Augustiner Stammhaus in München

Fotos: Dieter David Scholz


Das Augustiner Stammhaus in der Neuhauser Straße 27, 80331 München.



Ältester erhaltener Münchner Bierpalast. Ein prachtvolles Stück Bayern


Es ist eines der authentischsten und schönsten Lokale, die es hierzulande gibt. Ein Stück Münchner, ja bayerischer Wirtshauskultur, die die sprichwörtliche bayerische Gemütlichkeit erlebbar macht, aber jenseits von Klischees. Es handelt sich gar um ein regelrechtes Restaurant-Ensemble. Es gibt eine Bierhalle, ein Restaurant, ein Gartenstüberl, einen Arkadengarten, den Grünen sowie den weißen Saal und dem Muschelsaal. Vom Augustiner Keller mit Biergarten (5000 Plätze) zu schweigen. Sogar die ehemaligen Wohnräume der Wirtsfamilie Vollmer sind inzwischen zum Restaurant hergerichtet worden

.

Das Augustiner-Stammhaus befindet sich seit 1829 zwischen Marienplatz und Stachus in der Fußgängerzone der Neuhauser Straße. Es ist eine Sensation. Schon in ihren Dimensionen und ihrer Wirtshaus-Ästhetik. Hier erlebt man ein Stück altes und doch immer noch gegenwärtiges München, es ist eine Ikone Bayerns.

Das Gebäude in seiner heutigen Form wurde von 1896 bis 1897 komplett umgebaut. Verantwortlich hierfür war der berühmte Münchner Architekt Emanuel von Seidl. Auch wenn seitdem über ein Jahrhundert vergangen ist, so kann man noch heute sein Werk bestaunen. Opulenz, Jugendstil, verzierte Spiegel und Gemälde zeichnen auch das neuerrichtete im ersten Stock aus. Das gewaltige Restaurantensemble mit mehr als 2500 Plätzen ist original erhalten, eindrucksvolles Dokument einer einstigen Lebens- und Wirtshauskultur. Roland Kaut, der Wirt Thomas Vollmer und Chefkoch Martin Schwarz pflegen sie bis heute.

Das Glanzstück ist ohne Frage der einzigartige Muschelsaal. Ein in Perlmutt glitzernder Tempel bayerischer Gastronomie, der mich immer wieder fasziniert. Bei jedem München-Besuch führt mich mein erster Weg an diesen schon vom Ambiente her so nostalgischen wie kulinarischen, romantischen wie vitalen, volksnahen Ort. Ein Ort der (Ess-) Lust, an dem man bayerische Lebensart und Bayern so echt erleben kann wie nirgendwo anders..


Auch wenn die Hirschköpfe samt Geweihen, die den Saal zieren, einst in Gold erstrahlten, und die Satyrmasken an den Wänden Patina angesetzt haben, so hat dieser Saal, der den vorderen und hinteren Restaurantbereich miteinander verbindet, nichts an Charme verloren. Die Glaskuppelkonstruktion ist ein architektonisches Meisterwerk. Bis auf kleine Details präsentiert sich der Muschelsaal des Augustiner Stammhauses noch so wie anno 1897. Es war das erste besondere Jugendstilwerk von Emanuel von Seidl und sorgte seinerzeit für große Aufmerksamkeit. Auch heute noch ist man überwältigt. Das Restaurant verfügt über einen eigenen Eingang. Dies war von jeher so beabsichtigt, da das wohlhabende Bürgertum sowie der Adel gediegener speisen wollten: schön eingedeckte Tische, der Service schwarz-weiß gekleidet und äußerst aufmerksam. 


Was das Essen angeht: Man isst im Augustiner naturgemäß typisch bayerisch, nicht auf Sterne-Niveau, freilich nicht, aber authentisch, gutbürgerlich, um nicht zu sagen volkstümlich, jedenfalls gut. Ich bin immer beglückt, wenn ich im Augustiner gesessen und gegessen habe, denn das ist Bayerns Küche, wie man sie sich wünscht. Die historische „Münchner Küche“ steht für Kalb-, Schweine und Rindfleisch. Für Spezialitäten wie Presssack, Bauernsülze, Brotzeitteller, Schlachtschüssel, Schweinshaxe, Tellerfleisch oder Saures Lüngerl, Münchner Sauerbraten, Spanferkel, Zwiebelrostbraten, Krusten-Jung-Schweinebraten und allerlei Würste. Es versteht sich von selbst, dass nur hausgemachte Weißwürste, Leberkäs, Kalbsbratwürste auf den Teller kommen. Es gibt Rote Riesenbratwurst, Wiener Würstel, Blut- und Leberwürste. Daneben gibt es Fisch, natürlich Brezen, Kartoffel- oder Semmelknödel, Speck-Krautsalat, Münchner Kartoffelsalat (mit Essig und Öl). Die Speisekarte ist reichhaltig.


