Maometto Secondo Rossini in Wildbad 2017

Photo: Patrick Pfeiffer


Belkantoglück im Kurort Bad Wildbad im Nordschwarzwald

Pesaro ist das Bayreuth Rossinis in Italien, Wildbad ist nichts weniger als dessen deutscher Wallfahrtsort



Fulminant: Rossinis " Maometto Secondo"

Premiere 15.07.2017


Es gilt als das Mekka aller Rossinianer in Deutschland, das Festival „Rossini in Wildbad“, das zum 29. Mal veranstaltet wird. Im Mittelpunkt der vielfältigen Veranstaltungen, die vom 7. bis zum 23. Juli angeboten werden, steht in diesem Jahr die Neuinszenierung des Dramma per musica „Maometto secondo“. Vorgestern Abend war Premiere  in der Trinkhalle des traditionsreichen Kurortes im Nordschwarzwald.


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Das tragisch endende  Dramma per Musica „Maometto Secondo“, 1820 in Neapel uraufgeführt, zwei Jahre später mit gutem Ausgang für eine Aufführung in Venedig bearbeitet, ist eine Oper, die den neapolitanischen Rossini auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft zeigt. Das Werk fa-ziniert durch raffinierte Dramaturgie, musikalische Originalität, ein Maximum an Spannung und enorme Dramatik.  Jochen Schönleber, Intendant des Rossini-Festivals in Bad Wildbad, hat das Stück in den Mittelpunkt des diesjährigen Festivals gestellt.


„Wir haben schon einmal die Venezianer Fassung versucht, die ist zwar schön, wie jeder Rossini, aber hat nicht die gleichen dramatischen Qualitäten. Diese tragische Fassung ist unglaublich. Und ich denke, es lohnt sich für uns für jedes andere Theater, diese Fassung in Erwägung zu ziehen, wenn man sie besetzen kann.“


Vier Hauptpartien und zwei Nebenrollen sind zu besetzen in diesem säbelrasselnden Drama, das einen kriegerischen Kulturkonflikt zwischen dem Statthalter der venezianischen Kolonie Negroponte und dem einfallenden Sultan Muhammed dem Zweiten zum Thema hat, und in dem  ein Vater-Tochter-Konflikt auf Seiten des Christen den tragischen Ausgang der Oper bewirkt, weil Erisso seine Tochter Anna derart unter moralischen Druck setzt, dass sie, die den muslimischen Herrscher liebt, sich am Ende umbringt.


Auf schlichter, praktikabler Spielfläche, die einen öffentlichen Raum mit einem Innenraum kombiniert, verbunden durch einen schiffsrelinghaften Lauftsteg und eine drehbare Wand, hat Jochen Schönleber das Stück im eigenen Bühnenbild in der großen Trinkhalle des Kurortes selbst inszeniert. 


„Ich denke, man kann sich bei Maometto nur zurückhalten. Die Tragik wirkt durch sich. Wir haben das sehr stark auf die Thematik dieser jungen Frau konzentriert, die einfach verheizt wird, der keine eigene Agenda zugebilligt wird von ihrem Vater, und das ist die Pointe. Mehr kann man nicht machen.“


Die Mailänder Sopranistin Elisa Balbo in der weiblichen Hauptpartie der Anna, ist die Neuent-deckung beim diesjährigen Rossinifestival in Bad Wildbad, das sich sängerische Nachwuchs-förderung auf die Fahnen geschrieben hat und als eine der wichtigsten Talentschmieden in Sachen Rossini diesseits der Alpen gilt. Aber auch die russische Mezzosopranistin Victoria Yarovaya in der Hosenrolle des venezianischen Generals Calbo ist nicht weniger als eine Stimmsensation: ein echter Koloraturalt, wie Rossini ihn liebte.


Die Mezzosopranistin mit der „geläufigen Gurgel“ ist ein Zögling der Accademia Rossiniana des kürzlich verstorbenen Alberto Zedda, des langjährigen künstlerischen Leiters des Rossini Opera Festival in Pesaro, dem Geburtsort des Komponisten an der italienischen Adriaküste, m weltweit führenden Rossinifestival. Zedda hat über viele Jahre auch das Festival in Wildbad durch seine Präsenz und Unterstützung maßgeblich geprägt. Ähnlich wie er, hat auch Jochen Schönleber ein Händchen für die Entdeckung neuer, außergewöhnlicher Stimmen. Neben dem beeindruckenden türkischen Tenor Merto Sungo, der den venezianischen Statthalter Erisso singt, ist der Star Aufführung der junge Heldenbariton Mirco Palazzi, der ebenfalls in Pesaro studierte. Der smarte Beau mit der tiefen, virilen Stimme gilt als  Shootingstar unter den jungen  Opernsängern. Ein Stimmphänomen!


„Wir können von Glück reden, dass wir den wahrscheinlich führenden Maometto im Moment da haben, wir haben ne unglaubliche Calbo, ne tolle, ne neue Anna und einen phantastischen Erisso. Und mehr braucht man nicht.“ (Schönleber)


Bis auf den Dirigenten, Chor und Orchester.  Mit dem Bach Chor Poznán und den Virtuosi Brunensis  stehen dem Rossini Festival in Bad Wildbad schon seit ein paar Jahren zwei außer-ordentlich zuverlässige  Ensembles zur Verfügung, mit denen der international renommierte, phantastische Rossinidirigent Antonino Fogliani - seit 2011 Leiter des Festivals in Wildbad – immer wieder aufsehenerregende Produktionen realisierte. Viele von ihnen sind inzwischen auf CD und DVD aufgezeichnet wurden und sorgten für überregionales Aufsehen sorgten. In die-sem Jahr wird die „Oper „Maometto secondo“ aufgezeichnet und veröffentlicht.  Insgesamt zeigt man dem zum Teil von  weither angereiste Publikum fünf Rossiniopern-Produktionen.


„Ja, wir sind sehr produktiv. Das ist eines unserer Geheimnisse, weil die Sänger kommen ja zu uns, um Aufnahmen zu machen, deswegen, ich sag das immer, wir zahlen in Silbertalern, das heißt, wir zahlen mit CDs und DVDs, aber nicht wirklich mit Geld.Wir sind mit Sicherheit das Festival mit dem kleinsten Etat in Europa, vielleicht auch weltweit. Wenn man das in der Re-lation zum Output sieht. Aber wir haben uns bisher ganz gut durchgeschlagen. Es gibt andere, die haben es etwas komfortabler. Ich sag immer, wir sind die Portokasse von Salzburg.“ (Schönleber)


Die finanzielle Ausstattung des Festivals, die im Wesentlich von Stadt, Land und Landkreis getragen wird, ist bescheiden, seine künstlerische Ausstrahlung  und Anziehungskraft aller-dings enorm. Pesaro ist das Bayreuth Rossinis in Italien, Wildbad ist nichts weniger als dessen deutscher Wallfahrtsort. Auch in diesem Jahr ist  Rossini in Wildbad wieder ein staunen-erre-gendes Belkantofest mit einer geradezu fulminanten „Maometto Secondo“-Aufführung. 





Beitrag auch in SWR 2 Cluster am17.07.2017