Callas Klausener

Callas-Fakten-Dokumentation in archivarischer Sachlichkeit


La Divina wird sie genannt, „Die Göttliche“. Sie galt als „Primadonna assoluta“. Sie war zu Lebzeiten schon ein Mythos und sie war eine hollywoodreife Diva, deren glamouröse Erscheinung, deren gesellschaftliche Skandale und   deren künstlerischen Erfolge Publikum und Presse auf der ganzen Welt in Atem hielten.

Ihr Leben rieb sich zwischen den Polen Kunst und Liebe auf. Ihre filmreife und romanhafte Vita ist eine bewegende Geschichte von Triumphen, Exzessen und Tragödien. Auch 100 Jahre nach ihrer Geburt am 2. Dezember 1923 bleibt Maria Callas eine der größten Opern-Diven schlechthin.


Maria Callas fasziniert nach wie vor als überragende Künstlerin, aber auch als Stilikone und mit ihrer Persönlichkeit. Dramatischer Gestus und musikalische Authentizität sind die unverwechselbaren Merkmale ihrer Interpretationen. Ebenso einzigartig ist der außergewöhnliche Tonumfang ihrer Stimme, ihr einzigartiges Timbre ist berührend. All dies verbindet sich zu einer Aura, mit der Maria Callas viele Protagonistinnen der Oper verkörperte und sie zum Inbegriff der Primadonna wurde.


Über die Stimme der Callas gehen die Meinungen weit auseinander. Eigentlich hatte sie drei Stimmen. Die drei Register - eine herb-getönte, dramatische Bruststimme, eine dunkel timbrierte, fast animalische, dämonische Mittellage und eine brillante Höhe bis zum dreigestrichenen Es - waren je für sich beeindruckend, wenn auch nicht restlos ausgeglichen. Aber mit ihrer vielschichtigen Stimme konnte sie eine irritierende und oftmals schockierende Vielfalt von Klängen und Stimmfarben erzeugen und damit Seelisches zum Klingen bringen wie nur wenige andere Sängerinnen.


Die Karriere der Callas war vergleichsweise kurz. Nur 15 Jahre stand sie erfolgreich auf der Bühne.  Sie hat sich durch ihren schonungslosen Einsatz regelrecht verbrannt. Singen war für sie mehr als Beruf und Big Business, auch wenn sie der teuerste Opernstar ihrer Zeit war. Maria Callas hat sich mit den Figuren, die sie darstellte, total identifiziert. Und sie hat sich nicht geschont. Sie war ungewöhnlich fleißig. Sie hatte ein sehr breites Repertoire. Sie sang italienisches Fach, Französisches Fach, sie sang Wagner, Belcanto, Rossini und Spontini. Sie hatte Raubbau an ihrer Stimme betrieben. Die Begegnung mit dem Milliardär Onassis, durch die sie zur berühmtesten Frau der Welt wurde, hat ihr schließlich das Genick gebrochen, seelisch wie stimmlich. Ihr erster Mann, Meneghini, war nichts als Vaterersatz und ein skrupelloser Manager gewesen. Onassis war ihre große Liebe. Onassis versprach Maria Callas die Heirat. Sie wollte endlich ein ganz normales Leben als Frau führen. Doch dann hat Onassis schließlich das Interesse an Maria Callas verloren und heiratete die ehemalige First Lady der USA, Jacqueline Kennedy. Darüber kam Maria Callas nicht hinweg. Sie war eine gebrochene Frau. Ihre Stimme gehorchte ihr nicht mehr.

 

Das Geheimnis der Callas und ihrer immensen Wirkung jenseits der Skandale und Bildzeitungssensationen, die natürlich auch zum Mythos Callas gehörten, hat niemand besser auf den Punkt gebracht als die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann.  Sie hat einmal gesagt: "Die Callas hat nicht Rollen gesungen, sondern auf der Rasierklinge gelebt". Diese Bedingungslosigkeit, die Intensität, die Ernsthaftigkeit und Kompromisslosigkeit ihres Singens, aber auch die ihres schauspielerischen Instinkts, und ihrer perfekten Beherrschung der Rolle der Primadonna hat das Publikum – trotz ihrer stimmlichen Anfechtbarkeit - schlichtweg hingerissen und überwältigt, denn sie hat mit ganzer Seele gesungen. Das, was die Italiener „Canto espressivo“ nennen. Sie hat die Sehnsüchte und Bedürfnisse des Publikums erfüllt, und sie hat den von ihr dargestellten Figuren der Vergangenheit eine Stimme unserer modernen Zeit gegeben. Vor allem den Belcantopartien, die sie fürs 20. Jahrhundert wieder entdeckt hat.

 

Ihre Skandale und Erfolge haben jahrelang die Schlagzeilen der internationalen Medien, nicht nur der Regenbogenpresse beherrscht. Sie ist dabei selbst zu einer der tragisch-romantischen Heldinnen geworden, die sie auf der Bühne unnachahmlich verkörperte. Maria Callas ist ein Mythos geworden, der bereits zu ihren Lebzeiten entstand.  Über den Mythos habe John F. Kennedy einmal gesagt, so zitiert ihn Klausener, er sei „der große Feind der Wahrheit.“  Man kann dies als Motto seines Buches verstehen.

