“ geschrieben. 


Franz Liszt: Les jeux déau à la Villa d`Este 

(1877 komponiert, 1883 im dritten Band der Années de pèlerinage veröffentlich)

In der Villa d’Este, die in dem kleinen Ort Tivoli östlich von Rom liegt, verkehrte Franz Liszt häufig als Gast des amtierenden deutschen Kurienkardinals Gustav Adolf Prinz zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Seine „Jeux d’eaux“ beschreiben zum einen das Spiel der glitzernden Fontänen in den berühmten Wasserspielen der Villa; in Takt 144 kommentierte Liszt den Notentext zudem mit einem Bibelzitat vom „Wasser des Lebens“ und stellte das Werk somit in einen religiösen Kontext. Später ließ sich auch Maurice Ravel, durch Liszt angeregt,  zu einer Komposition „Jeux d’eau“ anregen.  


J. S. Bach: „Capriccio sopra la lontananza de il fratro dilettissimo“

BWV 992

Arioso, Adagio

Moderato

Andante sostenuto

Alla marcia

Air du postillon  poco allegro

 Fugue


Das Caprissio über die Abreise des sehr beliebten Bruders“ - schrieb Bach mit 19 Jahren. Um welchen „Bruder“ es sich handelte, ist nicht eindeutig zu ermitteln, zumal Bach auch Freunde mit dem Wort „Bruder“ anredete.  Schon der Musiktheoretiker und Zeitgenosse Bachs, Johann Mat-theson, wies auf die improvisatorisch wirkenden Einfälle Bachs hin, auf die keiner festen Regel folgenden Formen und die unkonventionelle Verarbeitung des musikalischen Materials. Es weist viel daraufhin, dass sich das sechssätzige Stück mit seinen untypischen Satzbezeichungen nach dem Modell der „Biblischen Historien-Sonaten“ Johann Kuhnaus (1700) in der Tradition von Frescobldis und Frobergers  Capricci auf die Abreise Bachs aus Lüneburg und den gleich-zeitigen Abschied von seiner Schulzeit  bezieht.


Der  italienische Pianisten und Komponist Ferruccio Busoni (1866–1924) war einer der größten Bewunderer Bachs und hat über einen Zeitraum von fast 30 Jahren unzählige Klaviertranskriptio-nen Bachscher Musik verfasst, die er in zwei umfangreichen Sammlungen herausgab, darunter:


Ferrucio Busoni: Transkription „Nun komm der Heiden Heiland“ BWV 659

Ferrucio Busoni: Transkription „Ich ruf zu Dir, Herr Jesu Christ“ BWV 639



Text. Dieter David Scholz / Das Nadar-Photo ist im Besitz des Autors