Selbstverständlich bekommt man auch eine Vielzahl vegetarischer Gerichte. Saisonal abgestimmt etwa frische Pfifferlinge in Kräuterrahm mit Breznknödel, diverse Salatkreationen, gebratene Kaspressknödel auf Tagesgemüse, und das alles natürlich von regionalen Produzenten, die sich der nachhaltigen Landwirtschaft verschrieben haben.


Es versteht sich von selbst, dass man traditionellerweise frisch gezapftes Augustiner Bier trinkt. Im Stammhaus können die Gäste verschiedene Sorten des berühmten Augustiner-Bieres genießen, vom hellen bis zum dunklen Bier. Die Biere werden frisch und kühl serviert, selbstverständlich. Die gute Qualität der historischen Rezepte wurde beibehalten und das hat der Brauerei einen hervorragenden Namen weit über Bayern und Deutschland hinaus eingebracht. Traditionell nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut, wird Augustiner als eines der besten Biere aus Bayern gelobt. Auf Werbung verzichtet man daher weitgehend. Es gibt übrigens – allen Nicht-Bier-Enthusiasten sei’s zur Beruhigung gesagt - auch Wein.


Noch ein Wort zu den Preisen für Speis und Trank. Sie sind im Augustiner äußerst sozialverträglich. Es findet sich für jeden Gelbeutel etwas. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt einfach. Es handelt sich ja nicht um ein Lokal für Touristen (die kommen natürlich auch), sondern für Münchner, ein authentisches Volkslokal im besten Sinne. Es gibt „edlere“, sehr teure Münchner Lokale, die für die Touristen auf „bayerisch“ machen, aber wesentlich teurer sind! Und unecht.

Zulieferer aus dem idyllischen Voralpenland, dem Pfaffenwinkel, versorgen den Augustiner ganzjährig mit frischem Gemüse und Fleisch aus dem betriebseigene Gut Granerhof samt Veredelungsmetzgerei und Dorfladen.


Zu den Räumlichkeiten: Der vordere Teil des Restaurants ist dem legendären bayerischen Prinzregenten Luitpold gewidmet, der von 1886 bis 1912 Bayern regierte. Er war der Natur und der Jagd sehr verbunden, was sich in diesem Saal mit seiner Holzdecke widerspiegelt. Seinem Vater, König Ludwig I., ist der hintere Restaurantbereich gewidmet. Ein großes prächtiges Bildnis zeigt den ehemaligen Regenten. Geschrieben steht dort: „Ich will aus München eine Stadt machen, die Deutschland so zur Ehre gereichen soll, dass keiner Deutschland kennt, wenn er nicht auch München gesehen hat.“ 


Wie früher üblich, besaßen die meisten größeren Bierpaläste eine eigene Bühne für Veranstaltungen, Feiern oder Theaterstücke. Heute dient der Grüne Saal im Augustiner Stammhaus unter anderem den Schäfflern, den traditionellen Zunfttänzern der Schäffler (Fasshersteller) als Übungsbühne für ihre Tänze. Ein historischer Exkurs: Den Schäfflertanz gibt es seit über 500 Jahren. Ursprünglich diente der Tanz als Aufheiterung in Zeiten der Pest. Heutzutage findet die Tanztradition alle 7 Jahre statt. Nach der Saison 2019 ist 2026 der nächste reguläre Termin. In München organisiert der Fachverein der Schäffler den Tanz. Bei ihren Auftritten tragen die Schäffler rot-grüne Kostüme. Getanzt wird eine Abfolge von bestimmten Figuren und Formationen. Zum Starkbieranstich und im Fasching herrscht natürlich reger Betrieb in diesem Saal. Selbstverständlich kann man den Grünen Saal, wie auch den Weißen jederzeit für Firmenjubiläum, Weihnachts- oder sonstige Feiern buchen.


Direkt vom Restaurant geht es über eine massive Holztreppe hinauf in den Weißen Saal. Geschmückt ist dieser mit reichlich Stuck. Die Wildmotive erinnern noch an seine ehemalige Bezeichnung als Jagdzimmer. Eine hölzerne Kassettendecke und Messingleuchter prägen das Ambiente. Im Innenhof des Augustiner Stammhauses herrscht – im Gegensatz zur hektischen Münchner Fußgängerzone - angenehme Ruhe. Dieser Innenhof ist eine kleine Wirtsgarten-Oase. 


