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Photo: Michele Crosera
Spontini-Ausgrabung am Teatro La Fenice/Teatro Malibran in Venedig:
Die einaktige, noch ganz neapolitanische, jugendliche Farca
„Le Metarmofosi di Pasquale o sia Tutto è illusione nel mondo„
Premiere 19. 01. 2018
Ohne Maria Callas wäre Gaspare Spontini wohl völlig in Vergessenheit geraten. Die Callas hat mit ihrer Interpretation der Titelrolle der Oper „La Vestale“ an der Mailänder Scala 1954 den Startschuss gegeben für eine Wiederentdeckung des Komponisten, dessen Werk im Gegensatz zu Meyerbeer, Rossini, Bellini und Donizetti bis zu jenem Zeitpunkt der Vergessenheit anheim gefallen war. Und das, obwohl er in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zu den bedeutendsten Opernkomponisten Europas zählte. Das Kind armer Eltern aus einem kleinen Ort Maiolati nahe Ancona in der Provinz der Marken wurde spätestens ab dem Zeitpunkt eine Berühmtheit, als es 1810 Direktor des Théâtre de l’Impératrice und ab 1814 Hofkomponist in Paris wurde. 1820 folgte er einer Aufforderung des preußischen Königs Friedrich Wilhelms des Dritten nach Berlin, wo er das für ihn erstmals geschaffene Amt eines Generalmusik-direktors an der Königlichen Oper übernahm. Doch da hatte er schon den Großteil seiner mehr als 20 Opern komponiert, die in ganz Europa gespielt wurden.
Dass der einst so gefeierte Spontini, dessen Opern als Vorläufer der Grand Opéra Meyerbeers gelten dürfen, so in Vergessenheit geriet, mag zu tun haben damit , dass ihm seine extreme Eitelkeit, aber auch seine Herrschsucht, seine Neigung zum Pomp, riesigen Orchesterbesetz-ungen und höchsten Anforderungen an die Sänger, seine aufführungspraktische Akribie, seine angebliche Feindschaft zu Wagner und zu Weber sowie sein vermeintlicher politischer Oppor-tunismus übel angerechnet wurden. Oder trafen Rossini und seine Nachfolger ab den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts einfach den Nerv des Publikums besser als er? Fortunato Ortom-bina, Künstlerischer Direktor und Intendant des Teatro La Fenice bringt es auf die einfache Formel:
„Ich denke dass diese Komponisten einfach die „winner“ sind, um dieses vulgäre Wort zu benutzen.“
„Fernand Cortez“, „Agnes von Hohenstaufen“ und „Olympie“ sind die einzigen Werke Spontinis, die in den 50er- und 60er Jahren in Florenz und Neapel mit Gesangstars wie Maria Callas, Montserrat Caballé und Renata Tebaldi vereinzelte Aufführungen und Platteneinspiel-ungen erlebten. Seither wagt man Spontiniaufführungen nur noch beim Spontini-Pergolesi-Festival in Jesi unweit des Geburtsortes Spontinis. Von drei Ausgrabungen des „Fernand Cortez“ vor mehr als zehn Jahren in Paris, Madrid und Erfurt einmal abgesehen. In diesem Jahr führt man beim Spontini-Pergolesi Festival als Koproduktion mit dem Teatro La Fenice in Venedig ein seit mehr als 150 Jahren nicht mehr gehörtes Werk von Spontini auf, das am vergangenen Freitag, bevor es im Sommer nach Jesi geht, im Teatro Malibran, der zweiten Spielstädte des Teatro La Fenice Premiere hatte: „Le metarmofosi di Pasquale o sia Tutto è illusione nel mondo“, was auf Deutsch so viel heißt wie „Die Verwandlung des Pasquale oder Alles auf Erden ist Illusion“. Der venezianische Librettist des Stücks, Giuseppe Maria Foppa belieferte später auch Rossini.
„Dieser unbekannte Spontini ist ein Teil der Geschichte von Venedig. Die Oper des 18-jähri-gen wurde zum ersten Mal in demselben Theater San Moisè aufgeführt, in dem acht Jahre später der Stern des Genies von Gioacchino Rosini aufging.“ (Fortunato Ortombina)
Die einaktige Farca wurde neben drei weiteren handschriftlichen Partituren des Komponisten erst 2016 in der Bibliothek des Schlosses Ursel im belgischen Hingene gefunden. Bis dahin galten die vier Werke als verloren. Das nun in Venedig reanimierte Stück ist ein Dokument des jungen Spontini und seiner ersten Erfolge in Italien vor seiner Zeit in Paris. Es handelt sich um ein Werk, das noch ganz der neapolitanischen Schule verpflichtet ist. Spontini hatte an einem der bedeutendsten Konservatorien Neapels studiert, aber doch schon hörbar den Blick nach vorne richtet. In dem Einakter geht es um einen Tunichtgut und armen Teufel namens Pas-quale, der in die Kleider eines Aristokraten schlüpft und schließlich für diesen gehalten und in verzwickte Liebeshändel verstickt wird. Am Ende wird Doppelhochzeit zweier Paare gefeiert, aber Pasquale geht leer aus, der Looser in einer turbulenten Komödie.
Der nicht nur am Teatro La Fenice für seine Komödieninszenierungen geschätzte Regisseur Bepi Morassi hat „Die Verwandlung des Pasquale“ mit sieben hervorragenden jungen Nach-wuchssängern und mit viel komödiantischem Metier in einer Art Café chantante inszeniert, also einem jener Konzert und Vaiétécafés, wie es sie in Frankreich im neunzehnten Jahr-hundert gab. Man darf aber auch an das legendäre, noch heute existierende Caffè Gambrinus in Neapel denken. Und der berühmte neapolitanische Filmkomiker Totò stand Pate für die Gestaltung der Opern-Titelfigur. Ausstattung und Kostüme haben Studenten der veneziani-schen Accademia die Belle Arti beigesteuert. Fortunato Ortombina:
„Als wir vor acht Jahren diese Kooperation zwischen dem Teatro La Fenice und der Kunstaka-demie starteten, war unsere Idee: Wir wollen mit jungen Künstlern jugendliche Musik aufführen.“
Die jüngste, vom Publikum gefeierte Ausgrabung des verloren geglaubten Jugendwerks von Gaspare Spontini in Venedig wirft ein neues Licht auf den Meister der großen Monumental-oper des französischen Kaiserreichs im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts. Mindestens drei weitere verloren geglaubte Opern warten jetzt noch auf ihre szenische Reanimierung, von den übrigen Opern Spontinis ganz zu schweigen.
Beitrag auch in SWR 2 Cluster