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Der bis heute anhaltende Erfolg der Musik von Richard Strauss läßt sich „nicht ablösen von der Zeit und der Öffentlichkeit, für die sie geschrieben wurde“. Ein neuer Blick auf Strauss, den so noch niemand wagte. Ein wichtiges Buch im Straussjahr, weil es keinen bloß bewundernden, sondern einen durchaus kritischen Blick auf Richard Strauss als Vermarkter seiner Selbst wagt.
Richard Strauss. Vermarkter seiner Selbst
Am 11. Juni gedenkt die Musikwelt des 150. Geburtstages von Richard Strauss. Wie kaum ein anderer Komponist wurde Strauss schon zu Lebzeiten kontrovers beurteilt. Doch stets war er in aller Munde. Der Komponist hat selbst nicht unwesentlichen Anteil daran, denn Zeit seines Lebens betrieb er Selbstinszenierung in großem Maßstab. Daniel Ender, Musikwissenschaftler in Klagenfurt, hat eben dazu ein Buch geschrieben: Richard Strauss. Meister der Inszenierung“ Böhlau Verlag 2014, 349 S.
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In der „bürgerlichen Komödie“ Intermezzo aus dem Jahre 1927 hat Richard Strauss einen „autobio-graphischen Zwischenfall aus seinem Eheleben zum Anlass genommen, sich selbst und seine Frau Pauline kaum verschlüsselt auf die Bühne zu bringen. Dass die Kulissen bei der Uraufführung in Dresden der Strauss-Villa in Garmisch nachempfunden waren, erhöhte die spektakuläre Attraktion dieser ‚Zeitoper‘ “ so Daniel Ender, und er schildert eine ganze Reihe von Lebensereignissen, die Strauss zum Anlass nahm, auf sein Werk zu beziehen oder sogar in sein Werk einzubeziehen. Allerdings, so belehrt er den Leser, seien die „Verbindungen „zwischen Biographie und kompo-sitorischem Schaffen zu verschieden, um sie auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen“, was er deshalb auch gar nicht erst versucht. Schon die Zeitgenossen von Richard Strauss hätten sich diesbezüglich immer wieder aufs Glatteis begeben und seien Straussens Selbstinszenierung und – Stilisierung auf den Leim gegangen.
Wie in der Sinfonischen Dichtung „Heldenleben“ hat Richard Strauss mit Hilfe seiner Werke jene Teile seines Lebens idealisiert und inszeniert, die öffentlich werden sollten. Er hat damit sein ganzes langes Leben hindurch den „Grad der Aufmerksamkeit für seine Person und sein Schaffen“ erhöht. Gleichzeitig „verschwindet seine Persönlichkeit zu guten Stücken hinter der Selbstinszenierung“, die Strauss „ meist … verleugnet“, und wird schwerer greifbar. Was Wunder, dass es kaum einen anderen Komponisten gibt, über den so viele Anekdoten im Umlauf sind wie über Strauss. Roland Tenschert, Musikkritiker im Wien der 1930er Jahre, hat 1945 ein ganzes Buch mit Strauss-Anekdoten veröffentlicht. Er verschwieg freilich, worauf Ender aufmerksam macht, dass der eitle Strauss selbst während der Endphase des Zweiten Weltkriegs Einfluß auf die Textgestalt genommen und einige Passagen darin gestrichen oder verändert hat.
In seiner Alpensinfonie hat Strauss sein Bayerntum und seine Leidenschaft für Bergsteigen und Alpenglück in Töne gesetzt wie das Bonmot in die Welt, er könne komponieren, "wie die Kuh Milch gibt". Und er hat sich auf Bergeshöhen gern fotografieren lassen. Strauss war ohne Frage ein „Meister der Inszenierung“, wie der Untertitel des Buches von Daniel Ender behauptet. Ein Inszenator seiner selbst wie seiner Werke. Der Autor belegt seine These mit schlagkräftigen Details aus Werk und Biographie sowie öffentlichen und privaten Äusserungen von Strauss sowie Reaktionen und Meinungen der Zeitgenossen. Selbst- und Fremdbilder, Karrierestationen, Musik und Wirkung werden in sechs Kapiteln seines kenntnisreichen Buches einleuchtend dargestellt. Von seiner Wunderkindheit in München, jugendlich überschäumendem Erfolg als Kapellmeister und sinfonischem Zukunftsmusiker in Meiningen und seine modernistischen Opernprovokationen in München und Dresden bis hin zum saturierten Geschäftsmann und mitlaufenden Staatskomponisten im Dritten Reich, der sich nach 1945 wortkarg und unpolitisch gab, sich selbst zwischen „Reaktionär“ und „Eingebildetem Narren“ stilisierend, und seinen Traum von einer „Restauration“ austräumte, nicht zuletzt mit den sogenannten Vier Letzten Liedern, dem vielleicht schönsten Nachhall der Spätromantik, und einer letzten Verquickung von bekenntnishaft Biographischem und Musik.
Erstaunlich, um nicht zu sagen paradox ist die Tatsache, dass Richard Strauss „lange Zeit unmittelbar auf öffentliche Wirkung abzuzielen schien, in vielen Fällen aber dann offenbar doch der Illusion verfiel, seine Aussagen könnten dauerhaft im Verborgenen bleiben.“ Wenn dann doch Äußerungen und Handlungen des Komponisten ans Licht der Öffentlichkeit kamen, „änderte er im Umgang mit der Öffent-lichkeit seine Strategie“ auffällig, „wenn er etwa in seinem letzten Lebensdrittel immer häufiger darauf verzichtete, direkt darauf Stellung zu nehmen, was über ihn verlautbart wurde“. Das hat bisher noch niemand so klar dargestellt wie Daniel Ender, der mit seinem mit reichem Anhang und vielen Photos ausgestatteten Buch deutlich macht, dass der bis heute anhaltende Erfolg der Musik von Richard Strauss sich „nicht ablösen (läßt) von der Zeit und der Öffentlichkeit, für die sie geschrieben wurde“. Ein neuer Blick auf Strauss, den so noch niemand wagte. Ein wichtiges Buch im Straussjahr, weil es keinen bloß bewundernden, sondern einen durchaus kritischen Blick auf Richard Strauss als Vermarkter seiner Selbst wagt, ohne jedoch sein Werk zu diskreditieren.