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Frida Leider: Jahrhundert-Sängerin im Zwiespalt ihrer Zeit
Sie war eine der bedeutendsten hochdramatischen Sängerinnen ihres Jahrhunderts, die Berliner Sopranistin Frieda Leider. 1942 stand sie zum letzten Mal auf der Bühne. Nach dem Zweiten Weltkrieg war sie nur noch als Gesangspädagogin tätig. 1959 brachte sie ihre Autobiographie unter dem Titel „Das war mein Teil“ heraus. Jetzt ist erstmals eine Biographie der Sängerin erschienen. Die Musikwissenschaftlerin Eva Rieger hat sie geschrieben.
Frida Leider sang Wagner mit einer Leichtigkeit wie keine andere Sängerin. In ihrer Autobiographie schreibt sie denn auch: „Ich bemühte mich immer, ein italienisches Belcanto zu singen, und es war mein höchstes Streben, diesen Gesangsstil auf die Interpretation meiner Wagner-Partien zu übertragen, ein Ziel, das mich nach Jahren härtester Arbeit zum Welterfolg führen sollte.“ Ihr Welterfolg, das waren die Jahre zwischen 1921, als sie zum ersten Mal die Isolde an der Hamburgischen Staatsoper sang, und 1938, als sie zum letzen Mal in Bayreuth auf der Festspielhausbühne stand. Angefangen hat sie in Halle an der Saale, dann ging es über Rostock nach Königsberg. Die Berliner Staatsoper wurde ihr Stammhaus. Von dort aus führten sie Gastspiele an alle großen Opernhäuser der Welt. Sie galt in den Zwanziger- und Dreißigerjahren als gefragteste Wagnersängerin der Welt, aber sie sang – dank ihrer fabelhaften Technik - auch immer Verdi und Mozart.
Frida Lieder hat in ihrer Autobiographie ihren Lebensweg und ihre Karriere in unprimadonnenhafter Bescheidenheit beschrieben. Privates, ja Intimes hat sie weitgehend ausgespart. Sie gehört zu denjenigen Sängerinnen, die sich weniger ernst und wichtig nahmen als ihre Kunst. Was sie nur andeutete, waren die Jahre seit Hitlers Machtantritt, die für sie das schmerzhafte Ende ihrer Karriere bedeuteten, da sie mit einem jüdischen Mann verheiratet war. Eben da setzt das Buch der Musikwissenschaftlerin Eva Rieger an. Sie entschuldigt das Schweigen der Frieda Leider: „Sie war außerstande, die Ängste, ihre Depressionen und die ihres Mannes in ihrer Autobiografie wahrheitsgemäß zu schildern“, so liest man. Und Eva Rieger macht sich daran, die Sängerin „im Zwiespalt ihrer Zeit“, wie der Untertitel dieser ersten Biographie der weltberühmten Sängerin lautet, akribisch zu beschreiben: Ihr Verhalten gegenüber der Partei, gegenüber Bayreuth, ihren Kollegen und ihrem Ehemann, nicht zuletzt ihrer Mutter.
1938 stand Frida Leider Leider zum letzten Mal auf der Bühne des Bayreuther Festspielhauses, auch sang sie ihre 15. und letzte Saison an Covent Garden in London. Der zermürbenden, ausweglosen Situation, der sie und ihr Ehemann ausgesetzt waren, der politische Druck, die Maßregelungen und Auftrittsverbote, all dem war die Sängerin körperlich und seelisch nicht gewachsen. Die Reichskristallnacht am 8. November 1938 brachte dann die Entscheidung: Ihr Mann, der Konzertmeister der Berliner Staatsoper, Rudolf Demann emigrierte in die Schweiz. Frida Leider blieb in Deutschland, schon ihrer Mutter wegen, aber auch, um von Deutschland aus mit Gastspielen unter anderem in der Schweiz, ihrem Mann finanziell unter die Arme greifen zu können, solang es ging. 1942 stand sie zum letzten Mal auf der Bühne.
Mit großer Sorgfalt und umfangrechen Archiv-Recherchen hat Eva Rieger in ihrer weit ausholenden Biografie vor allem das letzte, traurige Kapitel der Karriere Frida Leiders aufgerollt. Ein Glücksfall war, dass sie den Nachlass der Sängerin einsehen und bislang unbekannte Quellen auswerten konnte. Unter Mitwirkung des Gründers und Leiters der Berliner Frida-Leider-Gesellschaft, Peter Sommeregger, hat Eva Rieger den Fall Frida Leider als beispielhaftes Künstlerschicksal im Dritten Reich dokumentiert, mit seinen Zumutungen, Demütigungen, Intrigen, Denunziationen und Bedrohungen. Man erfährt in diesem Buch viel über die infame NS Kulturpolitik, aber auch über das beschämte Schweigen so Mancher nach 1945, ein Schweigen, um sich selbst zu retten durch Vergessen und Verdrängen. Doch, so die Biographin: „Um diese Jahre zu verstehen, muss das Schweigen aufgebrochen werden. Dies ist schon vielfach geschehen, aber es gibt noch immer Klärungsbedarf.“ Zumindest im Falle der überragenden Sängerin Frida Leider, deren Leben nicht nur als Künstlerin, sondern auch als Figur der Zeitgeschichte zum ersten Mal ausführlich dargestellt wird, hat das bewegende Buch eine Lücke geschlossen.
Buchbesprechung in MDR Kultur