Currentzis Cosi fan tutte Kermes

Diese "Cosi" geht vielleicht zu weit, aber unter die Haut!


Wolfgang Amadeus Mozart: „Così fan tutte“

Simone Kermes, Malena Ernman, Christopher Naltman, Kenneth Tarver, Anna Kasyan, Konstantin Wolff.

MusicAeterna, Teodor Currentzis (Leitung)

SONY 88843095832


Von der wahren Mozart-Schokolade spricht Theodor Currentzis im Begleitbuch seiner „Cosi fan tutte“-Gesamteinspielung.  Man stutzt, wo er doch Mozart alles andere als schokoladig musizieren läßt.  Dann fügt er hinzu, er meine  eine Art halluzinogener Schokolade. Eh bien! Dennoch klingt sein Mozart eher nach „Sex on the Beach“, „Bloody Mary“ oder Captain´s Cocktail. Champagner wäre noch viel zu harmlos als Metapher für seinen radikal unkonventionellen, leidenschaftlichen  Zugang zu Mozart.  Dieser Mozart ist alles andere als „schön“. Aber ist das Stück, das mit den Moralvorstellungen seiner Zeit abrechnet, schön? Eine bitterböse, gnadenlose Verkleidungs- und Partnertausch-Komödie voller schwarzem Humor, die nichts weniger als „eine Revolution in der Liebe“ propagiert.  Currentzis dirigiert das Stück  denn auch radikal, hochmanieriert, mit Lust an Übertreibungen, Gefühlsüberschwang, voller Überraschungen in Phrasierung, Dynamik und Agogik, mit extremen Tempi, aber immer glasklar und präzise bis ins kleinste Detail. Bei Currentzis ist der Mozart der „Cosi fan tutte“  aufmüpfig, „abge-dreht“, wild, ja rebellisch, aber auch unendlich zärtlich und innig. Fabelhaft wie das Ausnahmeensemble Musica Aeterna spielt. Auch das junge Sängerensemble überzeugt ausnahmslos mit leichten, beweglichen Stimmen. Last but not least: Currentzis Primadonna, La Stupenda nuova Simone Kermes, längst nicht mehr nur „Crazy Queen of Baroque“  besticht mit ihrer Fiordiligi  einmal mehr als beseelte Stimmakrobatin von höheren Gnaden. Die Aufnahme aus der östlichsten Millionenstadt Europas kurz vor dem Ural, wo für Currentzis  die utopischste Musiker-truppe Europas installiert wurde, dreht allen Anbetern altehrwürdiger Mozarttradition eine Nase. Mag sein, Currentzis geht zu weit. Unter die Haut geht sein Mozart allemal.


CD Rezension für die Beilage der Deutschen-Mozart-Gesellschaft in CRESCENDO