 

Klausner hat aus gegebenem Anlass eines der bemerkenswertesten Callas-Bücher geschrieben. Er ist inzwischen pensioniert.  Er hat an der Universität Mainz Spanisch, Italienisch, Philosophie und Betriebswirtschaft studiert, arbeitete als Diplom-Übersetzer, bei der Bundesagentur für Arbeit, und in diversen Berufen in Italien. Musikwissenschaftler ist er nicht, auch kein Stimmen- oder Sängerspezialist. Er ist „nicht vom Fach“ wie er bekennt. „In meinem beruflichen Leben habe ich mit Gesang, Oper, Musik nichts zu tun gehabt.“ Vielleicht deshalb ist ihm gelungen, was so viele Bücher über La Divina vermissen lassen: die Sachlichkeit eines Archivars, der über Jahre gesammelt und geordnet hat.


Jürgen Kesting, selbst einer der führenden Calls-Biographen (Maria Callas 1990) schreibt denn auch zurecht in seinem Geleitwort: „Die meisten Versuche, ,,the woman behind the legend“ zu ?nden, sind nicht über eine Kehrichtsamm-lung von Fakten und Fakes hinausgekommen. ... Dem Faszinosum der Sängerin, die Lanfranco Rasponi in seinen Gesprächen mit ,,The Last Prima Donnas“ als ,,The One and the Only“ führt - diesem mythisierten Wesen spürt Helge Klausener auf den 440 Seiten einer Akte nach, die sich an eine Maxime des ,,Spiegel“-Günders Rudolf Augstein hält: ,,Sagen, was ist.“

Das Buch von Klausener ist das Ergebnis akribischer Archivarbeiten und Recherchen: eine respektgebietende Sammlung von biographischen Daten, von Erinnerungen und von Dokumenten (Zeitungs- und Magazin-Artikel, Rundfunksendungen, Erinnerungen von Kolleginnen und Kollegen) über die Ausbildung der Callas, über ihre ersten Aufführungen und Konzerte, über den Beginn ihrer Karriere, über den Aufstieg zur Primadonna und über ihre ruhmreichen Jahre bis zum Ende ihrer Karriere. 


Die Sammlung von Fakten „wird kontrastiert oder auch konterkariert durch Berichte oder Kritiken, durch die sich ihr künstlerischer Weg erschließt. Es ?nden sich lange (und nicht geschönt zitierte) Passagen aus Kritiken nach wichtigen Premieren und Gastspielen, aus denen nicht zuletzt die Parameter abzulesen sind, nach denen sie beurteilt wurde. ... Weiter ?nden sich Auszüge aus den wichtigsten Essays und Würdigungen bedeutender Connaisseurs, aus Erinnerungen von Dirigenten“ und aus legendären Callas Debatten. (Hanjo Kesting)


Chronologisch geordnet reiht Klausener nichts als Fakten aneinander, die die Konturen des Callas-Bildes deutlicher denn je erscheinen lassen. Wie gesagt: Dies ist keine Callas-Biografie. Es ist eher eine Aufführungs- und Rezeptionsgeschichte der vielleicht bedeutendsten Sängerin des vergangenen Jahrhunderts. Gleichzeitig ist es der Versuch, die durch Boulevardpresse, Klatsch und Sensationsgier verzerrte Sicht auf die Sängerin Maria Callas wieder auf den Boden der Tatsachen zu stellen und biographische Fakten zu korrigieren.


Klausener ist bescheiden in seinem Anspruch an sich selbst. Er wolle mit seinem Callas-Buch nicht weniger, aber auch nicht mehr als „eine Chronik ihrer Lebensdaten mit all ihren Aufführungen und Schallplatteneinspielungen in bislang nicht vorliegender Ausführlichkeit und Präzision liefern; ihre Kolleginnen und Kollegen, ihre Kritiker, ihre Freunde und Gegner sollten zu Wort kommen. So, stellte ich mir vor, würde aus den Zeugnissen ihrer Zeit ein realitätsnahes und für heutige Leser authentisches Bild der Künstlerin Maria Callas entstehen. ... So kann dieses Buch ... einen Überblick über die internationale Rezeption von Maria Callas geben, und es kann, unterfüttert mit gesicherten Daten und Fakten, auf meine persönliche Wertung als ,,Autor“ verzichten.“

Chapeau! Das nennt man Understatement. 


Register, Quellenverzeichnis, ausführliche Anmerkungen und ein imponierendes Verzeichnis der Erinnerungen, Würdigungen und Porträts der Callas in TV und Radio sind angehängt und vervollständigen dieses vergleichslose Buch. Es herrscht wahrlich kein Mangel an Callas-Büchern. Aber dieses ist konkurrenzlos und wichtig.

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

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