Die Geschichte des ersten Augustiner Stammhauses reicht zurück bis Ende des 13. Jahrhunderts. Genauer gesagt bis zum 4. Mai 1294, als an der „Neuhauser Gasse“ der Grundstein für das Augustiner Kloster auf dem Haberfelde gelegt wurde. Das Jahr 1328 ist für die Augustiner Brauerei von doppelter Bedeutung. So ist es urkundlich verbrieft, dass zu jener Zeit von den Mönchen bereits ein Brauhaus betrieben wurde. Dies wiederum bedeutet, dass die Augustiner Brauerei Münchens älteste Brauerei ist. Anno 1372 wohnten in München 11.500 Menschen, und es gab bereits 21 Brauer. Einige Jahrzehnte später, im Jahr 1502, waren es bereits 39 Münchner bürgerliche Brauereien. Und 1600 sind es gar 74 bürgerliche Brauereien – plus sechs Klosterbrauereien –, zu denen natürlich auch die Augustiner Brauerei zählte. Um 1802 kommt auch in Bayern die Säkularisation zum Tragen, was dazu führt, dass zahlreiche Klöster aufgelassen werden und der Besitz ans Herrscherhaus übergeht oder veräußert wird. 1803 traf es auch das Augustiner Kloster. Die Brauerei wird aber noch einige Jahre staatlich weitergeführt. 1817 erfolgte der dringend notwendige Umzug ins neue Stammhaus der Augustiner Brauerei, direkt in die Neuhauser Straße 16. Die neuen Besitzer und Wirte, Georg Gröber und Baptist Lankes, beides Berufsfischer, verstanden sich wenig aufs Bierbrauen, sodass nur zwölf Jahre später ein weiterer Besitzerwechsel anstand. Dieser sollte dann aber die Geschicke der Brauerei bis heute beeinflussen. Denn mit Anton und Therese Wagner übernahm am 5. März 1829 ein gestandenes Brauer-Ehepaar aus Freising (Hagenbräu) das Augustiner Bräu. Von nun an war Münchens älteste Brauerei in bürgerlichem Besitz sein. Das Bier war nach wie vor sehr beliebt bei den Einheimischen und sorgte für ein florierendes Geschäft, was dazu führte, dass man nach und nach die Nachbarshäuser aufkaufte und die alte Brauerei vergrößerte. Als 1844 der Bräu Anton Wagner verstarb, übernahm Therese Wagner die Brauerei. Sie trug maßgeblich dazu bei, dass es weiter voranging. Therese Wagner war eine Unternehmerin mit Visionen, darum ließ sie im Sommer 1852, ein neues Sudwerk samt Dampfmaschine und -kessel aufstellen. Dieser Schritt veränderte die Bierproduktion komplett, vom handgemachten zum industriellen Bier. Schnell wurde es aber auch in der Neuhauser Straße zu eng. Und so erwarb sie 1857 den Butlerkeller. Dieser lag damals noch außerhalb der Stadt, an der Landsberger Straße. Nur ein Jahr später, 1858, verstarb Therese Wagner. Der erfolgreiche Fortbestand der Brauerei sowie der Bierhalle war aber gesichert, da ihr ältester Sohn Joseph die Geschäfte übernahm. Unter seiner Ägide entwickelte sich das Gelände des ehemaligen Butlerkellers – 1883 bis 1890 – zu einer hochmodernen Braustätte. Dies bedeutete zugleich, dass die Bierproduktion nach und nach von der beengten Innenstadt hinaus auf die Schwanthalerhöhe zog und sich das Augustiner Stammhaus mehr und mehr zum Wirtshaus wandelte. Das gesamte Ensemble der Augustiner Brauerei (Landsberger Straße 31–35) ist die einzige komplett erhaltene Münchner Braustätte aus dem 19. Jahrhundert. Mit dem Auszug der klassischen Brauerei sollte auch ein neuer Abschnitt in der Geschichte des Augustiner Stammhauses beginnen. Den Auftrag dazu, den gesamten Häuserkomplex in der Neuhauser Straße 22 neu zu gestalten, erhielt 1895 kein Geringerer als Emanuel von Seidl. Von 1896 bis 1897 entstand an diesem Ort ein neues Bierausschankgebäude mit Gasthaus, das unter den Namen „Zum Augustiner“ und „Augustiner Großgaststätten“ berühmt wurde.


Der Münchner Emanuel von Seidl (1856–1919) galt in seiner Zeit als einer der Villenarchitekten Süddeutschlands. Zu seinen Bauten zählt die Seidlvilla genauso wie das Elefantenhaus im Tierpark Hellabrunn. Ein erstes bemerkenswertes Ausrufezeichen setzte er 1897 mit dem legendären Muschelsaal des Augustiner Stammhauses – den Sie noch heute bewundern können.


Seit 1984 ist die Familie Vollmer Pächter des Augustiner Stammhauses und damit eines der traditionsreichsten Wirtshäuser der bayerischen Landeshauptstadt.  (Eigentümer ist Die Edith-Haberland-Wagner-Stiftung hält heute knapp 50 % der Anteile an der Brauerei. Weitere ca. 20 % der Anteile halten Nachfahren der Familie Wagner, Brauereifamilie aus Freising, und ca. 30 % befinden sich im Besitz der Familie Inselkammer.)


Wer das Stammhaus der Augustiner-Brauerei nicht gesehen hat, hat etwas verpasst. Es gehört neben der Asamkirche zu den unbedingten „musts“ eines jeden Münchenbesuchs.