Anna Moffo

Beauté & Primadonna
Die Ausnahmesängerin Anna Moffo ist am 9.3.2006 im Alter von 73 Jahren gestorben




Sie war zweifellos eine der schönsten Opernsängerinnen der Nachkriegsjahrzehnte. Was heuer Anna Netrebko, war in den Sechziger- und Siebzigerjahren Anna Moffo. Sie verfügte über Beauté und Aura eines Hollywood-Stars. Nur, daß ihre optischen Reize dem Niveau einer Ge-sangskunst entsprachen, mit der sich Anna Netrebko – mit Verlaub gesagt – nicht messen kann.


Anna Moffo bestach mit einer lyrischen, vollen und strahlenden Sopranstimme, mit vollendeter Koloraturtechnik, exzellentem musikalischem Geschmack und einer faszinierenden Bühnen-präsenz. Das Publikum war süchtig nach Anna Moffo. Aber auch alle großen Pultstars der Zeit, ob Karajan, Stokowski oder Tullio Serafin, waren ihr erlegen. Spätestens als sie die Moffo zum erstenmal hörten, hatten sie alle Zweifel an der singenden Schönheit über Bord geworfen.


Eugen Ormandy brachte es einmal auf den Punkt: „Ich dachte, es sei unvorstellbar, daß jemand, der so schön ist, so gut singen kann.“ Herbert von Karajan engagierte die Moffo 1957 für seinen „Falstaff“ bei den Salzburger Festspielen als Nanetta, zwei Jahre später debütierte sie bereits als Violetta in der „Traviata“ an der Met, die für viele Jahre ihr Zuhause wurde. Dort sang sie Mo-zart, Verdi, das französische und das italienische romantische Belcantofach des canto fiorito, bis sie 1976 ihren Met-Abschied gab. Nebenher hatte sie viele Filme gedreht.


Geboren wurde sie am 27. Juni 1932 als Tochter italienischer Eltern in Pennsylvania. Am Curtis Institute von Philadelphia hatte sie eine gründliche musikalische Ausbildung erhalten. Sie konn-te nicht nur singen, sondern auch Bratsche und Klavier spielen. Als Fulbright-Stipendiatin kam sie an die römische Accademia di Santa Cecilia, vervollkommnete dort ihre Gesangstechnik bei der legendären spanischen Lehrerin Mercedes Llopart und debütierte schon 1955 in Spoleto als Norina in Donnizettis „Don Pasquale“. Zwei Jahre später kam sie an die Römische Oper. Man sprach von einer Sensation. Es war der Beginn ihrer internationalen Karriere, die sie an alle großen Opernhäuser und Festspielorte der Welt führte.


Ihre eigentliche Blütezeit waren die Sechzigerjahre, in der sie ein kräfteraubendes Jet-Set-Le-ben zwischen Filmsets, Fernseh- und Bühnenauftritten, Interviewterminen, Schallplatten-aufnahmen und Parties führte.  Die ersten Opernhäuser in Europa und in Amerika rissen sich um die Moffo. 1968 brach die umschwärmte Primadonna in Berlin während einer Traviata-Aufführung zusammen. Es war der Anfang vom Ende einer kurzen, aber steilen Karriere. Die Schönheit ihrer Stimme und ihres Äußeren konkurrierten miteinander, bis ihr früher stimm-licher Ruin Ende der sechziger Jahre einsetzte. Als ihre Stimmkraft gänzlich versagte und mehrere Comeback-Versuche scheiterten, verlagerte Anna Moffo ihren Schwerpunkt. Sie führte ein glamouröses Leben. Das Parkett der High Society ersetzte ihr die Opern-Bühne.


Zweimal war Anna Moffo verheiratet, zuletzt seit 1974 mit dem früheren Präsidenten der Schall-plattenfirma RCA, Robert Sarnoff, der 1997 starb. Am 9. März ist sie selbst - der Realität längst entrückt - im Alter von fast 74 Jahren gestorben. Sie hinterläßt einige überragende Schall-platteneinsielungen, etwa ihrer Gilda in der „Rigoletto“-Gesamtaufnahme von Georg Solti, ihre Mimi in der „Bohème“ von Erich Leinsdorf, ihre „Carmen“ unter Lorin Maazel und die zau-berhaften Chants d´Auvergne von Canteloube unter Leopold Stokowski.