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Photos: Rossini Opera Festival - Stefano Poda
Sensationelle Rossini-Sternstunde beim ROF in Pesaro 2023
Premiere 11. AUGUST 2023
“Eduardo e Cristina” ist ursprünglich eine Oper von Stefano Pavesi, für die Giovanni
Schmidt das Libretto schrieb, Andrea Leone Tottola und Gherardo
Bevilacqua-Aldobrandini haben es für Rossini überarbeitet.
Die Handlung spielt im Schottland des 17. Jahrhunderts und dreht sich um den
Konflikt zwischen König Karl II. und dem Rebellen Lord Douglas. Eduardo, der Sohn
von Lord Douglas, ist in Cristina verliebt, die Tochter des Günstlings des Königs,
Lord Gualtiero. Die beiden Liebenden werden jedoch durch den politischen Konflikt
zwischen ihren Familien und den Machenschaften von Lord Gualtiero und seiner
Schwester Adelaide auseinander gerissen.
Es geht in dem romantischen Drama um überquere Liebeskonflkte, die politische
Interessen stören, es geht aber auch um eine unvermutete Mutter-Kind-Problematik
sowie Loyalitätskonflikte und andere, wie es sich eben für eine Opera seria gehört.
Und doch, oh Wunder, endet das Stück nicht tragisch, sondern mit einem happy end.
Obwohl das Werk, das in weniger als einem Monat entstand und vom
Rossinispezialisten Richard Osborn nicht zu Unrecht als schnell zusammengestellte
“Instant Oper” bezeichnet wurde,“vergleichbar einer Suppe aus der Tüte, und mit
ähnlich kommerziellen Erfolg”, wurde die Uraufführung im venezianischen Teatro
San Benedetto 1819 ein überragender Triumph. Das Werk wurde bis 1840 in ganz
Europa gefeiert, dann wurde es vergessen, bis es vor einigen Jahren beim Rossini
Festival in Bad Wildbad wiederentdeckt wurde.
In Pesaro spielt man nun zum ersten Mal die Kritische Edition der Fondazione
Rossini. Es ist die letzte Oper in Rossinis Werkkatalog. Eine echte Sensation, als die
sich auch die Produktion des dortigen Rossini Festivals erwies. Jader Bignamini,
gegenwärtig Musikdirektor des Detroit Symphony Orchestra, ist wie der geniale
Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner, Choreograf und Lichtdesigner Stefano Poda
Debütant in Pesaro.
Stefano Poda verzichtet auf alle Realistik und hat einen schwarz-weissen, mit
geometrischen Käfigen, Rahmen und Leichenschaukästen gegliederten Aktionsraum
der Seele entworfen. Er zeigt das Stück als Parabel menschlicher Leidenschaften,
als Ringen belasteter Seelen, kämpferischer Naturen und mörderischer Aktionen.
Immer neue Tableaus, Symbole, szenische Arrangements sowie verblüffende
choreografische und bildnerische Einfälle überraschen, ebenso wie die frappierenden
Beleuchtungseffekte und Stimmungswechsel. In traumhafter, verschwimmender
Transparenz kontrastieren in schmetterlingshaft grünblau schillernden
Brokatkostümen agierende Protagonisten mit weißgekleideten Choristen und fast
nackten, schwarz-grau geschminkten Ausdruckstänzern. Das Ringen, Schreiten,
Verknäueln, Rennen und Fallen, das Krabbeln und Kriechen auf der Bühne erzeugt
eine geradezu sogartige Vitalität und Spannung, die auch vom Dirigenten Jader
Bignanini, gegenwärtig Musikdirektor des Detroit Symphony Orchestra und dem
Orchestra Sinfonico Nazionale della RAI kraftvoll und betörend klangprächtig
aufgegriffen und ergänzt wurde.
Rossini hat in diesem Opernpasticcio das Beste aus seinen früheren Opern
“Adelaida di Borgogna”, “Ricciardo e Zoraide” und “Ermione” zusammengestellt und
ergänzt zu 17 abwechlungsreichen Musiknummern (+ Ouvertüre), ein eindrucksvoller Beweis seiner
souveränen Kunst des Recyclens. Auch in diesem Werk frappiert Rossini mit seinem
maschinenhaft abschnurrenden Stil, seiner Rhytmik und seinem melodischen Eifallsreichtum. Orchester und Dirigent haben die selten gespielte Oper bravourös, ja brilliant zum Klingen gebracht, ein wahres Rossinifest, das auch zum Sängerfest wurde durch ein superbes Ensemble virtuoser, junger
Rossinigesangsspezialisren.
Die in Pesaro bewährte Mezzosopranistin Daniela Barcellona brillierte in der Hosenrolle des Eduardo, die junge Sopranistin Anastasia Bartoli war eine hochvirtuose Cristina. Der sizlianische Tenor Enea Scala sang den Carlo. Dem Giacomo lieh der russische Bass Grigory Shkarupa sein mächtiges Organ. Der Tenor Matteo Roma war ein anmutiger Atlei.
Die fulminante Aufführung, die vom Premierenpublikum geradezu frenetisch gefeiert
wurde, wird denkwürdig in Erinnerung bleiben.
Meine Würdigung in "Orpheus"